Es kommt immer mal wieder vor, dass ein starbesetzter Film, der mitunter auch von einem bekannten Regisseur stammt, es nicht ins Kino schafft und stattdessen direkt für den Heimkinomarkt ausgewertet wird. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Oft ist der betroffene Film einfach misslungen oder er verspricht mangels Zielpublikum keine hohen Besucherzahlen. Erst kürzlich landete mit Renny Harlins Cleaner eine von der Papierform her ansprechende Produktion trotz der bekannten Schauspieler Samuel L. Jackson, Ed Harris und Eva Mendes in den Videotheken. Nun ereilt die Polit-Satire „War Inc.“, ein im Vorfeld ähnlich vielversprechender Film, dasselbe Schicksal. Hier zeichnet zwar kein Regisseur vom Kaliber eines Renny Harlin, sondern der weitgehend unbekannte Newcomer Joshua Seftel verantwortlich. Dafür ist der Cast jedoch ziemlich prominent: John Cusack (Con Air, Zimmer 1408), Marisa Tomei (The Wrestler, Ben Kingsley (Elegy oder die Kunst zu Lieben) und – in einer kleinen Rolle – Dan Aykroyd (Blues Brothers) geben sich die zweifelhafte Ehre. Dass der Film trotz Starbesetzung keinen Kinostart bekommen hat, ist dennoch kein Wunder. Zu unausgegoren ist die Satire, deren überzeugende Idee in einem unmotivierten, viel zu hektischen Mäandern zwischen Klamauk, Action und Zynismus untergeht.
In der nahen Zukunft haben finanzstarke Konzerne die Macht an sich gerissen und bestimmen die weltpolitische Bühne. Der größte unter diesen multinationalen Giganten ist der privatisierte US-Konzern Tamerlane, der sich an kriegerischen Auseinandersetzungen der USA mit dem Rest der Welt bereichert: Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet der ehemalige Vize-Präsident (Dan Aykroyd) den Vorsitz führt. Einer der Handlanger von Tamerlane ist der gefühllose und selbstverliebte Auftragskiller Brand Hauser (John Cusack). Sein neuester Auftrag führt ihn nach „Turaqistan“, wo er den Öl-Scheich Omar Sharif (Lyubomir Neikov) aus dem Weg räumen soll. Als Tarnung übernimmt Hauser die Organisation der medial hoch im Kurs stehenden Vermählung des angesagten Pop-Sternchens Yonica Babyyeah (Hilary Duff) mit dem Neffen des Scheichs. Symbolisch soll diese Ehe dafür stehen, dass die Amerikaner und die Bewohner Turaqistans beim Wiederaufbau des – von den Amis – zerbombten Landes fortan gemeinsame Sache machen wollen. Kompliziert wird die Sache, als Hauser der linksradikalen Journalistin Natalie Hegalhuzen (Marisa Tomei) begegnet. Die sexy Reporterin rüttelt gewaltig an der aalglatten Fassade des abgebrühten Killers - und während draußen die Bomben regnen, geht es in der luxuriösen Tamerlane-Welt drunter und drüber…
Auch wenn die fiktive Nation „Turaqistan“ als Handlungsort gewählt wurde, sind die Anspielungen auf die zeitgenössische Politik der USA doch unverkennbar. Afghanistan, Pakistan und nicht zuletzt der Irak – all diese Staaten klingen in „Turaqistan“ mit an. Selbst die zerbombten Straßenzüge vor der überdimensionierten Tamerlane-Niederlassung erinnern an das Bagdad der Nachrichtenbilder – auch wenn der Film tatsächlich in Sofia gedreht wurde. Letztlich orientiert sich das gesamte Grundmotiv des Films, dass große Konzerne die eigentlichen Nutznießer von Kriegen sind, klar an der Realität. Womöglich wollte Joshua Seftel sich durch den erfundenen Handlungsort und die Verlagerung des Geschehens in die nahe Zukunft vor Anfeindungen schützen, vielleicht war ihm dieses Eisen einfach zu heiß. An der satirischen Sprengkraft des Szenarios rütteln diese Vorsichtsmaßnahmen jedoch keineswegs.
Das Problem des Films ist vielmehr, dass ihm jegliche Homogenität abgeht. „War Inc.“ zersplittert förmlich in verschiedene Genres und versorgt den Zuschauer in regelmäßigen Abständen mit irrelevanten Informationen, etwa über die Vergangenheit des Protagonisten. So bleibt Seftels Film zwar in erster Linie eine politische Satire, wird zeitweise aber zur Klamotte, versucht sich mitunter als Thriller und lässt stellenweise auch dramatische Töne anklingen. Da passt eins einfach nicht zum anderen und am Ende steht der Betrachter vor einem Scherbenhaufen voller guter, mittelmäßiger und schlechter Ideen. Naturgemäß fällt das vor allem am Ende auf, wenn das dramaturgische Schlamassel per deus ex machina notdürftig gekittet wird.
Das ist besonders schade, weil „War Inc.“ durchaus gute Ansätze vorzuweisen hat. Die Darstellung des fatalistischen Auftragskillers gelingt John Cusack bravourös und viele der zynischen Gags wissen zu gefallen, auch wenn das Lachen einem mitunter im Halse stecken bleiben. In den Konzernhallen von Tamerlane wird etwa ein Ballett von Frauen aufgeführt, die allesamt mit Beinprothesen tanzen, weil sie bei Bombardierungen Gliedmaßen verloren haben. Die Firmenleitung freut‘s: Schließlich produziert Tamerlane – neben den abgeworfenen Bomben - auch die Prothesen... Auf der anderen Seite gibt es aber immer wieder Humor aus der untersten Schublade, den man vielleicht in einer High-School-Komödie, aber nicht in einer bitteren Satire erwarten würde: So steckt sich Hilary Duff etwa einen Skorpion in den Schlüpfer, um Hauser sexuell zu stimulieren.
Zum Zerfasern des Films trägt auch das enorm hohe Tempo maßgeblich bei. Nicht nur innerhalb einzelner Szenen geht alles Schlag auf Schlag, auch die Abfolge der Ereignisse überschlägt sich mitunter auf waghalsige Weise. So bleiben Figuren und Konflikte letztlich nur Karikaturen, was an sich nicht allzu tragisch, sondern als Konzept für eine Satire durchaus legitim wäre. Zu einem Schwachpunkt wird dies erst, wenn mit rasant eingeschobenen, unbeholfen servierten Charakterzeichnungen doch noch versucht wird, den Figuren eine nicht vorhandene Tiefe zu verleihen. Und genau das ist bei „War Inc.“ der Fall. Behelfsmäßig wird das chaotische Wirrwarr des Plots mit einer Rahmenhandlung umschlossen, an deren Ende eine unerhörte Wende steht, die dann aber schon niemanden mehr ernsthaft interessiert.
Um es au den Punkt zu bringen: Vergleichbar mit „Cleaner“ wird auch in „War Inc.“ eine gute Idee gegen die Wand gefahren. Daher ist es kein Wunder, dass beide Filme – trotz Staraufgebot – nun auf dem DVD-Markt ihr Glück machen müssen. Im Kino wird man „War Inc.“ jedenfalls nur sehr bedingt vermissen.