Comic-Verfilmungen liegen im Trend, auch wenn dieser schon wieder im Abschwung ist. Dass aus deutschen Landen etwas aus diesem Genre kommt, ist eher ungewöhnlich, aber die Vorlage für Dominique Derruderes rabenschwarze Tragikomödie „Die Bluthochzeit“ war tatsächlich ein Comic, was der Umsetzung allerdings nicht unbedingt anzusehen ist. Die deutsch-belgische Co-Produktion unterhält mit packenden Charakteren und einem exzellenten Ensemble, das kleine Schwächen in der Glaubwürdigkeit überspielt.
Für Sophie (Lisa Maria Potthoff) und Bräutigam Mark (Arne Lenk) soll es der schönste Tag in ihrem Leben werden. Ein unvergesslicher Tag. Das wird ihre Hochzeit auch, aber nicht im ursprünglich angedachten Sinne. Marks schwerreicher Vater Hermann Walzer (Armin Rohde) gibt sich die größte Mühe, bei der Feier den alles beherrschenden Patriarchen herauszukehren. Er hat einen idyllischen Landgasthof in einer alten Burg in der Eifel reserviert und alles läuft zunächst nach Plan. Walzer will dem in Finanznöten steckenden Gourmetkoch Franz Berger (Uwe Ochsenknecht) dessen Anwesen abkaufen und überreicht ihm ein Angebot, das der Restaurantchef eigentlich nicht ablehnen kann. In der Küche geht einiges schief. Als die Shrimps verdorben zu sein scheinen, gerät die Situation völlig außer Kontrolle. Walzer weigert sich, die Rechnung zu bezahlen und marschiert mitsamt der Hochzeitsgesellschaft wutschnaubend ab. Leider vergessen sie die Braut Sophie und deren Schwiegermutter Hannelore (Imogen Kogge). Berger schließt die Tore seines Besitzes und sperrt seine „Geiseln“ im Bad ein. Der Walzer-Clan belagert indes die Burg und feuert erste Warnschüsse ab...
Dominique Derrudere bewies mit seinem Oscar-prämierten „Jeder ist ein Star“ (2000) ein feines Händchen für tragisch-komische Geschichten. Der Belgier erweist sich für die Verfilmung von Jean van Hammes und Hermann Huppens kompromisslos-blutigem Comic als sehr gute Wahl. Er treibt dieser Produktion die deutsche Piefigkeit aus und präsentiert wunderschöne Kinobilder, die internationalen Ansprüchen Stand halten. Schon die erste Kamerafahrt über die idyllische Eifellandschaft schafft Atmosphäre.
Neben den tadellosen technischen und optischen Produktionswerten, die unter Denkmalschutz stehende „Burg Dreiborn“ bietet die perfekte Location, sind es vor allem die exzellenten darstellerischen Leistungen, welche „Die Bluthochzeit“ sehenswert machen. Der Vollblut-Choleriker Hermann Walzer ist eine Paraderolle für das schauspielerische Schwergewicht Armin Rohde („Rossini“, „Das Leben ist eine Baustelle“). Er passt perfekt und überzieht seine Tyrannei nicht, sondern bleibt seinem Charakterentwurf immer treu. Zwar ist die Eskalation der Situation zunehmend konstruiert und der ein oder andere Zufall ist zuviel des Guten, aber im Rahmen eines reinen Genrefilms funktioniert dieses Story-Gebilde dennoch. Wer sich darauf nicht einlässt, wird an „Die Bluthochzeit“ keine Freude haben. Als Gegenspieler von Rohde gibt Uwe Ochsenknecht („Das Boot“, „Männer“) eine erstaunlich couragierte Vorstellung. Der dickschädelige Koch Berger ist ihm ohne Zweifel abzunehmen. Die weiteren Rollen des 24-köpfigen Ensembles sind ebenfalls passend besetzt.
Regisseur Derrudere und Comic-Autor van Hamme schrieben gemeinsam sehr lange an dem Drehbuch. Diese Mühe hat sich ausgezahlt. Die Radikalität der Vorlage mit blutspritzenden Gedärmen und Toten en masse haben die Schreiber sorgsam entschärft, weil dies als Filmversion nicht ansatzweise in diesem optischen und erzählerischen Umfeld glaubhaft gewesen wäre, da die Story-Konstruktion sowieso schon auf einem schmalen Grat zwischen ereignisorientierter Skurrilität und überstrapazierter Glaubwürdigkeit wandelt. Die Macher legen mehr Wert auf Psychologie als auf Physiologie.
Sehr geschickt verpassen Derrudere und van Hamme ihrem deutsch-belgisch-österreichischen Ensemble mit wenigen, markanten Szenen und Dialogen charakterliche Hintergründe, sodass jeder seinen Platz findet. Auch wenn die Situation festgefahren scheint, fällt den Autoren genügend ein, um das Publikum mit Ideen und Nebenhandlungen bei Laune zu halten. Derrudere sieht die Geschichte nach eigener Aussage als Metapher für die Konfliktsituationen in der Welt, in der die Herrscher andere Menschen ins Verderben treiben. Patriarch Walzer steht somit stellvertretend für die machtgeilen Regierungschefs dieser Erde.
Langweilig ist „Die Bluthochzeit“ in keiner Minute. Das Geschehen spielt an einem einzigen Tag zwischen 11 Uhr morgens und 23 Uhr abends an lediglich zwei Schauplätzen. Die Psychologie der Hauptfiguren Walzer und Berger ist durchaus nachvollziehbar, selbst die ausufernde Eskalation, die durch eine absolute Lappalie ausgelöst wurde, wirkt innerhalb des abgesteckten Genre-Rahmens stimmig. Schwarzer Humor, Dramatik und Gewalt bilden eine funktionierende Einheit. So ist „Die Bluthochzeit“ ein grundsolides, gutes, mutiges Stück Kino, welches den internationalen Vergleich nicht zu scheuen braucht.