Manchmal sind wirklich schwierig erscheinende Fragen im Endeffekt doch sehr leicht zu beantworten. Warum in alles in der Welt durfte der gurkige Horror-Thriller „Dead Silence“ das Licht der amerikanischen Kinoleinwände erblicken - und dort standesgemäß floppen? An der Qualität kann es nicht gelegen haben, denn der Mystery-Grusel gehört direkt in die Videotheken versetzt. Doch ein Blick auf Regie und Drehbuch sorgt schnell für Aufklärung. Dafür zeichnen nämlich James Wan bzw. Leigh Whannell verantwortlich. Und das Duo hat seinem Studio mit dem Kult-Horror Saw sowie dem sich entwickelnden Franchise unverschämt viel Geld eingebracht, so dass die beiden einen Persilschein ausgestellt bekamen. Leider hilft dies weder dem Zuschauer weiter noch wird „Dead Silence“ dadurch besser.
„Beware the stare of Mary Shaw. She had no children only dolls. And if you see her in your dreams, do not ever, ever scream.”
Das glückliche Zusammenleben von Jamie Ashden (Ryan Kwanten, Flicka) und seiner jungen Frau Lisa (Laura Regan, „Hollow Man 2“) nimmt ein jähes Ende. Als Jamie eines Tages nach Hause kommt, findet er Lisa brutal ermordet vor. Der Täter hat ihr die Zunge rausgeschnitten und sie fürchterlich entstellt. Die Polizei glaubt Jamie seine Geschichte nicht. Er behauptet, eine erst kurz zuvor gelieferte, mysteriöse Bauchrednerpuppe sei in den Mord verwickelt. Zwar lässt Detective Jim Lipton (Donnie Wahlberg) den Hauptverdächtigen zunächst auf freiem Fuß, behält ihn aber scharf im Auge und ist persönlich fest davon überzeugt, dass er der Mörder ist. Weitere Verdächtige gibt es für ihn nicht. Jamie kommt in dem Kaff Ravens Fair einer uralten Horrormär auf die Spur, die besagt, dass der Bauchrednerin Mary Shaw (Judith Roberts, „Stardust Memories“) vor langer Zeit ein tödliches Unrecht geschah, was sie bis in die Gegenwart hinein zu rächen versucht. Sie wurde von einem tobenden Mob umgebracht, der sie für das Verschwinden eines Kindes verantwortlich machte. Jamies verhasster, an den Rollstuhl gefesselter Vater Edward (Bob Gunton, Das perfekte Verbrechen) und dessen neue Frau Ella (Amber Valletta, Die Vorahnung, Hitch) bieten Hilfe an, die er jedoch ausschlägt...
„Saw“ machte Regisseur James Wan und seinen Drehbuchautoren Leigh Whannell über Nacht berühmt. Obwohl der erste Teil der Jigsaw-Saga Kultpotenzial hat, wurde bisweilen gern übersehen, dass Wan nicht unbedingt ein begnadeter Regisseur ist, der überragend inszenieren kann. Die Faszination von „Saw“ begründet sich vielmehr auf der innovativen Story gepaart mit einem extrem grimmigen Härtegrad, der selbst Horror-Profis an die Nieren geht. Es ist unter anderem ihr „Verdienst“, dass sich diese beinharte Gangart mittlerweile als Muss etabliert hat, aber auf der anderen Seite ebenso zum Selbstzweck verkommen ist. Doch „Dead Silence“ weist keinen dieser beiden „Saw“-Erfolgsbausteine auf. Bis auf einen kurzen Moment zu Beginn, der wie eine Hardcore-Version von Carl Schenkels Knight Moves daher kommt, setzen Wan und Whannell nicht auf knochenbrechende Härte, sondern legen alles in eine atmosphärische Inszenierung. Auf diesem Gebiet kann der Film auch noch am besten gefallen. Die Bilder sind düster und schick, der Nebel wabert an allen Ecken und Enden hervor, aber was nutzt das, wenn die Story keine Tragkraft besitzt?!
Egal, ob sich das Duo seine Idee nun bei der „Chucky“-Reihe oder „Poltergeist“ entliehen hat, originell ist das Ganze jedenfalls nicht. Und trotz aller inszenatorischer Anstrengung ist die diabolische Dimension, die eine Holzpuppe verbreiten kann, doch sehr überschaubar. Erst im Finale gelingt es, richtige Spannung zu erzeugen. Es bleibt allerdings die Frage, ob es dann überhaupt noch jemanden interessiert. Der berühmt-berüchtigte Hammerschlag zum Schluss, der die Story noch einmal kräftig durcheinander wirbelt und ihr ein neues Gesicht gibt, brandmarkt auch „Dead Silence“ – was positiv zu vermerken ist.
Schauspielerisch ist der Horror-Thriller nicht der Rede wert. Besonders undankbar ist die Aufgabe für Donnie Wahlberg (Saw 2, Saw 3, The Sixth Sense, Dreamcatcher). Sein Detective Lipton ist dermaßen nervig angelegt, dass man ihm doch gewünscht hätte, mal einen Blick auf Wes Cravens Scream-Filme gelegt zu haben, was aber offensichtlich nicht der Fall war. Ansonsten hätte er nämlich von David Arquettes Darstellung des Deputy Dwight Riley lernen können, wie man eine eigentlich nervige Figur doch noch mit ausreichend Sympathiewerten unterlegt. Wan und Whannel schaffen es jedenfalls nie, den Zuschauer auch nur rudimentär für ihre blassen Figuren zu interessieren.
Fazit: „Dead Silence“ ist für Genrefanatiker unter Umständen einen Blick wert, verpasst es aber aufgrund des wenig sorgsam aufgebauten Spannungsbogens, den Zuschauer über anderthalb Stunden wach zu halten. Wer es sowieso albern findet, dass Bauchrednerpuppen ein Eigenleben entwickeln, ist eh im falschen Film – ebenso wie jene, die eine Fortführung der „Saw“-Massaker erwarten. „Dead Silence“ wandelt vielmehr auf den Pfaden von mäßigem Mummenschanz à la Boogeyman, The Marsh oder Der Fluch der Betsy Bell.