Zugegeben: Der Film hat hohe Erwartungen geweckt. Nachdem ich in mehreren Fernsehsendungen von der Entdeckung Hannah Herzsprung und der brilliant agierenden Schauspielerin Monica Bleibtreu gehört hatte, wollte ich den Film sehen. Ein vorweg gesehener, gut gemachter Filmtrailer machte den Streifen zusätzlich schmackhaft. Den muss ich sehen, dachte ich, denn gerade als filmbegeisterter Deutscher hat man ja auch die Pflicht sich anzuschauen, was in heimischen Landen so produziert wird. Als es dann auch noch Preise für diesen Film regnete, war ich schon beinahe rollig, wenn ich an das mir bevorstehende Kinovergnügen dachte.
Vielleicht rührt meine Enttäuschung zum Teil auch daher. Ich möchte eine eher nebensächliche Szene herausgreifen, in der Hoffnung, dass daran die ganze Problematik des Films deutlich wird: Der von Richy Müller gespielte Gefängniswärter und die von Nadja Uhl verkörperte Gefängnispsychologin? haben insgesamt drei gemeinsame Szenen. Die erste Szene ist ein Meeting, in dem besprochen wird, wie nun mit der aufsässigen Jenny (Hannah Herzsprung) zu verfahren sei. Dabei wird dem Zuschauer durch prägnante Sätze die Information mitgeteilt, dass der Gefängniswärter und die Psychologin ein getrenntes Ehepaar sind. So weit, so gut. Außerdem wird schnell klar, dass sie beide nicht der gleichen Meinung sind, wenn es um Jenny geht. Ein Konflikt wird also angedeutet. Doch dann folgt nur eine Szene mit quasi demselben Inhalt. Ein Meeting in dem die unüberbrückbaren Gegensätze der beiden noch mal zum Vorschein kommen. Dann, in der dritten gemeinsamen Szene, küssen sich die beiden ganz innig und fallen übereinander her.
Es stellen sich mir nun Fragen, die ich auch in bezug auf viele andere Szenen des Films hatte: Warum wird keine Entwicklung gezeigt und welche Bedeutung hatte diese Szene für den Film? Der Zuschauer muss nun selbst überlegen, wie die Versöhnung der beiden vonstatten gegangen ist, und er muss selbst überlegen, welches Motiv der Regisseur hatte, diese Szene zu zeigen. Die Antwort wird schnell deutlich: Keines.
Und dies gilt leider auch für die Beziehung zwischen Jenny und Traude Krüger (Monica Bleibtreu). Denn es wird nicht gezeigt, warum ausgerechnet Traude Krüger Jenny zur Konzertpianistin machen kann. Gezeigt werden ein paar Szenen, die nicht ins Detail gehen: Jenny und Frau Krüger bei der ersten Probe, Jenny und Frau Krüger lachen gemeinsam nach einer Probe (aha, denkt man als Zuschauer, Annäherung der beiden Protagonisten), Jenny und Frau Krüger fahren zu den Wettbewerben. Im Grunde aber hatte man den Eindruck, Jenny brauche gar nicht zu üben, denn sie kann ja schon Klavier spielen. Es findet diesbezüglich keine Entwicklung statt, und wenn doch, so macht der Film sie nicht deutlich.
Ein weiteres Manko sind die zahlreichen Nebenschauplätze: Frau Krüger im Zweiten Weltkrieg, Jenny und die Beziehung zu ihrem Vater, die Geschichte mit dem verprügelten Gefängniswärter und seiner Tochter, die bereits erwähnte Geschichte mit Richy Müller und Nadja Uhl, dann noch Jennys Konflikt mit den anderen Gefängnisinsassinen (u.a. Jasmin Tabatabai als wenig überzeugende Gangsterin), usw.. Statt sich auf einen Plot zu konzentrieren, wird die Geschichte bis zur Unkenntlichkeit mit aufeinander folgenden Szenen verwässert, offensichtlich, weil der Regisseur nicht wusste, wie er die Beziehung zwischen Jenny und Frau Krüger noch intensiver, eindringlicher darstellen könne.
Was wir sehen ist dies: Eine Hannah Herzsprung, die mal relativ ruhig ist, und dann wieder rumkrakeelt, eine Monica Bleibtreu, deren Alter und Gebrechlichkeit aufgesetzt wirken, eine Abfolge von Filmsequenzen, die keine innere Dynamik entwickeln und auch nicht einander bedingen, wie dies in guten Filmen der Fall ist.
Abschließend bleibt zu sagen, dass dieser Film ein interessantes Thema gewählt hat, namentlich die Verbindung zwischen Kunst und Gewalt, dass der Film aber leider in seiner cinematographischen Kraft weit hinter dem mit ähnlicher Thematik ausgestatteten Film DER WILDE SCHLAG MEINES HERZENS (De battre mon coeur s’est arrêté, Jacques Audiard) zurückbleibt. Vielleicht ist der deutsche Film tatsächlich so spießig, dass solche bescheidenen Filme wie dieser plötzlich hochgelobt werden, aus einer verqueren Selbstverliebtheit heraus, nicht aber aus Objektivität.