Schauplatz Großbritannien, ein paar Gangster und Drogendealer, Schießeisen und einige Storyverstrickungen: Das klingt doch alles verdammt nach einer neuen Guy-Ritchie-Kopie. Verstärkt wird der Eindruck dadurch, dass dessen Stammdarsteller Vinnie Jones im Mittelpunkt des Geschehens steht. Doch Regisseur Mark Hammond und Autor Brendan Foley gelingt es bei ihrem jeweiligen Debüt, sich immer wieder vom Vorbild zu emanzipieren. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Film seine Stärken ausspielt: das bisweilen sehr ordentliche Drehbuch, seine ruhigen zwischenmenschlichen Momente und die nicht nur namhafte, sondern auch gute Darstellerriege.
In einem Mehrparteienhaus will Johnny Doyle (Vinnie Jones) nur seine Ruhe haben, denn sowohl Polizei als auch seine Ex-Kampfgenossen sollen von dem ausgestiegenen irischen Freiheitskämpfer bzw. Terroristen möglichst keine Notiz nehmen. Das ist nicht immer ganz einfach. Zum einen betreibt über ihm der Jamaikaner Ras (Lennox Lewis) einen kultigen, aber illegalen Radiosender, zum anderen ist unter ihm der Stützpunkt des brutalen Drogendealers Julius (Eriq La Salle) und die Wohnung von dessen süchtiger Freundin Rita (Samantha Mumba). Doch richtig unruhig wird es für Doyle, als sein alter Mentor Flynn (Patrick Bergin) auftaucht. Der Terrorbomber ist mit einem verletzten Kollegen (Laurence Kinlan) aus dem Knast ausgebrochen und will sich bei Doyle bis zur Weiterreise in die Heimat verstecken. Dass es auch bei Julius hoch her geht und der zudem bald Wind von Johnnys Gästen bekommt, verkompliziert die Sache weiter…
Wer sich von „Johnny Was“ einen coolen britischen Gangsterfilm erhofft, könnte enttäuscht werden. Sicher, die Elemente dazu sind vorhanden: ein jamaikanischer Disc-Jockey, ein Ex-Terrorist, ein aktiver Bombenleger, eine süchtige Krankenschwester und ein brutaler Drogenboss, ergo die richtigen Charaktere, dazu ein paar kultige Sprüche, leicht chaotische Storywendungen, die teilweise jeden gegen jeden kämpfen lassen, und ein wenig Action. Trotzdem passt „Johnny Was“ nicht ganz in dieses Schema. Der eine Grund: Gerade die (sowieso eher raren) Actionszenen sind sehr mäßig inszeniert und hauen keinen vom Hocker. Der bessere Grund: Der Film hat einfach viel mehr zu bieten. Die Vergangenheitsbewältigung des Hauptcharakters, der nach einem Bombenanschlag ausstieg, ist der eigentliche Mittelpunkt der Geschichte. Sein Versuch, trotz Schuldkomplex ein neues Leben zu beginnen, wird durch die Komplikationen der Geschichte torpediert. Daraus bezieht der Film die entscheidende Spannung, die fesselt. Dass es daneben ein paar wunderbar überzeichnete Momente gibt, macht das Ganze nur schöner. Ein weiteres Prunkstück der Produktion ist der atmosphärisch hervorragende Reggae-Soundtrack.
Die Namen des Ensembles können sich gerade für eine Direct-to-DVD-Produktion mit eher niedrigem Budget sehen lassen. Wobei die meisten hauptsächlich durch andere Tätigkeiten als die Schauspielerei Bekanntheit erlangt haben. Ex-Kicker Vinnie „Die Axt“ Jones ist als Schauspieler (siehe z.B. Die Todeskandidaten, Midnight Meat Train, X-Men: Der letzte Widerstand) mittlerweile fest etabliert und seine Performance hier besonders positiv herauszuheben. Denkt man mal wieder, eine Neuauflage seiner oft gebrachten Rolle des obercoolen harten Kerls präsentiert zu bekommen, erweisen sich Rollengestaltung sowie die Darstellung als durchaus differenziert. Seine Figur darf auch Schwächen zeigen, was sie interessanter macht und den gebrochenen Charakter verstärkt. Samantha Mumba (Time Machine) dürfte den meisten eher als Pop-Sternchen ein Begriff sein. Sie bringt optischen Glanz in die Produktion, während die Besetzung des ehemaligen Box-Weltmeisters Lennox Lewis als kiffender jamaikanischer Radio-DJ ein guter Gag ist. Lewis kam übrigens im Rahmen seiner Flitterwochen zu den Dreharbeiten nach Großbritannien. Sicher auch kein ganz alltägliches Reiseziel für die Tage nach der Hochzeit. Weitere prominente Namen sind „The Who“-Gründer- und Frontman Roger Daltrey als Terroristenführer und Geschäftsmann sowie Jones’ ehemaliger Fußballkollege John Fashanu in einem kleinen Gastauftritt. Mit Patrick Bergin (Ella - Verflixt und verzaubert) und Eriq La Salle (One Hour Photo) in den Rollen der beiden Antagonisten bereichern dann noch zwei überdurchschnittliche professionelle Schauspieler den insgesamt sehr ansehnlichen Cast. Wer La Salle aus acht Staffeln „Emergency Room“ kennt, dürfte sich hier leicht verwundert die Augen reiben. Der Mime beweist mit der Rolle als brutaler Drogenkönig eine breite Palette an Fähigkeiten.
Für den aus Belfast stammenden Journalisten Brendan Foley erwiesen sich das Drehbuchdebüt und das Zusammentreffen mit Vinnie Jones übrigens als Glückstreffer. Jones sagte Foley gleich für zwei weitere Filme zu. Hier übernimmt Foley nun nicht mehr nur den Autorenposten, sondern wechselt auch noch auf den Regiestuhl. Wohl eine gute Wahl, denn die Inszenierung von Mark Hammond erweist sich, gerade wenn es etwas härter zur Sache geht, als größte Schwäche von „Johnny Was“. Und so kann man als Freund des britischen Films von den nächsten beiden Foley/Jones-Kollaborationen durchaus noch mehr erwarten, als der ohnehin schon überzeugende „Johnny Was“ zu bieten hat.