Vergangenes Jahr hat der für seine Exploitation-Offensive berühmt-berüchtigte Filmverleih Lionsgate (Saw, See No Evil) das After Dark Horrorfest ins Leben gerufen. Im Rahmen dieses Festivals sollen jedes Jahr acht Horrorfilme, die zu blutig oder verstörend für ein normales Kino-Release wären, gezeigt werden. In etwa 500 Kinos quer durch die USA liefen die Filme Ende 2006 für ein Wochenende. Auf dem FantasyFilmFest 2007 sind nun vier der acht Low-Budget-Produktionen auch in deutschen Kinos zu sehen. Neben Jason Todd Ipsons Geistergeschichte „Unrest“ werden auch Mike Mendez´ The Gravedancers, Nacho Cerdás The Abandoned und The Hamiltons von den Butcher Brothers in diesem Rahmen gezeigt. Schon nach dem Sehen von „Unrest“ ist jedoch eines klar, in Anbetracht der landesweiten US-Starts von Saw 3 und Hostel 2 ist die Aussage „zu blutig oder verstörend“ ausgemachter Unsinn: „Unrest“ hat sicherlich die eine oder andere recht eklige Szene, gerade weil in diesem Film echte Leichenteile (!) verwendet wurden, aber an die Härte der gerade genannten Filme reicht er bei weitem nicht heran. Vielmehr nutzt Lionsgate das Horrorfest offensichtlich als wirksames Werbemittel für die DVD-Veröffentlichung der Filme. Aber natürlich sagt dieser Mogelpackung-Vorwurf trotzdem noch nichts über die Qualität der Filme selbst aus. „Unrest“ zumindest würde als Kinofilm mit einem so la la davonkommen, als Direct-To-DVD-Horror sollte er hingegen sogar leicht über dem Durchschnitt liegen.
Es ist mal wieder Zeit für den Kurs von Dr. Walter Blackwell (Derrick O´Connor). Ein Haufen junger Ärzte will von ihm eine Einführung in die wunderbare Welt der Anatomie erhalten. Gleich in der ersten Stunde bekommen die Studenten ihre Kadaver vorgesetzt, in Vierergruppen sollen sie den Leichnam vor sich auf dem Tisch obduzieren. Alison Blanchard (Corri English), eine der Studentinnen, bekommt der morbide Einblick überhaupt gar nicht, sie übergibt sich nicht nur, sie klappt auch auf der Stelle zusammen. Aber war es wirklich nur der Anblick der entstellten toten Frau, der Alison so dermaßen verstört hat, oder steckt doch mehr dahinter? Ein paar Tage später verblutet die Verlobte eines Mitstudenten nur kurze Zeit, nachdem sie Alisons Kadaver angefasst hat. Doch dieser Vorfall wird vom Krankenhaus schnell als Unfall abgetan. Erst als auch noch die Leichname zweier Leichenwäscher auftauchen, ist endgültig klar, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Um weitere Todesfälle zu verhindern, erforscht Alison die Vorgeschichte ihrer Leiche, um deren erzürnten Geist irgendwie zu besänftigen...
Regiedebütant Jason Todd Ipson, der sich neben Chris Billett auch gleich noch als Drehbuchautor mitverantwortlich zeichnet, macht es sich mit dem visuellen Konzept seiner Gruselstory eigentlich unnötig schwer. Er paart die sterilen klinischen Gänge und Hallen des Krankenhauses, in dem „Unrest“ beinahe durchgängig spielt, mit unterkühlt-grauen Bildern – das Ergebnis ist so beinahe zwangsläufig ein kalter Film. Dennoch kann Ipson das Spannungsniveau fast durchgängig auf einem ordentlichen Maß halten. Dies schafft er vor allem dank einer guten Handvoll wirkungsvoller Spannunsszenen, die den Film durchziehen. Zunächst zeigen diese nur Alison, wie sie durch die weiten Gänge der Klinik streunt, während allein die Tonspur ein nahendes Unheil ankündigt – hier sind die Sequenzen noch nicht mehr als vernünftig inszenierte Genreversatzstücke. Doch spätestens mit dem unfreiwilligen Schwimmgang im eiskalten Leichenbad stellt sich dann schließlich doch noch der eine oder andere wohlige Schauer ein. Ein Punkt, an dem sich die Meinungen wohl spalten werden, ist die Darstellung der Obduktionen. Wo die einen schon nach dem schlürfenden Geräusch beim Herausnehmen des Brustkorbes genug haben dürften, hätten sich andere wohl eine noch wesentlich explizitere Gangart gewünscht.
Wo Ipson auf Regieseite zwar den schweren Weg wählt, inszenatorisch schlussendlich aber doch eine solide Arbeit abliefert, fällt ihm sein Drehbuch hingegen in der zweiten Hälfte des Films ziemlich auseinander. Solange sich die Geistergeschichte genau wie die Inszenierung auf das Krankenhaus beschränkt, ist alles in Ordnung – zwar wird hier nichts wirklich Neues erzählt, aber spannungstechnisch haut dieses Kleinhalten durchaus hin. Sobald sich die Story dann aber in Richtung Südamerika ausbreitet, eine schizophräne Serienmörderin und eine okkulte Massenbeschwörung mit ins Spiel kommen, bricht die Dramaturgie schließlich weitestgehend zusammen. Von hier an funktionieren nur noch die einzelnen Szenen, aber kaum noch die Geschichte als Ganzes. Ähnlich verhält es sich mit den Dialogen. Während diese zunächst noch mit morbidem Humor punkten, etwa wenn die Leichenwäscher sich über ihre erstarrte weibliche Kundschaft auslassen – von „nice tits!“ bis zu „some ugly pussy!" reichen die perfiden Bewertungen des Duos. Später sind den Autoren dann aber kaum noch gute Sprüche eingefallen - spätestens wenn Alison zum zehnten Mal erzählt, dass mit ihrem Kadaver irgendetwas nicht stimmt, fangen sie gar an, ein wenig zu nerven.
Fazit: Jason Todd Ipson erweist sich als weitaus besserer Regisseur denn Drehbuchautor. Dadurch kann er zumindest einige der Schwächen des Skripts durch eine ansprechende, wenn auch manchmal etwas unterkühlte Inszenierung wieder wett machen. So landet „Unrest“ schließlich doch noch knapp über dem qualitativen Durchschnitt vergleichbarer Low-Budget-Horrorproduktionen.