1969, das Jahr, in dem die Welt sich veränderte! Apollo 11 startet zum Mond, und die neunjährige Caro (Neeltje de Vree) bereitet sich auf ihre Erstkommunion vor. Als scheinbar einzige in der 7-köpfigen holländischen Familie macht sie sich über die großen und kleinen Dinge des Lebens Gedanken. Der Himmel beginnt für sie direkt hinter dem Mond, und so ist es für das pragmatisch denkende Mädchen kaum einsichtig, dass der liebe Gott die Begeisterung der Menschen für den rasanten Fortschritt der Technik teilt und die anvisierte Mondlandung erlauben könnte. Wie alle ihre Probleme löst sie auch dieses am liebsten in der direkten Zwiesprache mit Gott, denn weder von Nachbarn oder Freunden noch von der Familie ist Verständnis zu erwarten.
Einzig ihr Vater (Huub Stapel) scheint mir ihr auf einer Wellenlänge zu liegen, zumindest, wenn er denn nüchtern ist. Der Druck, sich zwischen traditionellem Familienbild mit vielen munteren Kindern und noch mehr Tieren auf dem handwerklich betriebenen Bauernhof und den heraufdräuenden Neuerungen der modernen und technisierten Arbeitswelt zu positionieren, ist zu viel für den gutmütigen Mann. Mit seiner früh erwachsen werdenden Tochter trifft er sich in einem markanten Punkt: der Angst. Während sie panische Angst vor dem Schwimmen hat, kapituliert er vor der Anforderung, Entscheidungen zu treffen und sich der komplexer werdenden Welt zu stellen. Die beiden schließen einen Pakt: Bis zu Caros Erstkommunion überwindet sie ihre Angst vor dem Schwimmen und er widersteht dem Alkohol. Leichter gesagt als getan…
Stijn Coninx ist ein wunderbares Drama über die Schwierigkeit gelungen, sich selbst zu entwickeln. Die Wege von Vater und Tochter laufen oft verschlugen, manches Mal prallen beide aufeinander, und doch haben sie im Prinzip das gleiche Hindernis zu überwinden. Scheint die Welt sich zu Beginn noch in einfache Muster zu fügen, in denen klar ist, wann was zu tun ist, so löst sich diese Ordnung durch gesellschaftliche und persönliche Ereignisse sehr bald auf und taugt nicht mehr für Antworten. In einer pluralistischen Welt helfen einfache Antworten selten weiter. Eine Schlüsselfigur ist die emanzipierte Schwester des Vaters, ebenso unkonventionell in ihrer Kleider- wie in ihrer Männerwahl. Wenn dieser fleischgewordene Zeitgeist auf dem familiären Bauernhof Einzug hält, sind Komik wie Tragik nicht fern. Mit ihrer direkten Art bietet sie Reibungsfläche und Zuflucht zugleich und symbolisiert damit die einzig mögliche Lösung aus dem Dilemma des Erwachsenwerdens: Konflikten muss man sich stellen, offen sein für neue Perspektiven und die Bereitschaft entwickeln, ausgetretene Pfade zu verlassen. Eben seinen geistigen Freischwimmer machen, was Caro wie ihrem Vater ja solche Angst macht. Wie das Schicksal selbst unterscheidet die Tante klar, wem sie sich widmet und wem nicht und personifiziert damit hart aber herzlich eines der Resumées des Films: Man hat nicht unendlich viele Chancen, ein Problem in den Griff zu bekommen: wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.
Wie konsequent das umgesetzt wird, mag für einen Kinder- und Jugendfilm schockierend wirken. Vielleicht ist es aber gerade seine nicht explizit auf Kinder zugeschnittene Art, die ihm auf dem LUCAS Filmfest den Preis für den besten Film einbrachte. Als großer Verdienst ist es dem Film anzurechnen, dass er sein Publikum ernst nimmt, ob alt oder jung. Und dass er es ganz unaufgeregt schafft, Erwachsene und Kinder zum Nachdenken anzuregen und dabei immer unterhaltsam bleibt. Die Eckpunkte der Dramaturgie verkommen bei aller symbolischen Aufgeladenheit niemals zu starren Sinnbildern, sondern schmiegen sich ganz natürlich und unverkrampft in die Handlung. Wie leicht diese Geschichte mit ihren vielen schmerzhaften Elementen erzählt wird und wie treffend auch Themen angestoßen werden, die offenbar nur am Rande eine Rolle spielen, ist ein Genuss. Ganz nah zu sich heran holen uns alle Figuren, allen voran aber die Intensität der Neeltje de Vree. Ein Familienfilm im besten Sinne des Wortes.