In David Gordon Greens und Judd Apatows mit reichlich Action durchsetzter Kiffer-Komödie „Ananas Express“ wird die wundersame Wirkung des titelgebenden Grases mit poetischer Finesse umschrieben. Das Zeug sei so einmalig und erhaben, dass es fast einem Verbrechen gleichkäme, es zu rauchen. In den Worten des sanftmütigen Dealers Saul entspricht dies dem „Töten eines Einhorns“. Das Profane und das Sublime, das Derbe und das Sensible gehen in diesem Film eine unwahrscheinliche Allianz ein. Die Paarung des nur einem kleinen Publikum bekannten Regisseurs Green, dessen Spezialität bisher persönliche Dramen im Independent-Stil wie „George Washington“ und „All The Real Girls“ waren, mit dem Produzenten-Tausendsassa Apatow (Jungfrau (40), männlich, sucht…, Superbad, Beim ersten Mal, Die Stiefbrüder), der in seinen Filmen eine Neigung zur Fäkalsprache auslebt und auf vielfältige Weise die Grenzen des guten Geschmacks strapaziert, erweist sich als Glücksgriff. Apatows Erfolgsrezept schien sich zuletzt in Filmen wie Nie wieder Sex mit der Ex und vor allem Ein Mann für alle Unfälle ein wenig abzunutzen, die Formelhaftigkeit des oft Gesehenen wird in „Ananas Express“ aber durch eine vor allem Greens Stilbewusstsein und Feingefühl zu verdankenden Infusion des Unerwarteten überwunden.
Dale (Seth Rogen, Beim ersten Mal, Superbad) ist ein ständig bekiffter Zusteller von Vorladungen und Klageschriften, dem Plan und Perspektive fehlen. Selbst das Verhältnis zu seinem Dealer Saul (James Franco, Spider-Man-Trilogie, Tristan und Isolde, Flyboys) ist irgendwie inniger als das zu seiner viel zu jungen Freundin Angie (Amber Heard, All The Boys Love Mandy Lane, The Fighters). Als Dale beobachtet, wie der Drogenboss Ted Jones (Gary Cole, Enttarnt, The Ring 2) unter Mithilfe der korrupten Polizistin Carol (Rosie Perez, „Fearless“, „Do The Right Thing“) einen asiatischen Konkurrenten umbringt, hinterlässt der unfreiwillige Zeuge in Panik einen Joint der exklusiven Mischung „Ananas Express“ am Ort des Geschehens. Bald haben Jones‘ Handlanger über den Mittelsmann Red (Danny R. Mc Bride, Tropic Thunder, Nach 7 Tagen - Ausgeflittert) die Verbindung zu Saul und Dale hergestellt und eröffnen die Jagd auf die beiden Kiffkumpane...
Die Jugendfreunde Seth Rogen und Evan Goldberg haben bereits das Skript zu Superbad gemeinsam verfasst, einem der größten Erfolge aus der Apatow-Produktionsschmiede. Auch in ihrem neuen Opus stehen die Themen von Kameradschaft und Freundschaft zwischen Männern im Zentrum. Die sich im Laufe des Films vertiefende Beziehung zwischen Dale und Saul, die stellenweise fast die Züge einer Romanze annimmt, der Wandel Reds und die eine höhere Form des Einverständnisses zelebrierende, wundersame Schlussszene - all dies bleibt auch, wenn der Rausch des „Ananas Express“ verflogen ist. Das unterscheidet Greens Film von den berühmten „Cheech und Chong“-Vehikeln, die wahrscheinlich tatsächlich am besten wirken, wenn die Zuschauer sich in einem ähnlichen Bewusstseinszustand befinden wie die Akteure auf der Leinwand. Aber auch Green und sein Team schlagen komische Funken aus dem gelegentlich aufblitzenden speziellen Genie der Angeregten sowie aus der Einsilbigkeit der Bedösten und Benebelten, selbst ihre verzögerte Wahrnehmung wird im Erzählrhythmus des Films aufgegriffen. Wenn in „Anananas Express“ in einem Moment der Selbsterkenntnis die Rede davon ist, dass Saul und Dale nichts geregelt kriegen, weil sie bekifft sind, dann ist das glücklicherweise schon der deutlichste Versuch der Filmemacher eine politisch korrekte Distanzierung vom Marihuanarauchen einzubauen.
Ein weitaus wichtigerer Referenzpunkt für „Ananas Express“ als die klassischen Kifferfilme findet sich in den Buddy-Action-Filmen der Achtziger wie der Lethal Weapon-Reihe oder Midnight Run. Abgesehen von den schon in den Vorbildern mehr oder weniger stark vorhandenen homoerotischen Untertönen nutzt David Gordon Green die mit seinem Ausflug in den Mainstream verbundenen Möglichkeiten zu einigen denkwürdigen Actionsequenzen. Prunkstück ist eine irrwitzige Autoverfolgungsjagd, bei der ein Bein in der Windschutzscheibe eine wesentliche Rolle spielt. Gemeinsam mit seinem Stamm-Kameramann Tim Orr (Imaginary Heroes) und Cutter Craig Alpert schafft Green überzeugende Choreographien, bei denen weniger das Tempo als die Übersichtlichkeit entscheidend ist. Auf verblüffende Weise werden selbst die ausgedehnten gewalttätigen Auseinandersetzungen zum Teil der Charakterzeichnung, schließlich ist es nicht leicht, jemanden außer Gefecht zu setzen, schon gar nicht im bekifften Zustand. Darüber hinaus ist die Willkür, mit der eigentlich schwerwiegende oder gar tödliche Verletzungen hier gelegentlich nach Cartoon-Manier umgedeutet werden, ein passendes Mittel, um die Brutalität als Genrekonvention kenntlich zu machen. In diesem Sinne gelingt eine epische Rauferei in Reds Wohnung deutlich besser als der finale, nicht enden wollende Schusswechsel.
Greens Gespür für gestalterische Feinheiten zeigt sich auch in einer Sequenz, in der die beiden Flüchtigen im Wald stranden. Die lyrische Qualität von Orrs Naturbildern erinnert an Greens erklärtes Vorbild Terrence Malick („In der Glut des Südens“, Der schmale Grat, The New World). Aber über die Hommage hinaus wird bezwingend Stimmung erzeugt, in der Dales misslingender Versuch, sein Handy zu zerstören, wie ein Moment des absurden Theaters erscheint. Bei aller Finesse ist aber natürlich ausreichend Platz für Albernheiten und Boshaftigkeiten, es sei nur auf Dales Drogengeschäfte auf einem Schulhof und auf die Darstellung des Veteranen Ed Begley Jr. als Angies Vater hingewiesen, diese mit hinreißender Inbrunst dargebotene Miniatur eines schießwütigen Eiferers.
Eine denkwürdige Frauenrolle hat „Ananas Express“ nicht zu bieten, wie fast alle Filme aus Apatows Wirkungskreis kreist auch dieses Werk um männliche Figuren und Gedanken. Die Darstellung James Francos, dem Danny R. Mc Bride kaum nachsteht, fügt der Erkundung von Maskulinität und Emotion aber dafür ganz neue Facetten hinzu. Franco transzendiert das Kifferklischee mit einer Meisterleistung des Komischen, die in Ernsthaftigkeit fußt. Selbst aus Monologen voller irrwitzigen Nonsens steckt Begeisterungsfähigkeit und Mitgefühl. Die äußere Ähnlichkeit mit James Dean, den Franco in einem TV-Film sogar schon gespielt hat, wirft die interessante Frage auf, ob das früh verstorbene Idol der Fünfziger nicht auch ein grandioser Komödienschauspieler gewesen wäre.
„Ananas Express“ bringt eine willkommene neue Note in das Universum von Judd Apatow ein. Nach dem konsequenten, aber ein wenig verbissenen Die Stiefbrüder und dem nicht auf der Höhe der Möglichkeiten gelungenen Leg dich nicht mit Zohan an, den Apatow mitschrieb, ist der Ausflug ins Fach der Action-Komödie fast auf der ganzen Linie geglückt. Das ist vor allem auf die originelle Wahl des Regisseurs David Gordon Green zurückzuführen. Er bringt eine besondere Sensibilität ein und befreit sich zugleich von der etwas eingefahrenen Selbstbezogenheit seiner intimen, unabhängigen Filme. Besonderes Geschick zeigt Green bei der Inszenierung der Actionsequenzen, ein schlagender Beweis dafür, dass sich ein kalkuliertes Risiko allemal lohnen kann.