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    Sasori - Scorpion
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Sasori - Scorpion
    Von Björn Becher

    Das Exploitationkino der 70er und 80er Jahre erfährt aktuell eine kleine Wiederbelebung. Zahlreiche DVD-Veröffentlichungen bringen Filme, die damals – teilweise sehr erfolgreich – in Nischenkinos gelaufen sind, nun wieder ans Tageslicht. Viel zum Revival der Filmgattung trägt auch Quentin Tarantino bei, der in Interviews immer wieder Filmtipps gibt oder auf seinem eigenen Filmfestival solche Genreproduktionen zeigt. Außerdem hat er die beiden „Kill Bill“-Filme gedreht, die selbst eine große Hommage an den Exploitationfilm darstellen und zahlreiche Werke dieser Ära zitieren. Vor allem seine Bewunderung für Meiko Kaji, der Königin des japanischen Exploitationfilms, ist dabei offensichtlich. Auf dem „Kill Bill“-Soundtrack finden sich gleich zwei Songs von ihr. „The Flower Of Carnage“ aus dem großartigen „Lady Snowblood“, der auch filmisch als eine der Hauptvorlagen diente, und schließlich „Urami Bushi“, der Titel- und Rachesong der Sexploitation-Reihe „Sasori“. Meiko Kaji singt in diesen Filmen jedoch nicht nur die Titelmelodien, sondern spielt auch jeweils die Hauptrolle. In den ersten vier Teilen der insgesamt sechsteiligen „Sasori“-Reihe mimt sie Nami Matsushima, die später nur noch als „Sasori - Skorpion“ bekannt ist.

    In „Sasori 1 – Scorpion“, dem Auftaktfilm der Reihe, wird sie von gerade jenem Mann, den sie über alles liebte, dem korrupten Polizisten Sugimi (Isao Natsuyagi), missbraucht und betrogen. Als sie sich rächen will, steckt man sie ins Gefängnis. Doch sie sinnt weiter auf Rache und versucht zu fliehen, was ihr Leben im Gefängnis nicht gerade einfacher macht. Sie wird in Einzelhaft gesteckt, von den Wärtern misshandelt und von einigen Mitgefangenen drangsaliert. Doch Nami ist stark. Wie ein Skorpion kann sie warten, um dann tödlich zuzustechen. Ihr Verlangen nach Rache ist so groß, dass es Sugimi mit der Angst bekommt. Er beauftragt die Killerin Katagiri (Rie Yokoyama), eine Mitgefangene Sasoris, sich um sein Problem zu kümmern...

    Wenn man die Inszenierung von „Sasori 1 – Scorpion“ betracht, bekommt man ein perfektes Beispiel für die Qualität des japanischen Exploitationkinos geboten. Allgemein hat das Genre einen eher schlechten Ruf. Zum einen, weil die Filme einen sehr reißerischen Inhalt haben, sich hauptsächlich über das Zeigen von Gewalt, viel Blut und Sex verkaufen. Doch zum anderen auch, weil sie oft vorschnell als billige B-Movies eingestuft werden. In diese Schublade passen viele der in den 70er Jahren in Japan entstandenen „Pinky Violence“-Filme allerdings ganz und gar nicht. Stattdessen sind es oftmals Zeugnisse des beeindruckenden Könnens ihrer Regisseure.

    Shunya Ito brennt in „Sasori 1 – Scorpion“ ein wahres Feuerwerk an inszenatorischen Einfällen ab. Er verschiebt im Bild Raum und Zeit, in dem er sich die „Bühne“ drehen lässt. Er spielt immerzu mit verschiedenen Lichteffekten, sowie der Ausleuchtung der Schauplätze und der dramaturgisch perfekten Farbgestaltung. Jedes Bild scheint ein kleines Gemälde zu sein und erreicht dabei fast die Brillanz eines Seijun Suzuki. Man hat dabei auch nie den Eindruck, dass dies nur um der formale Spielerei willen geschieht, sondern es dient stets der Handlung und den gesellschaftskritischen Elementen des Films. Dass Ito kein B-Movie-Regisseur ist, verdeutlicht auch sein weiterer Werdegang. Nach den drei „Sasori“-Filmen zog er sich erst einmal überraschend für fast zehn Jahre aus dem Filmgeschäft zurück, um dann mit Paukenschlägen zurückzukehren. Sein Comeback „To Trap A Kidnapper“ war ein Publikums- und Kritikererfolg, „Gray Sunset“ setzte sich sogar 1986 gegen Akira Kurosawas Ran durch und ging als japanischer Beitrag ins Oscarrennen.

    Trotz aller inszenatorischer Brillanz von „Sasori 1 – Scorpion“ und trotz der wieder einmal glänzenden, hier fast ohne Worte und nur mit eiskaltem Blick auskommenden Hauptdarstellerin Meiko Kaji, ´versteht der Auftakt der populären Filmreihe jedoch nicht rundum zu überzeugen. Der Film ist bisweilen leider ein ganzes Stück zu schleppend geraten. Es sind gar nicht mal die eingefügten narrativen Brechungen oder das ruhige Erzähltempo, was hier stört, es sind schlicht und einfach einige überflüssige Szenen. Eine kurze Lesbensexszene liefert zum Beispiel nur die für das Genre üblichen reißerischen Momente, wird aber zusammen mit dem gesamten zugehörigen Nebenhandlungsstrang reichlich uninspiriert in die Handlung integriert. Vergleiche mit anderen Genreproduktionen zeigen, dass man solche Szenen auch viel stimmiger einbauen kann. Die Kritik am Japan der Zeit ist teilweise viel zu plakativ und überholt, um heute noch zu wirken. Der Film geht hier streckenweise etwas zu banal vor. So ist der Auftaktfilm der „Sasori“-Reihe zwar vor allem visuell auf jeden Fall sehenswertes Genrekino, mit welchem jeder Fan seine Freude haben wird, aber leider nicht mehr. Zur Brillanz eines Meisterwerkes wie „Lady Snowblood“, der viel mehr als Genrekino ist, fehlt trotz aller inszenatorischen Finessen doch ein ganzes Stück.

    Diese Kritik ist Teil der Retrospektive FILMSTARTS.de goes Grindhouse.

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