Im September 1971 erregte einer der spektakulärsten Bankraube Englands das Aufsehen von Presse und Öffentlichkeit. Allerdings nur ganze vier Tage lang. Danach war keine Zeile mehr darüber zu lesen. Die britische Regierung verhängte eine sogenannte Defence Notice - die Medien durften aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht mehr über die Tat berichten. Obwohl 500.000 Pfund aus der Lloyd’s Bank in der Londoner Baker Street gestohlen wurden, kam es in der Folge nur zu vier minderschweren Verurteilungen. Die Hintergründe des Raubs sind bis heute weitgehend unklar und die Akten teilweise bis 2054 (!) unter Verschluss. Verstrickungen des Falls reichen vom Geheimdienst, über die Polizei, einflussreiche Gangster und politische Radikale bis ins britische Königshaus. Diesem hochspannenden Stoff nimmt sich Roger Donaldson in seinem Thriller-Drama „The Bank Job“ an. Leider reizt der Regisseur den unglaublichen Zündstoff und die Brisanz seines Materials nicht voll aus und verschenkt damit einiges an Potenzial.
London, 1971. Martine Love (Saffron Burrows) steckt tief in der Klemme. Auf dem Flughafen wird das ehemalige Model mit Drogen erwischt und von den Behörden in die Mangel genommen. Doch es gibt einen Ausweg, den ihr Geheimdienst-Agent Tim Everett (Richard Lintern) aufzeigt. Sie soll in ihren Kreisen kriminelle Freunde dazu anstiften, eine Filiale der Lloyd’s Bank leerzuräumen. Dort lagert nämlich etwas, das für die Regierung von unschätzbarem Wert ist. Der schwarze Möchtegern-Revoluzzer Michael X (Peter de Jersey) ist im Besitz von explosiven Fotos, die Prinzessin Margaret in Flagranti beim Liebesspiel mit zwei Männern in der Karibik zeigen. Michael X nutzt dieses Material als effizientes Druckmittel, um nicht für seine kriminellen Machenschaften zur Verantwortung gezogen zu werden. Martine überzeugt ihren alten Freund Terry Leather (Jason Statham), der mit seinem Gebrauchtwagenhandel bei der Unterwelt in der Kreide steht, eine Truppe für den Raub zusammenzustellen. Seine Crew mietet sich im Nebengebäude der Bank ein und beginnt, einen Tunnel bis in den Tresorraum zu bohren. Mehrere Millionen Pfund an Beute warten nur darauf, eingesackt zu werden. Doch die Kleinganoven haben die Rechnung ohne die einflussreichen Männer hinter den Schließfächern gemacht…
Die Recherche zu „The Bank Job“ gestaltete sich für die Filmcrew als ausgesprochen schwierig, weil wenig Konkretes über den legendären Bankraub wirklich verbürgt ist. Das Drehbuchteam Dick Clement und Ian La Frenais (Across The Universe, Flutsch und weg) musste seine Figuren und Verstrickungen auf vage Informationen gründen, um so ein stimmiges Bild zu entwerfen. Nur wenige Charaktere – zum Beispiel der Unterweltboss Vogel (David Suchet) - basieren tatsächlich auf realen Personen.
Roger Donaldson (Mit Herz und Hand, Der Einsatz, „Dante’s Peak“) ist auf dem Gebiet des Polit-Thrillers ein Spezialist. Der gebürtige Australier mit britischem Pass hat mit den enorm spannenden Thirteen Days und No Way Out zwei exzellente Vertreter dieses Genres in seiner Vita stehen. Somit ist die Regie-Wahl eine logische. Der Mann kann schließlich präzise inszenieren und scheint wie geschaffen für den vielversprechenden Bankraub-Stoff. Deshalb ist es umso verwunderlicher, dass „The Bank Job“ fast eine Stunde Spielzeit benötigt, um den richtigen Ton zu treffen. Bis dahin ist der Thriller zwar organisch sauber inszeniert, doch die vielen Figuren, die den Film aus allen erdenklichen Gesellschaftsschichten bevölkern, verkommen hier und da zu sehr zu launigen Abziehbildern mit Karikaturansätzen. Das mag im britischen Gangsterkino eines Guy Ritchie sicher seine Berechtigung haben, aber mit einem solch ernsten Hintergrund wirkt es teilweise deplatziert. Dadurch schwächen Donaldson und seine Schreiber die Dimensionen der Abgründe, die sich hinter den Schließfächern auftun, unnötigerweise ab. Exemplarisch lässt sich dieser Malus an der Figur des Michael X festmachen, der viel zu oberflächlich und plakativ ins Storygebilde eingesetzt wird. Diesem Mangel zum Trotz ist „The Bank Job“ superb ausgestattetes Siebzigerjahre-Heist-Kino. Aber was wäre wohl aus dem Klassiker Hundstage geworden, wenn Sidney Lumet wie Donaldson die letzte Ernsthaftigkeit hätte vermissen lassen? Besonders die politische Komponente wird so nicht voll ausgespielt.
Das Tempo ist gemächlich, erst spät werden die Daumenschrauben angezogen. Die Spannung steigert sich kontinuierlich bis zur großen Auflösung, bei der die Fäden zusammenlaufen. Zum Glück ist der Spaß zum Finale hin endgültig vorbei. Donaldson schaltet zwei Gänge höher und bringt „The Bank Job“ so zu Ende, wie er den Film auch hätte beginnen müssen. Selbst die Härte erreicht schließlich angemessene Ausmaße, die Winkelzüge der zahlreichen vertretenen Parteien um Politik, Polizei, Mob und Bankräuber verdichten sich nun zusehends – besser spät als nie.
Für seine erste Arbeit in Großbritannien seit „Die Bounty“ (1984) stand dem Regisseur eine ausgezeichnete Besetzung der ersten britischen Schauspieler-Garde zur Verfügung. Jason Statham (Transporter, Crank, Snatch, „Bube, Dame, König, Gras“) hat mit seinem unbändigen Charisma genau die Kragenweite, um diesen kleinkriminellen Familienvater, der weit über seine Grenzen gehen muss, zu verkörpern. Saffron Burrows (Die Liebe in mir, Troja, Enigma - Das Geheimnis) gibt ihre Femme Fatale ebenso überzeugend, wie Richard Lintern (Cassandras Traum, Syriana) den zwielichtigen Geheimagenten, der nicht minder wie die Gauner droht, zwischen den Fronten zermahlen zu werden. Auch die kleineren Rollen sind stimmig besetzt.
Fazit: „The Bank Job“ ist furioses Polit-Thriller-Material, das Roger Donaldson besser in dem nüchternen aber ultraspannenden Stil eines „Thirteen Days“ inszeniert hätte, anstatt dem britischen Gangsterfilm ein Übermaß an Tribut zu zollen. Was bleibt, ist immer noch ein sehenswerter Period-Film, der jedoch in seiner Summe hinter seinen Möglichkeiten abschneidet.