Wer sich als ambitionierter Filmfan auf die Suche macht nach den besten Filmen aller Zeiten, der sollte zunächst mal davon absehen, Kabel Eins einzuschalten. Im Internet wird er schnell auf die Top 250 von imdb.de stoßen, der weltweit größten Datenbank für Filme. Hier befinden sich bunt gemischt alte Klassiker und neue Filme wie „Herr der Ringe" – bewertet von mehreren Tausend Benutzern der Website. Niemanden mag es überraschen, dass sich „Der Pate" auf dem zweiten Platz befindet, hat doch nach diesem Meisterwerk von Francis Ford Coppola kaum ein genialerer Film die Leinwände ausgefüllt. Beim Blick auf Platz eins jedoch werden viele stutzig werden: „Die Verurteilten"? Der Name von Regisseur Frank Darabont ist wahrscheinlich nicht allen ein Begriff – bisher hat er sechs Filme gemacht. Darunter allerdings das herausragende Drama „The Green Mile" und „The Majestic". Außerdem schrieb er kürzlich mit am Drehbuch zu „Collateral".
Das Gefängnisdrama ist sicherlich ein überragender Film, und neben Stanley Kubricks „The Shining" vielleicht die gelungenste Stephen-King-Verfilmung. Aber die Geschichte eignet sich grundsätzlich schon mal nicht, um zu einem der größten Meisterwerke überhaupt zu werden: Der Banker Andy (Tim Robbins) wird zu zwei Mal lebenslänglich verurteilt, weil er seine Frau samt Geliebtem ermordet haben soll. Im Shawshank-Gefängnis lernt er Red (Morgan Freeman) kennen, mit dem er eine großartige Freundschaft beginnt. Die Beteuerung seiner Unschuld nimmt Red ihm zwar zunächst nicht ab, aber die Menschenkenntnis und das Verhandlungsgeschick von Andy beeindrucken ihn nachhaltig. Lange Zeit hat Andy mit ein paar Homosexuellen zu kämpfen, aber bereits währenddessen gelingt es ihm, die brutalen Gefängnisaufseher von seiner breiten Kenntnis des Steuerrechts zu überzeugen. Damit bringt er das Personal in Abhängigkeit zu ihm und nach etlichen Jahren der Forderungen erhält er sogar Fördermittel für die heruntergekommene Bibliothek.
So beeindruckend der Verlauf der Geschichte im Film wirkt, so wirkt sie leider ab und an schlicht etwas konstruiert. Es mag begeistern, sich das anzuschauen, aber stets wird sich der Zuschauer fragen, ob das denn alles realistisch ist. Die Freundschaft zwischen Andy und Red ist dagegen hervorragend dargestellt und gleicht das ideal wieder aus. Das Thema des unschuldig im Gefängnis gelandeten Bürgers macht es außerdem zu einem leichten, sich mit Andy zu identifizieren und seine Standhaftigkeit bei den versuchten Übergriffen auf ihn tut dafür ihr übriges.
Tim Robbins spielt seine Rolle mit einer unglaublichen Gelassenheit und die schrecklichen Geschehnisse hinterlassen bei ihm kaum Spuren. Verzweifelung scheint ihm ein Fremdwort zu sein, stattdessen nutzt er die Möglichkeiten, die ihm geblieben sind. Robbins ist hier in einer seiner besten Rollen zu sehen, er trägt den Film mit Morgan Freeman zusammen zu großen Teilen alleine. Freeman selbst beeindruckt mit seiner wie üblich gekonnten Charakterdarstellung und steuert mit einigen Erzählungen der Geschehnisse einen großen Anteil zum Gelingen des Gefängnisdramas bei. Mag er in „Sieben" noch mehr von seinem Können gezeigt haben, hier gibt es dennoch nichts zu meckern.
Besonders wichtig für „Die Verurteilten" sind ebenfalls die Nebenrollen. Der oberste Gefängnisaufseher spielt seinen Part mit eiskalter Konsequenz und brutaler Härte. Die Episode um Brooks (James Whitmore) wird jeden Zuschauer bewegen und später noch geschickt wiederverwendet. In den 142 Minuten wird viel erzählt, doch stets mit einer sehr langsamen Herangehensweise. Doch der Film gerät nie in Bedrängnis, sein Erzähltempo aufzustocken. Vielmehr wird sich der Zuschauer wundern, wie kompakt doch alles ist, wenn er die Jahreszahlen hört, die Andy und Red nun schon in Shawshank verbringen.
„Die Verurteilten" ist einer der Filme, die den Mainstream perfekt auszunutzen wissen. Er ist ganz offensichtlich ein Massenprodukt und scheut sich so, den Anspruchspegel zu hoch zu hängen. Er will der Unterhaltung dienen und tut dies, indem er eine interessante Geschichte erzählt und diese von menschlichen Werten handeln lässt. Das Level des erforderlichen Nachdenkens bleibt akzeptabel und lenkt keine Sekunde vom Film ab. Die Überraschung im letzten Drittel macht den Film dann für viele vielleicht so unvergesslich. Er ist ein Film, der fast jedem sehr gut gefallen wird, weil er eben das bedient, was die Leute sehen wollen. Allerdings wäre am Ende weniger mehr gewesen, denn die allerletzte Szene hätte vielleicht besser weggelassen werden sollen.
Am Ende ist „Die Verurteilten" allerdings mit Sicherheit einer der besten Gefängnisfilme und außerdem eine ausgezeichnete Darstellung einer lebenslangen Freundschaft. Sieben Oscarnominierungen waren der Lohn (bester Film, Morgan Freeman, Kamera, Schnitt, Originalscore, Ton, adaptiertes Drehbuch). Er schafft es trotz der Länge zu fesseln und weiß stets zum richtigen Zeitpunkt zu überraschen.