Wie oft am Tag läuft man an Straßenmusikern vorbei? Schwer zu sagen, oder? Ob man sie nun beachtet oder nicht: In Irland ist die Dichte an Straßenkünstlern sehr viel höher, als in der durchschnittlichen deutschen Stadt. Schade eigentlich. Denn so entgehen uns solch bezaubernde Geschichte, wie sie der irische Regisseur und Drehbuchautor John Carney in seiner erfrischend unprätentiösen Musical-Romanze „Once“ erzählt, die beim Sundance Film Festival 2007 mit dem Zuschauerpreis ausgezeichnet wurde.
Tschechien trifft Irland, Klavier trifft Gitarre: Als ein talentierter Straßenmusiker (Glen Hansard) und eine junge Pianistin (Markéta Irglová) aus Tschechien sich in der Dubliner Fußgängerzone begegnen, ahnen sie noch nicht, wie sehr diese Zufallsbekanntschaft beide verändern wird. Er träumt vom musikalischen Durchbruch, während er tagsüber im Geschäft seines Vaters Staubsauger repariert und abends auf den Straßen von Dublin seine Musik spielt. Sie schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch und kann sich noch nicht mal ein eigenes Klavier kaufen, um ihre Musik wenigstens in der Freizeit zu leben. Sobald die erste gemeinsam gespielte Note zwischen den jungen Musikern erklingt ist klar: Sie sind auf einer Wellelänge. Sie haben sich gefunden. Aber wird das Leben auch zusammenführen, was die Musik bereits verschmelzen ließ?
Donnernde Paukenschläge, Glitzer in allen Regenbogenfarben flittert über die Leinwand, während die trägen Noten schmalziger Songs zu perfekt choreographierten Tanzeinlagen durch die Luft wabern wie schweres Parfüm – so ist das durchschnittliche Musical. „Once“ ist keiner dieser Filme. In schönen, unaufgeregten Bildern wird eine fast schon minimalistische Liebesgeschichte erzählt, bei der jeder Song mehr Aussagekraft hat, als ein noch so cleverer zehnminütiger Dialog. Wo in klassischen Musicals ein Lied nur noch unterstreicht, was in der Szene davor schon klar wurde, wird in „Once“ endlich einmal nur die Musik genutzt, um dem Zuschauer zu vermitteln, was die Charaktere bewegt. Das gibt der Performance etwas Intensives und Unmittelbares, das dem aufgedrehten Geträller und Getanze anderer Musicals oftmals fehlt.
Doch das ist nicht das Einzige, was „Once“ der Konkurrenz voraus hat: Die zum Großteil von Hauptdarsteller Glen Hansard komponierte Musik geht nicht nur sofort ins Ohr, sondern auch ins Herz, wo sie noch eine ganze Weile nachklingt. Und zwar so lange und nachhaltig, dass der Soundtrack für zwei Grammys nominiert wurde. Besonders schön: Das melodiös-mitreißende „Falling Slowly“ und das rockige „When your mind is made up“. Die Musik erzählt Geschichten, ohne dem Zuschauer eine bestimmte Sichtweise aufzuzwingen. Die Stücke sind „Abbilder, Darstellungen, Ideen und Zeitmomente. Wie viele gute Songs sind sie ziemlich vage, offen für jegliche Interpretation; Gedichte, die zunächst belanglos sind, die aber plötzlich die Welt bedeuten, wenn man erfährt, was sie beschreiben“, sagt Regisseur Carney über die Songs seines ehemaligen Bandkollegen Hansard (die beiden spielten Anfang der Neunziger in der irischen Band „The Frames“). Auch die restliche Crew setzt sich aus Kollegen und Freunden von Carney zusammen und diese familiäre Atmosphäre merkt man „Once“ auch positiv an. Deswegen kann man es im Nachhinein als Glücksfall bezeichnen, dass der für die männliche Hauptrolle gedachte Cillian Murphy (Sunshine, Batman Begins) den Part ablehnte.
Ganz nebenbei schafft es „Once“ mehr als einmal, dem Zuschauer ein unerwartetes Schmunzeln zu entlocken: Wenn die Pianistin ihren Staubsauger in der Fußgängerzone hinter sich herzieht, wie einen störrischen Hund. Oder wenn sich die gesamte Band in ein Auto zwängt, um die aufgenommene Musik dem ultimativen Test zu unterziehen: Sie auf schlechten Lautsprechern anzuhören. Auch die liebevoll-schrullige und keineswegs überhöhte Darstellung der Iren trägt ihren Teil zum hohen Sympathiewert von „Once“ bei. Bereits nach der Anfangssequenz ist die Hilfsbereitschaft, raue Freundlichkeit und lallende Herzlichkeit der Iren so komprimiert verdeutlicht, dass der Zuschauer sich sofort mit ihnen identifizieren kann.
Und das Erstaunlichste: „Once“ wurde in nur zwei Wochen mit einem Budget von 180.000 Euro gedreht und die beiden Hauptdarsteller haben wenig bis gar keine schauspielerische Erfahrung. Natürlich macht sich das in der ein oder anderen Szene bemerkbar, wenn Landschaftsbilder nicht ganz so auf Hochglanz poliert sind, wie bei großen Produktionen. Oder wenn die Handkamera mit ihrer wackligeren Bildführung dem Zuschauer bewusst macht, dass ihr Auge nicht mit aufwendigen Kamerafahrten verwöhnt wird. Auch das Spiel der beiden Hauptdarsteller ist nicht immer perfekt. Doch diese kleinen Imperfektionen tun dem Filmvergnügen wenig Abbruch.
Fazit: „Once“ ist eine Low-Budget-Produktion mit großem Herz, die sich kein kinophiler Musikfreund entgehen lassen sollte. Ein Film darüber, wie Musik Menschen verbindet, das Leben bereichert und verändert. Schade nur, dass selbst die ausdauerndsten Rufe nach einer Zugabe nicht bedacht werden können... Da bleibt nur eins. Nochmal anschauen: Once more.
Interview mit Hauptdarsteller und Songwriter-Shootingstar Glen Hansard