Parallel zum Bollywood-Fieber entwickeln sich schon seit einiger Zeit auch türkische Filme zu einem echten Publikumsmagneten. Komödien wie „Vizontele Tuuba“, „G.O.R.A.“ oder zuletzt „Organise Isler“ überspringen dabei trotz (oder gerade wegen?) der Aufführung im Original mit Untertiteln spielend die 200.000-Besuchermarke. Auch „Die chaotische Klasse 3,5“ wird ein solch großer Erfolg beschert sein, handelt es sich doch um den neunten! Teil der beliebtesten Kult-Komödie der türkischen Filmgeschichte. 1975 adaptierte der legendäre Regisseur Ertem Egilmez den gleichnamigen Roman von Rifat Ilgaz um eine, nun ja, chaotische Schulklasse halt. Anfang 2005 hatte der siebte Teil „Die chaotische Klasse sagt Hallo“ solch großen Erfolg, dass der Achte „Die chaotische Armee“ und nun „Die chaotische Klasse 3,5“ gleich hinterher produziert wurden. Zwar haben die Schüler der chaotischen Klasse über die Jahrzehnte immer wieder gewechselt, trotzdem dürfte der momentane Altersschnitt schon bei knapp dreißig liegen.
Nachdem die Chaotische Klasse die Selbstmordtabletten ihres Lehrers ausgetauscht hat und dieser seitdem mit einem grünen Kopf herumlaufen muss, wird es dem Schuldirektor Deli Bedri endgültig zuviel. Da er aber auch nicht auf das Schulgeld verzichten will, kann er die Schüler nicht einfach so rausschmeißen, sie sollten schon „freiwillig“ gehen. Es muss also eine andere Lösung her, um die „Problemkinder“ loszuwerden. So entschließt Bedri sich, mit der Hilfe von allerlei Technik-Schnickschnack, schrecklichen Kostümierungen, ein paar Schauspielern, falschen Haien in der Aula und jeder Menge Kunstblut Halloween kurzerhand vorzuverlegen, um so die chaotischen Schüler für immer zu vertreiben. Aber so leicht lassen die sich nicht vergraulen, sind doch gerade drei geheimnisvolle Schönheiten auf die Schule gewechselt, die zum Bleiben animieren…
Damit, die filmische Qualität von „Die chaotische Klasse 3,5“ zu bewerten, darf man gar nicht erst anfangen. Er wäre wohl irgendwo im Bereich solch historischer Fehlschläge wie „Police Acadamy 7 - Einsatz in Moskau“ oder „Troll 2“ einzuordnen. Aber wenn man anschließend auf den Kinobesuch zurückblickt, möchte man ihn dennoch nicht missen. Ein gewisser, grenzdebiler Charme, der den Zuschauer langsam umnebelt und ihn über Peinlichkeiten Tränen lachen lässt, über die er ansonsten nur ungläubig den Kopf geschüttelt hätte, lässt sich nämlich nicht absprechen. Und sowieso geht es insgesamt mehr um das Drumherum als den Film selbst. Der Kinosaal verwandelt sich in ein beliebtes Ziel für Familienausflüge, Nachos werden 10 Mal nachgefüllt und zum Abschluss erklingt ehrlich gemeinter Applaus. Außerdem lacht das türkischssprachige Publikum an solch ungewöhnlichen Stellen, dass man schon nach kürzester Zeit sein Vertrauen in die Untertitel verliert, die einem dafür aber von „Hochzeiten auf einem Flugzeug in 10.000 Kilometer Höhe erzählen“ und die Lehrer ihre Schüler als „Du Rinderwahnsinn“ bezeichnen lassen. Ohne einen einzigen grammatikalisch korrekten Satz entwickeln sie so abseits des eigentlichen Filmgeschehens ein ganz eigenes humoristisches Potential. Auch wenn man nach „Die chaotische Klasse 3,5“ „Die Lümmel von der letzten Bank“ für wahre Filmkunst hält und der Film (glücklicherweise) schnell vergessen ist, wird der Kinobesuch mit Sicherheit noch lange in positiver Erinnerung bleiben.