Ist das Übertreibung, wenn man sagt: Die Geburt eines Klassikers? „L.A. Confidential“ ist für mich ein Klassiker. Der Sturz Curtis Hansons in das chaotische, verbrecherische, wirre, geheimnisvolle, komödiantische, lebendige und tödliche Los Angeles der 50er Jahre ist ein Meisterwerk der Filmkunst, wie man es leider (oder Gott sei Dank?) nur selten zu sehen bekommt.
Weihnachten 1953. Los Angeles Police Department. Drei Polizisten. Drei sehr unterschiedliche Figuren: Sgt. Jack Vincennes (Kevin Spacey), Drogendezernat, der sich in der Glitzerwelt Hollywoods fast wohler fühlt als im Dienst. Er hat guten und regen Kontakt mit dem Herausgeber des Klatschblattes „Hush Hush“ Sid Hudgens (Danny DeVito), lässt ihm interne Nachrichten zukommen und kann sich im Gegenzug einen gewissen Luxus leisten, für den sein Polizistengehalt nicht ausreichen würde. Officer Bud White (Russell Crowe), ein scheinbar etwas einfältiger Schlägertyp, der vor allem prügelnde Ehemänner hasst und sie brutal zusammenschlägt. Und Lt. Edmund Exley (Guy Pearce), überkorrekt, dazu bereit, Kollegen zu verpfeifen, die gegen Festgenommene mit unerlaubter Brutalität vorgehen, gleichzeitig als Sohn eines ermordeten Polizisten immer darauf bedacht, an sein Fortkommen zu denken. Alle drei haben nicht viel miteinander zu tun und mögen sich nicht. Erst als bei einem Massenmord in einem Schnellrestaurant auch ein Polizeibeamter zu Tode kommt, werden sie mehr oder weniger gezwungen zusammenzuarbeiten. Unter den Toten befindet sich zudem eine Frau, die White kurz zuvor mit verletzter Nase im Auto des Millionärs Pierce Patchett (David Strathairn) gesehen hatte, der Pornographisches vertreibt und einen exklusiven Call-Girl-Ring leitet. Dort beschäftigt er Frauen, die sich anziehen und schminken wie Filmstars und durch plastische Chirurgie den Größen Hollywoods ähnlich gemacht werden. Eines dieser Call-Girls ist Lynn Bracken (Kim Basinger), „Double“ von Veronica Lake, von der White sich Informationen über das getötete Call-Girl und Patchett erhofft. Doch „leider“ verliebt er sich in die blonde Schönheit.
Captain Dudley Smith (James Cromwell), der Vorgesetzte von White, Exley und Vincennes, treibt seine Leute auf die Suche nach den Mördern des Night-Owl-Massacres. Schnell hat man drei schwarze Gangster als Verdächtige ausgemacht, die von Zeugen bei „Schießübungen“ gesehen worden sein sollen. Als die drei nach dem Verhör durch Exley fliehen können und auf der Flucht erschossen werden, scheint der Fall abgeschlossen. Aber alle drei haben Zweifel und stoßen auf eine ganz andere Geschichte des Massakers...
Nein, es sind nicht nur die dichte, pralle Atmosphäre und die spannende Geschichte, die „L.A. Confidential“ zu einem Meisterwerk werden lassen. Es sind auch die Charaktere, vor allem der drei Cops, aber auch der von Captain Dudley Smith, und das Zusammenspiel, der Zusammenprall dieser Figuren, die immer wieder begeistern. Hinzu kommt eine leicht mysteriöse blonde Schönheit, Kim Basinger, deren Blick, Gestalt, Aura den Plot zu einem Erlebnis sondergleichen machen.
Hanson – von dem man es angesichts dessen, was er bis dahin „geliefert“ hatte, kaum erwartet hätte – liefert ein Los Angeles (und Hollywood) der Fassade, die er gnadenlos, dabei allerdings nicht bösartig, einstürzen lässt, hinter der sich ein komplexes und kompliziertes Spiel der Intrige, des Verrats, des Verbrechens, des Eine-Hand-wäscht-die-andere-Szenarios entblößt, das unterstellt, dass es dort nichts anderes gibt, dass in diesem Pulverfass nichts anderes herrscht. Kostüme, Ausstattung und Szenario lassen den Blick in eine Welt zu, in der Ehrlichkeit, Vertrauen, Zuneigung keine Chance zu haben scheinen. Fassade und Realität, Schein und Sein verschwimmen in dieser Welt. Als Vincennes und Exley im Formosa Café einen Johnny Stompanato (Paolo Seganti) vernehmen wollen, sagt Exley zu dessen Begleiterin: „A hooker cut to look like Lana Turner is still a hooker.“ Doch er irrt sich. Die Dame ist wirklich Lana Turner.
Aber gleichzeitig entwickelt Hanson durch die kritische Geschichte hindurch die Entstehung einer durch die Umstände provozierten Freundschaft zwischen Exley und White, die sich anfangs hassen und am Schluss fast schon lieben. Exley, der homo novus, Emporkömmling, der auf die „gerechte“, „legale“, vorbildliche Art versucht, Karriere zu machen, und White, der Schläger, der aggressive Verletzte, finden zusammen, weil in ihnen etwas vorhanden ist, was sie zusammenschweißt – ein gewisser Sinn für Gerechtigkeit über allen Egoismus hinweg. Und sie treffen dabei auf Kim Basingers Lynn, die sich genau dies auch erhalten hat. Sie findet in White, unbewusst oder nicht, einen Menschen, bei dem sie spürt, dass hinter der tiefen Verletzung aus seiner Kindheit etwas versteckt liegt, dem sie sich hingeben kann. Sie sagt zu White: „You’re the first man in months who hasn’t told me I look just like Veronica Lake.“ „L.A. Confidential“ ist für diese Figuren nicht nur, aber auch ein Lernprozess, ein Weg aus dem aussichtslosen Gewirr von Kriminalität und Korruption. Kevin Spaceys Vincennes bringt es auf den Punkt, wenn er auf die Frage, warum er Cop geworden ist, antwortet, das habe er vergessen.
Dagegen steht James Cromwells Captain Smith, das Paradebeispiel eines korrupten, hinterhältigen und skrupellosen Cop, der selbst im Angesichts seines Todes noch glaubt, er könne davonkommen, sich aber in Exley gründlich geirrt hat. Hinter dem Gesicht dieses vordergründig integrierenden Polizeiführers verbirgt sich ein Mensch, der zu allem bereit ist – auch zum Mord an Kollegen. Er weiß, was er will, und wusste es schon immer. Danny DeVito – ausgerechnet Danny DeVito – steht für ein Hollywood der Intrige, des falschen Spiels, der Erpressung, der Macht des Geldes und wird Opfer seiner eigenen Mentalität. In ihm verbinden sich Showgeschäft, Kriminalität, Klischee und Brutalität in einer besonders perfiden Weise. Ein Film noir vom Feinsten. Eine bittere, aber nicht böswillige Abrechnung, die es vermeidet, in Klischees zu verfallen. Ein von Anfang bis Ende spannender, kurzweiliger, rasanter Film, der für mich unter die hundert besten der Filmgeschichte gehört.