Das Gesundheitswesen war schon immer ein Hort des Chaos. Zu viele Interessensgruppen kämpfen um zu wenig Geld, da ist ein unerbittliches Hauen und Stechen unausweichlich. Gerade in letzter Zeit sorgten protestierende Ärzte, so berechtigt ihre Anliegen auch sein mögen, nicht unbedingt für eine Verbesserung ihres ohnehin nicht einwandfreien Rufs. Mittlerweile tief im Allgemeinbewusstsein verankert ist das Klischee vom raffgierigen Chefarzt, der, kaum hat er sich an seinem armen Patienten eine goldene Nase verdient, fröhlich pfeifend in sein Luxusauto springt und sich auf dem Golfplatz vergnügt. Auch wenn dieses Bild mit der Wirklichkeit herzlich wenig zu tun hat, stelle man sich doch bitte mal folgende Frage: Welcher deutsche Comedian wäre die Idealbesetzung für einen durchtriebenen, über alle Maßen egozentrischen Klinikleiter? Christoph Maria Herbst hätte aufgrund seiner genialen Leistung als „bester Chef der Welt“ in den beiden ersten „Stromberg“-Staffeln sicherlich gute Chancen, bei einer solchen Überlegung ganz vorne zu landen. Daher war es unbestritten eine gute Idee von Regisseur Carsten Strauch, Herbst für eine Nebenrolle als teuflischer Professor Radwanski in seiner Arztkomödie „Die Aufschneider“, in der sich alles um den Konkurrenzkampf zweier Krankenhäuser dreht, zu engagieren. Mit Nina Kronjäger (Elementarteilchen) und Burghart Klaußner (Die fetten Jahre sind vorbei) sind auch noch andere erfahrene Schauspielveteranen dabei. Ansonsten gibt es über „Die Aufschneider“, den man auch „Ärze unterm Mikrofon“ hätte nennen können, denn ein solches spielt – unfreiwillig - eine prominente Rolle und ist öfter mal deutlich im Bild zu sehen, allerdings wenig Positives zu berichten. Zu lachen gibt es kaum etwas, stattdessen regiert gähnende Langeweile das Geschehen.
Der ein wenig schüchterne Dr. Steffen Wesemann (Carsten Strauch) und der Draufgänger Dr. Klaus Kunze (Rainer Ewerrien) sind die besten Freunde. Sie verstehen sich blind, wohnen zusammen und arbeiten im selben Krankenhaus, der Eichwald-Klinik. Eigentlich wollten die beiden bald in den gemeinsamen Urlaub aufbrechen, doch die örtlichen Behörden melden sich mit einer Hiobsbotschaft zu Wort. Aus Kostengründen wird entweder die Eichwald-Klinik oder das benachbarte St. Georg-Hospital geschlossen werden. Dort herrscht der größenwahnsinnige Professor Reinhold Radwanski (Christoph Maria Herbst), der gerne seine monströsen, strahlend weißen Zähne zeigt und mittlerweile mit Kunzes Ex-Freundin Dr. Christiane Tietz (Nina Kronjäger) liiert ist. Doch von seinem Beruf versteht dieser eine Menge, sein Haus besticht durch die allerneueste Technik, wovon die rückständige Konkurrenz nur träumen kann. Folglich sieht Eichwald-Chef Professor Udo Keller (Burghart Klaußner) nur eine Chance. Er engagiert den durchgeknallten Ex-Animateur Werner Vierkötter (Josef Ostendorf), der sich voller Tatendrang an die Arbeit macht. Wesemann, Kunze, die herzensgute OP-Schwester (Cosma Shive Hagen) und alle anderen Mitarbeiter sind in Anbetracht der Hula tanzenden Krankenschwestern fassungslos, die neuen Maßnahmen scheinen doch etwas zu weit hergeholt. Indes verlangt der trinkfreudige Chef der Entscheidungskommission, Hartmuth Probst (Bernd Stegemann), für eine positive Entscheidung von Radwanski eine neue Leber…
Am 30. März 2006 trat Christoph Maria Herbst in Stefan Raabs „TV Total“ auf und führte seine gigantischen Plastikzähne vor. Wie er Raab dabei an dessen eigene künstliche Beißerchen erinnerte, ohne dabei beleidigend zu wirken, und sein Requisit ständig der Kamera präsentierte, war ein kleines Highlight. Als skrupelloser Herrgott in Weiß gibt er sich auch in „Die Aufschneider“ alle Mühe, aber über eine simple Stromberg-Variation im Arztkittel kommt er – trotz des gigantischen Gebisses - schließlich nicht hinaus. Dies liegt zum einen an der eher knapp bemessenen Dauer seines Auftritts, zum anderen aber auch an dem komplett lieblos zusammengeschusterten Drehbuch, das vor allem an seiner akuten Einfallslosigkeit krankt. Gleich zu Beginn kommt ein vermeintlicher „Gag“, der symptomatisch für das Ganze steht. Ein Arzt verliert bei einer Operation seine Kontaktlinse in der offenen Wunde, so dass anschließend ein bisschen darin herumgepult werden muss. An anderer Stelle landet eine Spenderleber durch eine Verkettung unglücklicher Umstände in der Pfanne und wird anschließend genüsslich verzehrt.
So weit, so schlecht, aber die ungelenke Regie vermurkst es dann endgültig. Eine Komödie muss nicht unbedingt den allerhöchsten formalen Ansprüchen genügen, denn das Augenmerk liegt an völlig anderer Stelle. Falls die optische und akustische Gestaltung solide geraten sind, genügt das völlig. Was zählt, sind Komik und Timing, nicht irgendeine besonders elaborierte Kamerafahrt oder vergleichbare Kabinettstücke. Doch hier holt Filmemacher Strauch zum Doppelschlag aus. Ihm gelingen fast durchgängig nur erbärmliche Bilder von enormer Langweiligkeit, die zudem von einer beinahe lethargischen Montage verbunden werden. Gegen Ende häufen sich die Schwarzblenden, was das Tempo noch zusätzlich verlangsamt. Dieses Stilmittel eignet sich im Allgemeinen nicht für humoristische Filme, dient es doch eher zur Veranschaulichung des Verstreichens langer Zeiträume (Francis Ford Coppola) oder dazu, sich komplexen Bewusstseinszuständen anzunähern (Kristof Kieslowski).
Hinzu kommt ein schwaches Protagonisten-Duo, das kaum Sympathien für sich sammeln kann. Als Dr. Wesemann agiert Regisseur, Autor und Hauptdarsteller Strauch so uncharismatisch, dass seine Auftritte irgendwann einfach nur noch nerven. Co-Autor Rainer Ewerrien schneidet leider auch nicht viel besser ab, seine wilden Grimassen wirken einfach zu unkontrolliert. Als Reiner-Calmund-Parodie darf sich Josef Ostendorf (Eden) versuchen, hat damit aber auch nur wenig Erfolg, weil der Witz allein aus der Ähnlichkeit zu dem Ex-Leverkusen-Manager entstehen soll, zusätzliche Gags wurden bei dieser Figur komplett ausgespart. Bedauerlich ist es, dass sich Cosma Shiva Hagen nach ihrem Auftritt als Schneewittchen in Ottos Zwerge-Filmen erneut für eine eindimensionale Rolle als liebes Naivchen verheizen lässt. Weitaus überzeugender sind da schon die eingangs erwähnten Mikrofone, die immerhin ein bisschen unfreiwilligen Humor ins Spiel bringen.
Im Vorspann ist übrigens zu lesen, dass insgesamt acht (!) Filmförderungen an der Produktion beteiligt waren. Da müssen sich die jeweiligen Verantwortlichen schon die Frage gefallen lassen, ob das Geld nicht wesentlich besser hätte investiert werden können. Es gibt schließlich genug unentdeckte Filmemacher, die in der Lage wären, mit Kreativität und viel Herzblut qualitativ ansprechendere Werke zu schaffen - wenn man sie nur ließe. Es gibt durchaus häufiger mal missglückte Filme, die gerade aufgrund ihrer bescheidenen Qualität einen ganz eigenen Charme entwickeln, doch „Die Aufschneider“ ist eine durchgängig spaßfreie Tortur - daran kann auch ein routinierter Christoph Maria Herbst nichts mehr ändern. Am Ende bleibt nur das altbekannte Klischee, um alles auf einen Nenner zu bringen: Deutsches Kino auf Valium…