Bei der Frage nach dem ultimativen Abenteuerfilm drängt sich ein Titel ganz besonders auf: Steven Spielbergs „Jäger des verlorenen Schatzes“ - der furiose Auftakt zur fulminanten „Indiana Jones“-Trilogie, die 2008 (Indiana Jones 4) auf eine Quadrologie aufgedehnt wird. Der Abenteuer-Klassiker zementierte 1981 Harrison Fords Superstarruhm, den er bis in die Gegenwart verteidigen konnte. Nicht ohne Grund: Der Film ist schlicht und einfach perfekte, zum Kult aufgestiegene Unterhaltung und Ford die Idealbesetzung.
Der Archäologe Dr. Jones (Harrison Ford) führt an einer amerikanischen Provinzuniversität ein ruhiges Leben als Dozent. Doch sein „zweites Gesicht“ sieht ganz anders aus. Als Indiana Jones zieht er um die Welt, um in abenteuerlichen Expeditionen antike Artefakte zu suchen - unter ständigem Einsatz seines Lebens. In Südamerika entkommt er auf der Jagd nach einem Inkaschatz nur knapp dem Tod. Sein nächster Auftrag führt ihn 1936 nach Ägypten. Nahe Kairo ist Jones auf der Spur der legendären Bundeslade, in der Moses die zehn Gebote deponiert hat. Aber auch die Nazis jagen diesem außergewöhnlichen Schatz hinterher. Der Legende nach verleiht die Lade dem Besitzer unbegrenzte Macht. Und die will sich Adolf Hitler für seine Armeen sichern. Mit Hilfe seiner Ex-Freundin Marion (Karen Allen) und seinem ägyptischen Kumpel Sallah (John Rhys-Davies) versucht Indiana Jones, das Artefakt zu bergen. Doch die Nazis wollen ihren Nebenbuhler ausschalten und entführen Marion...
Steven Spielberg (München, Krieg der Welten, Der weiße Haie, Schindlers Liste, Jurassic Park) und George Lucas („Star Wars“, American Graffiti): Zwei Männer, die wie keine Zweiten für hocherfolgreiches amerikanisches Popcorn-Kino stehen. Für „Indiana Jones“ arbeiten die Tycoone Hand in Hand. Spielberg führt Regie, Lucas produziert. Um ein Haar hätte „Jäger des verlorenen Schatzes“ einen anderen Schauspieler zum großen Superstar gemacht: Tom Selleck, der wegen Dreharbeiten zu der Kult-TV-Serie „Magnum“ nicht abkömmlich war. Diesen Umstand wird Selleck wohl bis heute verfluchen. Auch Nick Nolte hatte in der Nachbetrachtung nicht unbedingt ein glückliches Händchen, die Hauptrolle abzulehnen. Das Publikum kann sich jedoch freuen, Ford - der erst drei Wochen vor Drehbeginn an Bord kam - war mit Garantie die bessere Wahl. Der „Star Wars“-Han Solo kreierte mit der Figur des Indiana Jones einen ganz neuen Typus des Actionhelden. Ein verwegener Abenteurer, der mit einem intelligenten Background als unorthodoxer Professor ausstaffiert wurde. Ford stattet seinen Charakter mit derart viel rustikalem Charme aus, dass das Publikum ihm auch einige Unkorrektheiten keineswegs übel nimmt, sondern den Charakter gerade für die Ecken und Kanten liebt. In einer Szene nietet er einen arabischen Säbelkämpfer, der sich gockelhaft aufbaut, kurzerhand mit der Pistole lässig um und hat die Lacher auf seiner Seite. Diese herrliche politische Unkorrektheit würde es heutzutage nicht mehr geben, aber da „Jäger des verlorenen Schatzes“ nicht nur ein ironischer Unterton begleitet, sondern durch Cartoon-Anleihen in den Actionszenen und Charakteren getragen wird, ist diese Dreistheit als Entertainment konsumierbar.
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Das Schöne an „Jäger des verlorenen Schatzes“ ist seine wunderbare Verbindung von (damaliger) Gegenwart und Vergangenheit. Der Film ist grundsätzlich im Stil klassischer Abenteuerfilme gehalten, aber durch diesen wirklich originell interpretierten Charakter des Indiana Jones bekommt das Werk eine zeitlose Dimension. Auch in der Neuzeit hat der Film nichts von seiner Faszination verloren, da er thematisch sowieso in den Mittdreißigern angelegt ist. Der legendäre Filmscore von John Williams unterstützt die abenteuerliche Stimmung perfekt. Die Actionszenen sind grandios inszeniert, die mit alten Sagen und Mythen angereicherte Story ist packend und ideenreich, verfügt über eine dringend notwenige ironische Ebene, ohne die der ganze Film nicht funktionieren würde. Spielbergs Faible für Nazi-Schurken macht sich nicht einmal negativ bemerkbar, sein großspuriges Herumhantieren mit den Symbolen des Dritten Reiches hat einen trashigen Touch, der die Ursprünge eines B-Movies nicht verleugnen kann. Aber eben dieser fiese Obernazi Toht, gespielt von dem Engländer Ronald Lacey, gibt einen perfekten Bösewicht ab. Die Nebenrollen glänzen durch eine herzliche, abenteuerliche Schrulligkeit, die von Karen Allen als Love Interest, Paul Freeman als skrupelloser französischer Grabräuber und John Rhys-Davies als treuer Indy-Buddy adäquat verkörpert wird.
Den herausragenden Gesamteindruck des modernen Klassikers unterstreicht das recht unkonventionelle Ende, wo wieder diese unnachahmliche Ironie aufblitzt mit der Spielberg und Drehbuchautor Lawrence Kasdan herrlich elegant aus der Nummer herauskommen. „Jäger des verlorenen Schatzes“ avancierte 1981 in den USA zum erfolgreichsten Film des Jahres und zog bisher zwei nicht minder erfolgreiche Fortsetzungen („Indiana Jones und der Tempel des Todes“, 1984; „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“, 1989) sowie eine TV-Serie („Die Abenteuer des jungen Indiana Jones“, 1992-1993) nach sich. Der merkwürdige Name „Indiana“ stammt übrigens von George Lucas. Es war der Name seines Malamute-Hundes, worauf Sean Connery in „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ auch ironisch anspielt...