Terrorismus, Folter, geheime CIA-Aufträge und das Pulverfass Naher Osten als Themen eines Thriller-Dramas, das eine reale, mehr als umstrittene Praxis der US-Regierung ans Licht bringt? Das klingt nach hochbrisantem Politkino. Dazu hält mit Oscar-Preisträger Gavin Hood (für Tsotsi) ein versierter Mann die Zügel in der Hand. Doch für sein US-Debüt muss sich der Südafrikaner den eisernen Regeln der Entertainment-Industrie beugen. Und so erreicht „Machtlos“, der überflüssigerweise im deutschen Verleihtitel (im Gegensatz zum Original: „Rendition“) geschwätzig seine Intension hinausposaunt, trotz solidem Spannungsbogen am Ende dank seiner eigenen 08/15-Hollywood-Dramaturgie nicht sein Ziel - obwohl es zu dieser Thematik doch soviel Ernsthaftes zu sagen gegeben hätte.
Ein verheerender Selbstmordanschlag auf einem Marktplatz in einem fiktiven nordafrikanischen Land fordert 19 Todesopfer und 75 Verletzte. Darunter ist auch ein CIA-Agent, der an der Seite seines Kollegen Douglas Freeman (Jake Gyllenhaal) stirbt. Ziel des Anschlags islamischer Terroristen war jedoch Abasi Fawal (Igal Naor), der Leiter eines geheimen Gefängnisses, in dem Terrorverdächtige gefoltert werden. Der CIA geht der ägyptischstämmige Geschäftsmann Anwar El-Ibrahimi (Omar Metwally) ins Netz, von dessen Mobiltelefon Gespräche mit dem gesuchten Terrorführer Rashid Silime geführt wurden. Nachdem er auf dem Heimflug von Kapstadt nach Washington von der CIA einkassiert wird, überstellt diese ihn umgehend - ohne Anklage, Anwalt oder offizielle Handhabe - in das Foltergefängnis von Abasi Fawal. CIA-Analytiker Freeman observiert den Fall vor Ort. In den USA ist El-Ibrahimis hochschwangere amerikanische Frau Isabella (Reese Witherspoon) außer sich vor Sorge, dass ihr Mann auf dem Rückflug verschwunden ist. Sie bemüht ihren alten Studienfreund Alan Smith (Peter Sarsgaard), der als Assistent für den Senator Hawkins (Alan Arkin) arbeitet. Sie bekommen heraus, dass Corrinne Whitman (Meryl Streep) als Chefin einer Anti-Terror-Einheit für die Verschleppung verantwortlich ist...
Douglas Freeman: „This is my first torture.“
Corrinne Whitman: „The US don’t torture.“
„Wenn wir jemanden finden, der Informationen über einen Angriff auf Amerika hat, können Sie darauf wetten, dass wir ihn verhaften werden, und Sie können darauf wetten, dass wir ihn verhören werden.“ Das bekräftigte US-Präsident George W. Bush im Oktober 2007. Doch schon seit Mitte der 90er Jahre unter der Regierung Bill Clintons wird in den Vereinigten Staaten die Praxis der sogenannten „extraordinary rendition“ (dt.: außerordentliche Auslieferung) angewandt. Die USA überstellen die Terrorverdächtigen in die Rechtlosigkeit und versuchen, durch Dritte in einem Fremdland oft über Folter an Informationen über Anschläge zu gelangen. Rund 100 Menschen sind seit 2001 auf diese Art und Weise spurlos verschwunden. Frances Townsend, Heimatschutzberaterin Bushs, räumt ein, dass ein Drittel dieser Leute mit „Techniken“ (= Klartext: Folter) behandelt worden seien. Das amerikanische Volk erwarte, dass die Regierung Informationen gewinnt, um es zu schützen. „Das ist unser Job“, so Bush. Doch das Verfahren ist hochgradig umstritten, zumal die Ergebnisse mäßig sind, da die Malträtierten unter Zwang fast alles sagen, nur um nicht weiter gefoltert zu werden. Dass dieses Vorgehen nicht mit den Genfer Konventionen zu vereinbaren ist, sollte klar sein, aber darauf legt Amerika in Zeiten des Post-9/11-Terrors keinen übersteigerten Wert.
Diese „extraordinary rendition“ steht nun im Mittelpunkt von „Machtlos“. So bemerkenswert es auch ist, diese heikle Angelegenheit zu thematisieren, so tragisch ist es, dass Gavin Hood nicht genug Mumm hat, engagiertes Politkino zu machen, sondern stattdessen die Zuschauer gegen Ende in seichter Manier mit Hollywood-Grütze zuschüttet. Immerhin zwei Akte lang ist „Machtlos“ gefälliges Mainstreamkino, zwar ohne den letzten Biss, aber dafür solide vorgetragen und inszeniert. Doch auch hier schleichen sich schon störende Kleinigkeiten ein. Das Lager der islamischen Fundamentalisten umweht ein Hauch von arabischer Folklore. Dazu wirkt der Subplot, der Verbindungen zwischen den Familien von Terrorfürst Silime und Gefängnischef Fawal aufbaut, reichlich überkonstruiert. Wenn Hood schon einen brisanten Polit-Thriller drehen will, muss er auch Ross und Reiter nennen. Aber das tut er nicht, seinem Drehbuchautor Kelley Sane fehlt selbst der Mut, „das nordafrikanische Land“, in dem „Machtlos“ spielt und in dem gefoltert wird, zu benennen. Gedreht wurde im marokkanischen Marrakesch, doch der konkrete Name fällt in der gesamten Laufzeit nie. Stattdessen hält es Hood lieber pauschal, unverbindlich und wage. Bloß keinem auf die Füße treten.
Die Hollywood-Stereotypen gewährleisten zwar einen routiniert aufgebauten Spannungsbogen, der an mehreren Fronten etabliert wird, doch im Endeffekt sind die Figuren zu sehr nach dem Schwarz/Weiß-Prinzip gezeichnet, um zu überraschen. Und so erfüllen sich alle Klischees des Hollywoodkinos, wie es im schlechtesten Fall zu erwarten war. Eine gute Stunde lang hält sich „Machtlos“ die Optionen für „packendes Politkino“ offen. Was will der Film? Hollywood-Kitsch oder ernsthafte Auseinandersetzung mit einem schwierigen Thema? Doch im Schlussteil geht Regisseur Hood der Gaul durch – da hilft ihm auch sein überraschender Twist nicht mehr, der zwar Spielerei ist, aber durchaus geschickt eingebunden wird.
Auf der Besetzungsliste finden sich ausgesprochen erlesene Namen wieder. Doch die Riege der Superstars bekommt kein geeignetes Material, um über den Standard hinaus aus dem Schatten der Abziehbilder herauszubrechen. Jake Gyllenhaal (Brokeback Mountain, Donnie Darko, Zodiac) bleibt apathisch-blass und versagt als Hauptfigur, den Zuschauer für sein Schicksal zu interessieren. Als verträumter Schnösel, der aussieht wie zwölf (Zitat Meryl Streeps Charakter Corrinne Whitman), ist Gyllenhaal als CIA-Analytiker wenig glaubhaft. Reese Witherspoon (Walk The Line, Natürlich blond) darf als typische amerikanische Mutter nicht viel mehr als besorgt gucken, Meryl Streep (Die durch die Hölle gehen) variiert ihre Rollen aus Der Teufel trägt Prada und Der Manchurian Kandidat nur geringfügig, dafür wissen Alan Arkin (Little Miss Sunshine, Glengarry Glen Ross) und in Teilen Peter Sarsgaard (Garden State, Jarhead) zu überzeugen, weil ihre Charaktere deutlich mehr Reibungspotenzial hergeben und spannenden moralischen Fragen folgen. Die Schau stiehlt ihnen jedoch Igal Naor (München). Der Israeli bietet trotz recht eindimensionaler Rolle als Foltermeister die größte Präsenz auf. Omar Metwally (München) meistert seine Aufgabe als zentrale Figur des Terrorverdächtigen Anwar El-Ibrahimi zufriedenstellend.
Fazit: Bei einem weniger ernsten Thema wäre „Machtlos“ noch als solides Entertainment durchgegangen, doch aufgrund der sträflichen Auslassung der möglichen Chancen, kann der Film in seinem selbst gewählten Sujet in dieser zu zahmen Umsetzungsform nicht überzeugen und bleibt im Mittelfeld hängen. Die Versatzstücke werden einfach zu plump zusammengesetzt. Wer sich in seichte Gewässer begeben will und die Tiefe nicht vermisst oder scheut, kann mit „Machtlos“ jedoch als unverbindliche Unterhaltung warm werden.