Nochmehr als heterosexuelle haben viele lesbische Frauen ein Problem damit, ihren Platz im Leben zu finden. Da es kaum vorgefasste Rollenbilder gibt, stehen ihnen alle Türen offen, was aber gleichzeitig eine immense Unsicherheit mit sich bringt – die sich durch alle Generationen zieht. Mit ihrem Episodenfilm „Lost In Generation“ versuchen fünf Regisseurinnen nun, durch drei Kurzfilme und einige Interviews sich diesem komplexen Thema anzunähern. Aber auch, wenn sie dabei den einen oder anderen interessanteren Aspekt aufwerfen, scheitern sie im Endeffekt doch auf ganzer Linie an ihrem filmischen Unvermögen und einer zu platten Herangehensweise.
In Isabella Gressers 15-minütigen Kurzfilm „Bye Bye Antonia“ geht es um die 16-Jährige Toni, die sich dagegen wehrt, in eine Rolle als Mädchen oder Junge hineingepresst zu werden, sie will sich einfach nicht entscheiden. Deshalb wird sie von ihren Mitschülern gemobbt, von ihren Eltern missverstanden und sogar ihre Freunde machen sich über die „Transe“ lustig. Nur ein Junge, den sie beim BMX fahren kennen lernt, steht ihr nicht sofort abweisend gegenüber, fragt sie offen nach ihren Gefühlen und versucht ihr zu helfen, als die anderen sie mal wieder fertig machen wollen…
Gressers Botschaft ist klar und gut: Keiner sollte sich irgendwelchen Zwängen oder Konventionen unterwerfen müssen, sondern nach seiner Passion glücklich werden dürfen. Leider kann man diese Aussage hier nicht sonderlich ernst nehmen, weil „Bye Bye Antonia“ rein formal schon solch riesige Schwächen (was bei weitem nicht nur am fehlenden Budget liegt) offenbart, dass der Film so viel zu oft ins Lächerliche abgleitet. Die einzigen interessanteren Bilder gelingen Gresser, wenn sie Jugendliche bei ihren BMX-Künsten filmt. Ansonsten wirken die digitalen Aufnahmen uninspiriert, öde und billig. Die Dialoge sind so weit weg vom echten Leben, dass sie den Zuschauer in ihrer Aufgesetztheit schon peinlich berühren. So haben auch die Laiendarsteller keine Chance, gegen die misslungenen Zeilen anzuspielen.
Elke, die Protagonistin in dem 20-Minüter „Cherchez La Butch“ von Martina Minette Dreier und Heidi Kull, hat gerade ihren vierzigsten Geburttag hinter sich gebracht. Nach dem gut gemeinten Vorschlag einer Freundin versucht sie, ihre Einsamkeit durch eine Zeitungsannonce zu bekämpfen. Die ersten romantischen Treffen enden zwar katastrophal, aber dann lernt Elke doch noch jemanden kennen – Luisa zieht sogar gleich bei ihr ein. Doch dann stellt sich die handwerklich begabte Nachbarin Corky zwischen die beiden…
Schon die den Film zusammenhaltende Klammer, eine regionale Talkshow mit niederländischer(!) Moderatorin, in der Elke ihre Geschichte erzählt, zeugt von einem wahren Trash-Charakter – leider ohne jeglichen Charme. Formal kann auch „Cherchez La Butch“ nicht im Ansatz überzeugen, hat im Gegensatz zu „Bye Bye Antonia“ sogar noch zusätzlich den Nachteil, dass er sich auch an komödiantischen Elementen versucht, dabei aber grandios scheitert. Elke blendet immer wieder die Realität aus, um sich ihr Leben in der Phantasie als romantische Hollywood-Schmonzette vorzustellen – dabei zitiert der Film von „Yes“-Werbespots über Camerons Titanic alles mögliche, ohne dabei je auch nur ein Fünkchen eigene Qualität zu entwickeln.
Auf dem Weg zum See findet eine ältere Frau in Fraya Frömmings „Helena“ eine eiserne Schatulle, die sie sich sogleich an den Bauch kettet, um sich einfacher ertränken zu können. Doch gerade als sie ins Wasser gehen will, klingelt ihr Handy, auf einmal hat sie ein Date für den Abend. Nun muss sie sich mit nur 1.26 frisches Gemüse, leckeren Fisch und eine neue Frisur besorgen und außerdem die angekettete Kiste wieder loswerden. Und der gefährliche Dieb, der die Kiste in der vorherigen Nacht im Gestrüpp versteckt hat, schaut auch noch vorbei…
Obwohl „Helena“ mit dem Selbstmordversuch extrem zynisch beginnt, löst sich alle Kritik durch den komplett unglaubwürdigen Schluss in nachwirkungsfreies Wohlgefallen auf. Zwischendurch nervt der Film den Zuschauer mit billigem Kalauer-Humor, unsinnigen Thriller-Ansätzen und peinlichem Overacting. Dazu wirft Helena noch ein wenig mit platten Sozialkritik-Floskeln um sich, deren Aussagen er aber in der nächsten Szene schon wieder vergessen zu haben scheint. Glücklicherweise ist der Film nach gerade einmal 22 konzept- und highlightlosen Minuten auch schon wieder vorbei.
So bleiben am Ende neben den drei wirklich schlechten Kurzfilmen nur die Interview-Einschübe zwischen den einzelnen Beiträgen, in denen lesbische Frauen aus allen Generationen über Themen wie Rollenklischees, Liebesideale, Jugend und Alter erzählen. Dabei sind ihre Ansichten um einiges interessanter als alles, was in den inszenierten Teilen vorgetragen wird. Leider machen die Interviews aber nicht einmal zehn Prozent des gesamten Projekts aus, so dass ihr Anteil einfach zu gering ist, um an dem misslungenen „Lost In Generation“ noch irgendetwas retten zu können.