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    Villa Amalia
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Villa Amalia
    Von Ulf Lepelmeier

    Vor neun Jahren konnte Isabelle Huppert für ihre Hauptrolle in Michael Hanekes „Die Klavierspielerin" bereits ihre zweite Goldene Palme als beste Darstellerin des Wettbewerbs in Cannes entgegennehmen. In „Villa Amalia" spielt sie nun erneut eine verschlossene und ihre eigenen Vorstellungen eisern umsetzende Pianistin. Doch anders als Hanekes Verfilmung des Buchs von Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek wirkt Benoît Jacquots („Sade", „Die falsche Zofe") schroffes Drama nicht in sich stimmig und geschlossen. Der Regisseur nutzt zwar in jeder Szene die enorme Präsenz der Hauptdarstellerin, sein Porträt einer Frau, die alle Brücken hinter sich abbricht und sich auf eine Reise der Selbstfindung begibt, ist inszenatorisch aber unausgewogen und hinterlässt nicht zuletzt wegen des aufdringlichen Soundtracks kaum mehr als einen durchwachsenen Eindruck.

    Als die Pianistin Ann (Isabelle Huppert) ihren Lebensgefährten Thomas (Xavier Beauvois) dabei beobachtet, wie er zu einer anderen Frau fährt und diese stürmisch küsst, will sie ihr bisheriges Leben hinter sich lassen. Sie beendet die 15 Jahre währende Beziehung, sagt ihre Konzerttournee ab, verkauft ihre Wohnung, kündigt ihren Handyanschluss und löst ihr Konto auf. Kategorisch muss die Vergangenheit weichen. Nur Georges (Jean-Hugues Anglade), einem Freund aus ihrer Jugend, dem sie zufällig wiederbegegnet, vertraut Ann sich an. Er hilft ihr, ein neues Leben aufzubauen und die Spuren ihrer alten Identität zu verwischen. Sie beginnt eine Reise zu sich selbst, die sie zu einem abgelegenen, spartanisch eingerichteten Haus an einer mediterranen Felsküste führt. Dort lässt sich die Aussteigerin nieder und macht neue Bekanntschaften. Schließlich erhält sie auf ihrer Insel der Einsamkeit Besuch von Georges.

    Regisseur Benoît Jacquot und Hauptdarstellerin Isabelle Huppert („8 Frauen", „White Material") haben vor „Villa Amalia" bereits vier Mal zusammengearbeitet. Der Filmemacher weiß, dass er sich auf seine Protagonistin verlassen kann und folgt ihr in fast jeder Einstellung. Huppert zelebriert die strikte Unnachgiebigkeit ihrer Figur und kontrastiert ihre fragile Erscheinung mit einer unbändigen Willensstärke und Härte. Sie verleiht Ann klare Konturen, aber auch immer wieder neue Facetten, so dass ihre Reise und Flucht sich zu einem regelrechten Seelentrip entwickeln. Der Part der Ann ist ohne Zweifel eine Paraderolle für die vielgerühmte Darstellerin, die den Film von der ersten bis zur letzen Minute dominiert.

    Jacquot unterstreicht die klare Dreiteilung seiner Erzählung durch seine Inszenierung. Während Ann im ersten Teil des Films ihre bisherige Existenz auflöst, dominiert eine schnelle, grobe Schnittfolge. Sie ist gewissermaßen die formale Entsprechung für die etwas rätselhafte Unbeirrbarkeit der Protagonistin: Es bleibt keine Zeit für Trauer und Zweifel an dem kompromisslosen Plan können gar nicht erst aufkommen. Diese fragmentarische Montage wird im zweiten Drittel in leicht abgemildeter Form beibehalten. Auf ihrer Reise zu einem vorher nicht festgelegten Ziel tauscht Ann ihre Kleidung aus und lässt sich die Haare kurz schneiden, um wirklich jedes äußere Zeichen der vergangenen Persönlichkeit abzustreifen, was sie auf ihrem Weg sonst erlebt, bleibt hingegen im Vagen. Erst im letzten Teil des Films, wenn die unterkühlte Protagonistin die Villa Amalia erreicht hat, ein abgelegenes, spartanisches eingerichtetes Haus an einer Felsküste, kommen die Bilder wie auch Ann etwas zur Ruhe. Erst in der idyllischen Einöde kommt es zu echten Begegnungen und erst durch diesen Austausch erfahren wir etwas mehr über die verschlossene Ann, die sich selbst und ihr Inneres kennenlernen möchte.

    Trotz der progressiven Öffnung in Form und Inhalt, bleiben Andeutungen und stille Verweise bis zuletzt ein wesentliches Mittel der Charakterisierung. Die anspruchsvolle Zeichnung der in jeder Szene präsenten Figur gelingt zwar - vor allem dank Isabelle Hupperts kühler Strenge und Nuancierungskunst -, doch die etwas künstlich wirkende Dreiteilung sowie der sonderbare Rhythmus des Films, durch dessen schroffe Schnitte jede Gefühlsäußerung im Keim zu ersticken droht, erschweren den Zugang zur Selbstfindungsstory extrem. Dieser Effekt wird durch die dissonant tönende Musik, die in hartem Kontrast zur zurückgenommenen Bildgestaltung steht und die Erzählung zeitweilig geradezu erdrückt, noch verstärkt.

    Fazit: So kantig und sperrig wie die sich zu stark in den Vordergrund spielende Musik präsentiert sich das Selbstfindungsdrama von Benoît Jacquot auch als Ganzes. Der Regisseur findet nie den ganz den rechten Rhythmus, dem Wechsel zwischen aufbrausender Dramatik und beklemmender Natürlichkeit, zwischen staccatoartigen Schnitten und lang ausgehaltenen Einstellungen, fehlt es an erzählerischer Klarheit. Ganz zusammenhalten kann auch die erneut glänzende Isabelle Huppert die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Pascal Quignard nicht, aber ihre Demonstration darstellerischen Könnens macht aus „Villa Amalia" trotz aller Probleme einen durchaus sehenswerten Film.

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