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    Strajk - Die Heldin von Danzig
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Strajk - Die Heldin von Danzig
    Von Nicole Kühn

    Volker Schlöndorffs Kino ist fast unausweichlich auch immer dem Politischen verpflichtet, dem er gerne eine gute Portion Moralisches hinzufügt. Sein Gespür für effektvolle Ästhetik erschafft dabei bewegende Momente, die unter die Haut gehen, sehr leicht aber auch in überladenes Pathos abdriften. Nach Die Blechtrommel (1979, ausgezeichnet mit der Goldenen Palme in Cannes) und „Der Unhold“ (1996) legt er nun mit dem Arbeiter-Drama „Strajk – Die Heldin von Danzig“ seinen dritten Film vor, der in Polen gedreht wurde. In seiner von ihm selbst so betitelten „Ballade nach historischen Ereignissen“ findet er mit einer wunderbar schnoddrigen Katharina Thalbach eine ideale Hauptfigur, die der sich immer wieder anschleichenden Gefühligkeit die Realität eines beherzt geführten Lebens entgegensetzt. Vor allem sie und ein schlitzohriger Dominique Horwitz sind es, die der Geschichtsstunde auf Leinwand Leben einhauchen und der Erstickungsgefahr durch mitleidvolle Betüdelung Paroli bieten.

    Danzig 1958. Auf der Werft wird die nimmermüde, bescheidene Schweißerin Agnieszka (herrlich: Katharina Thalbach) wie jedes Jahr seit ihrem Arbeitsantritt zur Heldin der Arbeit gekürt. Freunde macht sie sich damit nicht unter ihren Kollegen, denn durch ihr Verantwortungsbewusstsein bei der Arbeit bricht sie den unausgesprochenen Pakt, dass „die da oben so tun, als würden sie uns bezahlen und wir so tun, als würden wir arbeiten“. Als allein erziehende Mutter muss sie jedoch sehen, wo sie bleibt. Ihr Verantwortungs- und Gerechtigkeitsbewusstsein ist es wenige Jahre später auch, das sie aufmüpfig gegenüber der Werftleitung werden lässt. Unbezahlte Überstunden, vernachlässigte Sicherheitsstandards – nicht mit Agnieszka, die sich inzwischen zur Kranführerin hochgearbeitet hat. Unbeirrbar behält die ungebildete Frau ihre Ideale im Blick und wird zum Sprachrohr einer Bewegung, die ausgehend von der Lenin-Werft in Danzig das politische System des Ostblocks ins Wanken brachte und letztlich dessen Zusammenbruch einleitete.

    Über gut zwei Jahrzehnte erstreckt sich die Schilderung der Entstehung einer unabhängigen Gewerkschaft in Polen – der zum politischen Schlagwort gewordenen Solidarnosc. Zwischen zum Teil recht großen Zeitsprüngen werden entscheidende Episoden aus der persönlichen Perspektive der Kranführerin Agnieszka erzählt, die gemeinsam mit dem jungen Lech Walesa für die Rechte der Arbeiter kämpft. Der Einblick in ihre kleine Wohnung, in das Leben voller Sorgen und Nöte, aber auch in ihre geradlinige Haltung in allen Lebensbereichen macht aus dem zeitgeschichtlichen Thema auch ein emotionales Erlebnis, das den Zuschauer hineinzieht in das Herz des Geschehens. Die vom Leben nicht gerade verwöhnte Frau, die mit der schlagfertigen Burschikosität die eigene verletzliche Schwäche ebenso in Schach hält wie ihre meist männlichen Widersacher, ist eine Paraderolle für Katharina Thalbach. Ihre leicht kratzige Stimme verleiht den (aus Sicht der herrschenden Verhältnisse) um keinerlei political correctness bemühten Statements ein unmittelbare Rauheit und Schärfe, die von einem abgeklärt-kämpferischen Gesichtsausdruck begleitet wird. Die heitere, leichte Variante des Lebens steht ihr in Form des geschmeidig agierenden Dominique Horwitz offenherzigen Kazimierz nur kurz zur Seite. Als die Lage immer ernster wird, sind es undurchsichtige, vorsichtige Menschen, die zu ihren Verbündeten werden, Menschen, die wissen wie gefährlich es sein kann, sein Herz auf der Zunge zu tragen.

    Die Stimmung im Film wird durch die kongeniale Musik des Soundtüftlers Jean Michel Jarre getragen. Die mechanisch ablaufenden Arbeiten in der Werft dringen in metallisch stampfenden Klängen über das Ohr bis in das Innere des Zuschauers vor. Gerade weil man das Ohr nicht verschließen kann, ist Filmmusik gut beraten, sich nicht aufzudrängen. Das tut sie hier aber an manchen Stellen gehörig, besonders dann, wenn die Dramatik zunimmt. Als seien die Bilder einer im Büro mit Blick auf die Werft quasi in Isolationshaft genommenen Agnieszka, die nichts sehnlicher wünscht, als bei „ihren“ Arbeiterinnen und Arbeitern draußen dabei zu sein, nicht schon stark genug, schiebt sich Unheil dräuende Musik noch darüber. Traut Schlöndorff etwa der Gewalt seiner Bilder nicht, die das Leben der real existierenden Anna Walentynowicz dramaturgisch bearbeitet wiedergeben? Man könnte es fast meinen, ist er doch immer wieder bemüht, durch dokumentarische Einschübe von Originalmaterial die Glaubwürdigkeit und Authentizität seiner Darstellung zu belegen. Als ob es darum ginge. Vielmehr wirken die sporadisch eingebauten Versatzstücke der belegten Historie, als müssten sie die stellenweise ins Übermaß getriebene Emotionalität der Geschichte der Heldin von Danzig ausgleichen, um den Akzent darauf zu legen, dass es hier nicht einfach um die anrührende Geschichte einer engagierten Frau geht, sondern um Tatsachen. Dabei hängt die Wahrheit einer Erzählung doch so wenig ab von ihrer Faktizität.

    Dieses Schwanken zwischen dokumentarischem und dramatischem Erzählstil nimmt dem in seinen Dialogen und mit sehr präsenten Darstellern besetzten Film viel von seiner Wirkung. Der 1939 in Wiesbaden geborene Schlöndorff wollte wohl, wie schon manches Mal zuvor, zu viel und schwächt damit einen starken Film, der dennoch beachtenswert ist. Vor allem dann, wenn man von dieser jüngeren Zeitgeschichte nichts mitbekommen hat außer das, was in den Büchern steht.

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