Mein Konto
    Der Rote Kakadu
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Der Rote Kakadu
    Von Deike Stagge

    Der deutsche Film startet auf der Berlinale durch. Noch nie waren so viele Projekte mit dem Label „Made in Germany“ dort vertreten. Zwar nicht im Wettbewerb, aber unter großem Medieninteresse läuft auch „Der Rote Kakadu“, der sich mit ostdeutscher Geschichte kurz vor dem Mauerbau befasst.

    Siggi (Max Riemelt) lebt bei seiner Tante Hedy (Ingeborg Westphal), die Schauspielerin am Theater in Dresden ist. Sie hat Siggi dort eine Stelle als Assistent des Bühnenbildners besorgt, denn Siggi möchte Kulissenmaler werden. Dazu benötigt er aber das Wohlwollen wichtiger Funktionäre der Partei, da er sonst zum Studium nicht zugelassen wird. Als Siggi zum Zeichnen in den Park geht, sieht er, wie eine Gruppe von Rock’n’roll Tänzern von der Polizei verprügelt wird. Er hilft der attraktiven Luise (Jessica Schwarz), zu der er sich sofort hingezogen fühlt. Pech für Siggi, dass ihr Mann Wolle (Ronald Zehrfeld) ebenfalls auftaucht. Der schüchterne Kulissenmaler vereinbart mit dem Paar ein Treffen im Roten Kakadu, einem berühmten Dresdner Tanzlokal, in dem auch nicht systemkonforme Musik läuft. Siggi kommt gar nicht erst rein, passt aber Luise auf dem Heimweg ab. Sie erzählt ihm, dass sie Schriftstellerin werden will, aber ihr der Zugang zur Arbeitsgemeinschaft junger Autoren verweigert wird, da ihre Gedichte als dekadent gelten.

    Mit neuer Kleidung gelingt Siggi es beim nächsten Besuch, die Türsteher des Kakadu zu überzeugen. Er freundet sich doch noch mit dem lebenslustigen Wolle an, der es zwar mit Treue nicht so genau nimmt, aber ein echter Kumpel sein kann. Als Siggi Luise offene Avancen macht und Wolle von der Stasi verhaftet wird, kommt die Rivalität der beiden offen zum Tragen. Siggi denkt auch über eine Flucht in den Westen nach, als die Behörden ihm wegen seiner Abendgestaltung fürs Studium Steine in den Weg legen und die Kakadu-Tänzer offen als Staatsfeinde angreifen. In den Tagen direkt vor dem Mauerbau muss Siggi eine harte Entscheidung fällen: Flucht nach drüben oder Kampf vor Ort gegen die unfaire Behandlung. Luise wird für ihn zu einem wichtigen Entscheidungsmoment.

    Mit „Der Rote Kakadu“ greift die deutsche X Filme Produktion nach Good Bye, Lenin! ein weiteres interessantes Stück DDR-Geschichte auf und begegnet der Zeit des Mauerbaus aus den Augen junger Idealisten und Rebellen. Bezeichnend für die Uneinigkeit und das Hin-und-Her-Gerissen-Sein der Figuren sind die vielen Gespräche zwischen Luise und Siggi. Während er den Repressalien bei der Berufswahl durch „Rübermachen in den Westen“ entkommen will, denkt Luise als überzeugte Sozialistin zunächst keine Sekunde über diese Option nach. Sie will das System verändern und gemeinsam eine Lösung zu einem besseren Miteinander finden. Neben dieser Diskussion von einer für die Protagonisten noch nicht einzuschätzenden Tragweite spielt die Dreiecksgeschichte zwischen Luise, Wolle und Siggi eine gewichtige Rolle. Dieser Konflikt ist zeitlos und ergänzt die Auseinandersetzung mit dem Mauerbau um ein Stück Dramatik. Siggi lässt sich in seinen Entscheidungen stets von der Sorge um Luise beeinflussen und auch Wolle baut seine Welt komplett um die junge Dichterin auf. Dass die drei Charaktere so grundverschieden sind, macht in diesem Zusammenhang den besonderen Reiz für die Handlung aus.

    Bei der Machart von „Der Rote Kakadu“ überzeugt vor allem die Liebe zum Detail in der Ausstattung des Films. Die authentischen Fahrzeuge und die vielen, aus dem Theaterfundus stammenden Komparsenkostüme verleihen dem Film eine realistische und stimmige Atmosphäre. Regisseur Dominik Graf, der zuvor viele TV-Produktionen wie Polizeiruf 110 und den Film „Der Felsen“ inszenierte, zeigt besonders die Melancholie vor dem August 1961 und legte Wert auf den Dreh an Originalschauplätzen in Dresden, statt sich auf die einfache Drehsituation im Studio zu verlassen. Fast vier Wochen belagerte das Team mit seinen unzähligen Komparsen die Umgebung einer Kneipe in Dresden. Auf diese authentische Drehsituation bauen auch die Hauptdarsteller. Max Riemelt (Napola, "Mädchen, Maedchen") liefert einen soliden Auftritt, ohne allerdings groß zu glänzen. Dagegen merkt man den Eifer, ihre Figuren in Szene zu setzen, Jessica Schwarz („Verschwende Deine Jugend“, Kammerflimmern) und dem Leinwandneuling Ronald Zehrfeld, dem sein Mangel an Kameraerfahrung nicht anzumerken ist, deutlich an - allerdings sind ihre Figuren auch wesentlich facettenreicher als die des etwas langweiligen und berechenbaren Siggi und bieten mehr Raum für schauspielerische Entfaltung.

    Aber so herrlich unterhaltend wie Good Bye, Lenin! ist dieser Film leider nicht. Zwar wird eine humorvolle Nebenhandlung über Siggis Tante eingeführt, welche aber den ernsten Ton, den die Mauerbau-Thematik anschlägt, eher untergräbt als ergänzt. Das Drehbuch macht zu viele Themen von Flucht, Systemkritik, Familie, Dreiecksbeziehung, Verrat und Intrigen auf, die dann nicht mehr alle abgearbeitet werden können. Durch die Eröffnung so vieler narrativer Baustellen und Konflikten wirkt „Der Rote Kakadu“ etwas überladen und büßt einen Teil seiner Wirkungskraft beim Publikum ein. Die Dreiecksgeschichte ist nach kurzer Zeit ebenfalls durchschaubar und bringt keine neue Energie in das Geschehen.

    Als detailverliebte, schön inszenierte deutsche Produktion kann „Der Rote Kakadu“ sicherlich punkten, um ein ganz großer Publikumsliebling zu werden, fehlt ihm allerdings wohl der letzte Pfiff an Abstimmung im Drehbuch. Trotzdem wird er nicht nur den Ostalgikern gefallen, sondern beim gesamten deutschen Publikum einen guten Eindruck hinterlassen.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top