„Planet Terror“ – schon der Titel lässt einiges erhoffen. Groß soll das Ganze sein. Schrecken von planetarem Ausmaß. Das hört der Fan, der schon länger auf den Kinostart von Robert Rodriguez’ Zombiefilm wartet, natürlich gerne. Dem amerikanischen Schmuddelkino der 70er und 80er Jahre, das in erster Linie aus billig produzierten Sex-, Karate-, Horror- und Actionfilmen bestand, wollten Quentin Tarantino und Robert Rodriguez mit ihrem Double-Feature Grindhouse neues Leben einhauchen. In die deutschen Kinos kommen die beiden Beiträge einzeln und in einer längeren Version. Vorweg: Ein Meisterwerk ist „Planet Terror“ nicht geworden, aber dafür solide Fun-Splatter-Action mit einer Handvoll genialer Ideen.
„Ich habe diese coole Idee für einen Zombiefilm. Ich weiß noch nicht genau, was darin wirklich passieren wird, aber er soll von einem Arzt-Ehepaar in einem Krankenhaus handeln.“ (Robert Rodriguez)
Die Story von Robert Rodriguez’ „Grindhouse“-Beitrag „Planet Terror“ ist dem Genre gerecht simpel: Ein Virus verwandelt alle, die mit ihm in Berührung kommen in deformierte Irre. Die sind nicht besonders schön anzusehen, haben Lust auf Menschenfleisch und sind darüber hinaus auch noch ansteckend. Pech für ein kleines Kaff, das nach und nach im Sicko-Chaos versinkt. Eine Gruppe Überlebender – die Stripperin Cherry (Rose McGowan), die eigentlich Stand Up Comedian werden will, der undurchsichtige Gunslinger Wray (Freddy Rodriguez), die Krankenschwester Dakota Block (Marley Shelton), die ihr Handwerk mit spitzen Spritzen sehr gut versteht sowie eine Handvoll weiterer Exoten schlagen sich nach besten Kräften durch das Endzeitszenario.
Vor einigen Jahren begann Robert Rodriguez die ersten Ideen für „Planet Terror“ niederzuschreiben. Anfänglich wusste er noch genau, in welche Richtung sich der Stoff entwickeln sollte. Er hatte nur ein paar Szenen vor Augen. Klar war nur – er, als großer Fan von Zombie- und Horrorfilmen, wollte ein totgesagtes Genre wiederbeleben. Zu der Zeit, als der Grundstein für den Film gelegt wurde, lag das Zombie-Genre nämlich gerade ziemlich auf Eis. Doch Rodriguez, der unter einer Schreibblockade litt, kam nicht in die Puschen. Erst als die große Zombiefilm-Welle mit Dawn Of The Dead, Land Of The Dead und Danny Boyles 28 Days Later losbrach und das Publikum Blut geleckt hatte, fühlte sich das junge Allroundtalent in seinem Vorhaben bestätigt, machte sich wieder an die Arbeit und verwirklichte seine Version des Zombiefilms. Was mit wenigen Ideen für Szenen und Figuren begann, wuchs zu einem ganzen Kosmos an schrägen Figuren heran, die sich in einer Kleinstadt gegen die mutierte Bevölkerung zur Wehr setzen müssen.
Dass der 1968 in San Antonio, Texas, geborene Rodriguez zu den kreativsten und eigenwilligsten seiner Zunft gehört, zeigte sich schon früh. Seinen ersten Langfilm „El Mariachi“ (1992) stellte er für nur 7.000 Dollar völlig selbstständig fertig. Die 16-mm-Filmkamera für den Dreh war geliehen, Schauspieler waren Freunde und Bekannte. Nahezu alle Arbeiten am Set führte Rodriguez selbst aus. Nach seinem nächsten Film „Desperado“ mit Antonio Banderas und Selma Hayek in den Hauptrollen gelang ihm 1996 mit From Dusk Till Dawn, den er mit seinem Freund Quentin Tarantino drehte, ein absoluter Kulthit. Nach einigen mittelprächtigen Filme wie dem satirischen Horrorfilm „The Faculty“ und dem dreiteiligen Kinderabenteuer Spy Kids (2001, 2002 und 2003) feierte er 2005 mit der düsteren Comic-Verfilmung Sin City sein Comeback. „This isn't an adaptation of a comic book, it's like a comic book brought to life and pumped with steroids”, schrieb Kritikerpapst Roger Ebert in der Chicago Sun-Times. Schon dieser kurze Streifzug durch das Oeuvre von Robert Rodriguez zeigt dessen Vielseitigkeit. „Geht nicht, gibt’s nicht“, scheint das Motto dieses Regisseurs zu sein, der nicht selten ebenfalls für die Drehbücher, den Schnitt und die Produktion seiner Filme verantwortlich ist. Keine Idee ist ihm zu schräg, als dass er sich nicht an die Umsetzung wagen würde. Der dadurch entstehende Eindruck des Übertriebenen wirkt sich aber kaum nachteilig aus, sondern fungiert meist sogar als Hauptargument für seine Filme. Das trifft nicht jedermanns Geschmack. Und im Falle von „Planet Terror“ wird es sich nicht anders verhalten.
Wirklich originell ist sein Film nicht, das Meiste hat man in gleicher oder ähnlicher Form schon wiederholt gesehen. So konnte man den Einsatz eines Hubschraubers als Waffe gegen Zombies erst kürzlich perfekt inszeniert in 28 Weeks Later bewundern. Wo Quentin Tarantino mit seinem „Grindhouse“-Beitrag Death Proof - Todsicher dieses Genre aus den Angeln hebt und etwas Neues schafft, verlässt sich Rodriguez lieber auf Versatzstücke, die er neu anordnet und ordentlich aufpoliert. Daran ist auch nichts auszusetzen, so lange das Zitatkino so viel Vergnügen macht, wie hier. Auch der Regisseur hat sichtlich seinen Spaß – er kleckert nicht, er klotzt seine bunten Motive förmlich auf die Leinwand und macht sich um so etwas wie Handlung augenscheinlich weniger Gedanken. Subtil ist das alles nicht, aber dafür äußerst effektiv. In dieser Hinsicht ist dem jungen Filmemacher vielleicht sogar der Beitrag geglückt, der mehr den Geist des Grindhouse-Kinos atmet. Der Mut zum Makel ist hier jedenfalls immer wieder zu sehen. Mit beinahe kindlichem Eifer quetscht er seine Ideen in den Film und man merkt schnell, dass diese und nicht etwa Brücken zwischen den einzelnen Ereignisinseln im Vordergrund standen. Neben dem schon erwähnten positiven Effekt auf die Grindhouse-Atmosphäre lassen sich leider auch Negativfolgen vermelden. So vermittelt der Film stark den Eindruck des Aneinandergereihten. Der Regisseur tut sich sichtlich schwer damit, einen packenden Erzählstil zu finden. Sich dieser Tatsache wohl bewusst, versucht er auch gar nicht erst, die Defizite zu verbergen, sondern geht offensiv ironisch damit um: An einer Stelle wird der Film einfach unterbrochen und auf eine fehlende Filmrolle verwiesen. Danach geht „Planet Terror“ ganz woanders weiter. So erfährt der Zuschauer weder, wie das Techtelmechtel zwischen Wray und Cherry ausgegangen ist noch wie die Gruppe Überlebender sich aus dem verbarrikadierten Haus freikämpfen konnte. Sicherlich ein hübscher Einfall. Aber auch wenn man selbstironisch auf Defizite hinweist, schafft man sie damit nicht aus der Welt.
Im Kontrast zu den Problemen in der Narration steht Rodriguez’ merkliche Begeisterung für seine Einfälle. Spritzenbewaffnete Krankenschwestern (mit zeitweise gelähmten Händen), Go-Go-Tänzerinnen mit MG-Beinprothese, Revolverhelden auf Minibikes, schmelzende Genitalien… Alles was das Herz erfreut. Das wirkt beinahe wie die Quintessenz seines bisherigen Schaffens, kommt einem zuweilen aber auch etwas selbstverliebt vor. Das sich um sich selber drehen hat Rodriguez mit seinem Freund und Kollegen Tarantino gemein. Auf jedes seiner Themen setzt der Mann aus Texas noch einmal einen drauf. Von allem gibt es bei „Planet Terror“ etwas mehr. Und dank seiner überdurchschnittlichen Fähigkeiten als Regisseur funktioniert der Film als Fun-Splatter recht gut. Zu Gute kommt dem die astreine Arbeit der Make-up- und Special-Effect-Abteilung von Greg Nicotero: „Wir haben ein paar Typen, die Gehirn essen und Leute werden auseinander gerissen oder ausgeweidet“, beschreibt dieser einen Teil der Aufgaben, die er und sein Team visualisieren mussten. Er erklärt: „Technisch gesehen gibt es bei uns gar keine Zombies. Sie sind keine Untoten, die zurückkommen und sie essen auch nicht notwendigerweise Fleisch. Sie werden infiziert und mutieren zu hirnlosen Killern.“ Ob Zombies oder Sickos – die Effekte sind auf alle Fälle sehr gelungen, fast ein wenig zu gut, wenn man das ursprüngliche Grindhouse-Kino vor Augen hat. Besonders atmosphärisch fällt der Anfang des Films aus. Als die ersten Patienten in die Klinik kommen und der Zuschauer vom Effekt-Feuerwerk noch nicht übersättigt ist, gibt es ein paar toll-eklige Momente (Stichwort: Zunge). Leider nutzt sich die Begeisterung über die Metamorphosen im Laufe der Zeit etwas ab. Aber sei’s drum – Robert Rodriguez ist nun mal kein Vertreter des Weniger, sondern des Mehr.
Die schauspielerischen Leistungen gehen allesamt auf die eine oder andere Weise klar. Doch echte Highlights sucht man vergeblich. Erwähnenswert ist allerdings die starke Ausstrahlung von Rose McGowan (Black Dahlia), die man auch als Lapdance-Pam in der Langversion von Death Proof kennen lernt. Ihr Filmpartner Freddy Rodriguez (Poseidon), der Wray spielt, sieht dagegen etwas blass aus. Gut: Marley Shelton und Josh Brolin als das sich hassende Ehepaar Dr. Block. Auch die Comedy-Einlagen, in denen Mrs Doc Block versucht mit betäubten Händen eine Wagentür aufzubekommen, können sich sehen lassen. Bruce Willis (Stirb langsam) hat in seiner Minirolle als Oberbösewicht Lt. Muldoon sichtlich Spaß, kann in der Kürze der Zeit seinen Coolnessfaktor allerdings nicht richtig entfalten. Auch Quentin Tarantino hat einen Cameo-Auftritt in dem Film. Er kommentiert: „Vermutlich habe ich viele Fans auf der Welt, die gar nicht wissen, dass ich eigentlich Regisseur bin, weil sie mich nur als Schauspieler aus Roberts Filmen kennen.“
Fazit: Dass „Planet Terror“ alles in allem kein Meisterwerk geworden ist, liegt nicht nur an der bereits erwähnten schwachen Geschichte. So brillant, zahlreich und originell, als dass sie dem Film dieses Prädikat einbringen würden, sind Rodriguez’ Ideen dann doch wieder nicht. Einzelne Szenen sind großartig, für alle gilt das aber nicht. Zuweilen wirkt der Film sogar etwas voll gestopft. Die Qualität von Vorbildern wie Peter Jacksons „Braindead“ erreicht Rodriguez’ Film zu keiner Zeit. Trotzdem – auch wenn der versprochene globale Terror ausbleibt und Rodriguez weder das Fun-Splatter- noch das Zombie-Genre revolutioniert – ein launiger Film ist ihm dennoch gelungen. So hat „Planet Terror“ vielleicht nicht die erhoffte Größe, aber gut ist er als Einzelfilm betrachtet allemal. Und im Doppelpack mit Quentin Tarantinos Death Proof als Grindhouse-Gesamtkunstwerk sogar noch besser.