In der Regel sollte man sich Literaturverfilmungen stets vor dem Lesen der dazugehörigen Romane ansehen: Bei guten Büchern läuft man so keine Gefahr, sich das positive Leseerlebnis später durch die schwächere Verfilmung wieder kaputt zu machen. Und bei schlechten Büchern kann man so der Lektüre von vorneherein ganz aus dem Wege gehen. Maurus vom Scheidts romantisches Drama „Wie Licht schmeckt“, eine Verfilmung des gleichnamigen Jugendromans von Friedrich Ani, ist eine Ausnahme von dieser Regel. Der Film springt so subtil von einer bedeutungsvoll-prägnanten Szene zur nächsten, dass der unbelesene Zuschauer nahezu ohne jede nachvollziehbare Entwicklung auskommen muss. So bleibt die durchaus sympathische Kinofassung von „Wie Licht schmeckt“ insgesamt zu sehr Schulbuch, das sich im Unterricht in aller Ausführlichkeit interpretieren ließe, und zu wenig Film, den man auch einfach nur durch das Gucken genießen könnte.
Egal ob Schule, Eltern oder Freunde – Lukas (Leo Zirner) ist von so ziemlich allem in seinem Leben genervt. Deshalb schenkt er sich zu seinem 14. Geburtstag drei freie Streuner-Tage in München, um zur Abwechslung mal etwas Abenteuerliches, etwas Intensives zu erleben. Gleich bei seiner Ankunft rennt er die blinde, einige Jahre ältere Sonja (Anya Deubel) über den Haufen. Weil er den Mund eigentlich nie so recht aufbekommt, will auch das mit der Entschuldigung nicht so recht klappen. Aber man trifft sich ja bekanntermaßen immer zwei Mal im Leben und beim zweiten Versuch springt für Lukas sogar eine Einladung ins Freibad heraus. Als er sein Schwimmtalent im Wellenbad überschätzt, rettet Sonja ihn vor dem Ertrinken. Von nun an verbindet die beiden ein starkes Band, aus dem schon bald mehr als Freundschaft wird – durch Sonja lernt Lukas nicht nur seine eigenen Gefühle, sondern das Leben überhaupt erst richtig kennen. Aber der Altersunterschied macht eine echte Beziehung eigentlich unmöglich…
Was an „Wie Licht schmeckt“ am besten funktioniert, ist die ausgesprochen gelungene Inszenierung. Dass es zwischendurch schon ein wenig nervt, wenn Regisseur vom Scheidt wieder einmal nur von einer Großaufnahme zur nächsten wechselt, ist kurz nach dem Abspann wieder vergessen. Viel länger bleibt hingegen die fast surreale Atmosphäre im Gedächtnis, die durch das geschickte Einfangen des sommerlichen Münchens, das so sonnendurchflutet auch als Rom oder Madrid durchgehen könnte, entsteht. Durch einen merkwürdigen Wechsel zwischen wackeliger Handkamera und leicht ungewöhnlichen Perspektiven gepaart mit einer superhellen Belichtung schwebt der Film irgendwo zwischen der Weltsicht der blinden Sonja und dem Durcheinander, das Lukas beim Erwachsen werden fühlt.
Unzählige Male wurde das Thema Blindheit schon im Kino verhunzt. Entweder versanken die Filme in falschem Mitleid, oder die Blindheit war sowieso nur dazu da, einer eigentlich überflüssigen oder uninteressanten Figur noch eine besondere Note zu verpassen. Die Herangehensweise von „Wie Licht schmeckt“ ist hingegen angenehm intelligent. Statt mit übertriebenem Kitsch wartet er neben den großen Gefühlen auch mit einer ehrlichen Portion Pragmatismus auf. Leider schießt er damit aber auch hier und da weit über das Ziel hinaus, wodurch dann jede Emotionalität im Keim erstickt wird. Hier scheint der Film ein ums andere Mal zu vergessen, dass er nicht nur eine Massage transportieren, sondern auch eine Coming-of-Age- und Liebesgeschichte erzählen will.
Als unmögliches Liebespaar hat sich vom Scheidt mit Leo Zirner und Anya Deubel ein ungemein sympathisches Darsteller-Duo geangelt. Leider haben beide ein zu großes Problem mit der Anlage ihrer Rolle, als dass sie dieses mächtige Plus voll ausspielen könnten. So legt der Film bei der Rolle des Lukas einfach zuviel Wert auf dessen Naivität, die auch für einen unbedarften 14-Jährigen viel zu weit geht. Zum einen verhindert dies, dass der Zuschauer die Figur – zumindest in der ersten Hälfte – wirklich mag, und zum anderen raubt es der Beziehung zu Sonja in einem nicht unerheblichen Maße die Glaubwürdigkeit. Sonja auf der anderen Seite springt zu unbegründet zwischen Liebe und Schlussmachen hin und her – zwar zeigt der Film immer wieder, warum Sonja dann doch nichts mit Lukas anfangen kann, aber im Endeffekt hat der sich auch vorher nie anders verhalten. Hier muss man sich die Erklärung für den einen oder anderen Twist einfach aus anderen romantischen Komödien, die vom Aufbau her ähnlich gelagert sind, herüberdenken.
Ist es in Sachen Inszenierung durchaus gelungen, von der Romanvorlage hin zu mehr filmischen Elementen wegzukommen, fühlen sich die Dialoge hingegen eher wie geschrieben als wie gesprochen an. Vor allem die hingeschleuderten Oneliner der Nebenfiguren, mit denen sie nur kurz kundtun, wozu die Rollen überhaupt da sind, wirken extrem unnatürlich und knabbern so neben den nicht immer nachvollziehbaren Handlungen noch weiter an der Glaubwürdigkeit der Charaktere. Auf der anderen Seite wird der geduldige Zuschauer aber auch immer wieder mit kleinen Dialog-Perlen überrascht. Ein gutes Beispiel hierfür ist Lukas´ schlagfertige Reaktion auf Sonjas Backpfeife: „Bist Du Linkshänderin?“„Wie Licht schmeckt“ ist zwar stets sympathisch, meist ehrlich und oft auch sehr komisch – aber scheint auch zu häufig auf den seine Schulklasse begleitenden Deutschlehrer, der mehr Wert auf Hintergründigkeit als glaubhafte Emotionen legt, zugeschnitten.