Derrick im Kino? War der Fernseh-Beamte nicht vor Jahren in den Flimmerkisten-Ruhestand gegangen und zu Interpol versetzt worden? Ja, aber für die große Leinwand wird das Rad noch einmal zurückgedreht und Oberkommissar Stephan Derrick und sein Assistent Harry Klein geben ein Comeback. „Werner“-Regisseur Michael Schaak verrührt die beiden Kult-Klischees des deutschen Fernsehens zu einer respektlosen, aber liebevoll gemeinten Zeichentrick-Parodie. Leider ist die Handlung, die das Autorenteam um Ralph Christians um das Ermittler-Doppel gestrickt hat, an Dämlichkeit kaum zu überbieten. Das ist sehr schade, denn zumindest bei der Figur Derrick funktioniert die Idee der satirischen Überhöhung gut.
Inspektor Stephan Derrick (Stimme: Horst Tappert) hat die Kriminalität in München ausgerottet. Die Verbrechensrate liegt unter 0,00 Prozent. Auf seinen Lorbeeren ausruhen kann er sich aber nicht. Die nationale Ausscheidung zum European Song Contest soll Derrick und Assistent Harry Klein (Stimme: Fritz Wepper) auf Trab halten, obwohl er schon halb auf dem Weg nach Lappland ist, um dort einen Fall zu lösen. Der hinterhältige Schlagerkönig Arno Hello (Stimme: Gustav Peter Wöhler) will den Wettbewerb unbedingt gewinnen, liegt aber in den Umfragen weit hinten. Deshalb räumt er seine Konkurrenten mit allen Mitteln aus dem Weg. Als erstes müssen die Irreplaceable Boys dran glauben. Doch das ist nur der Anfang. Es folgen weitere Morde und der exzentrische Arno Hello gerät immer dringender unter Mordverdacht...
24 Jahre. 281 Folgen. Nur drei ungelöste Fälle. Die Bilanz von TV-Kommissar Stephan Derrick, der zwischen Oktober 1974 (erste Folge: „Waldweg) und Oktober 1998 (letzte Folge: „Das Abschiedsgeschenk“) gemeinsam mit seinem getreuen Gefährten Harry Klein freitags um Punkt 20.15 Uhr im ZDF ermittelte, ist beeindruckend. Gleiches gilt für den internationalen Erfolg der TV-Reihe, die in mehr als 100 Länder verkauft wurde. Die Idee, die beiden Fernseh-Institutionen auferstehen zu lassen, hatten die Produzenten Matthias Walter und Ralph Christians (schrieb auch gemeinsam mit Jürgen Wolff und Marteinn Thorisson das Drehbuch) schon vor Jahren. Sie waren auf der Suche nach einer bekannten Live-Action-Figur, um sie für den Zeichentrick zu adaptieren. Schnell kamen sie auf den Gedanken, Derrick parodistisch zu veralbern.
Ohne große Mühe konnten sie die beiden Veteranen Horst Tappert und Fritz Wepper von dem Projekt überzeugen und sie als Sprecher für ihre alten Rollen gewinnen. Ohne diesen Schachzug wäre „Derrick - Die Pflicht ruft“ sicher nicht in die Kinos gekommen. Doch so schön der Ansatz, diese fleischgewordenen TV-Klischees auf die Schippe zu nehmen, auch ist - die Vorgehensweise von Regisseur Michael Schaak („Werner – Das muss kesseln“, „Das kleine Arschloch“, „Käpt’n Blaubär“) macht die nette Idee mühelos kaputt. Zumeist mit der Feinfühligkeit einer Dampfwalze plättet er seine Vorlage - und das noch nicht einmal absichtlich.
Die Figur Derrick funktioniert im Film noch, weil dieser Charakter deutlich mehr satirische Züge trägt als alle anderen zusammen. Die Knorrigkeit, mit der Horst Tappert sich selbst auf den Arm nimmt, macht über weite Strecken Spaß und dokumentiert ein gesundes Maß an Selbstironie. Dazu gibt es einige nette Anspielungen auf das aktuelle TV-Showbusiness, aber das war’s dann auch schon fast mit den positiven Aspekten. Bereits die Figur des Harry Klein ist eine völlig überzogene Karikatur, die nichts Satirisches mehr an sich hat, sondern reiner, tiefergelegter Klamauk ist. Das gilt noch viel mehr für die weiteren Charaktere. Bösewicht Arno Hello ist ein Witz-Abziehbild von Schlager-Katastrophe Jürgen Drews, der passenderweise auch den Gesangspart Hellos übernimmt. Die Überdrehtheit der Handlung geht mit der Zeit gehörig auf die Nerven, die kleinen, liebevollen Seitenhiebe werden immer weniger.
Zeichnerisch ist „Derrick - Die Pflicht ruft“ solide. Die Hauptfiguren sind ordentlich getroffen, Harry Klein misst als Karikatur idealerweise nur gut die Hälfte seines großen Bosses. Und auch der legendäre Spruch „Harry, hol’ schon mal den Wagen“ wird in ausreichender Form gewürdigt. Doch diese schönen Einfälle, die für gelegentliches Schmunzeln sorgen, werden immer wieder von der grenz-debilen Handlung eingefangen - der Spaß vergeht, so plötzlich er gekommen ist. Das ist im Endeffekt schade, denn mit einer weniger klamaukhaften, sondern eher satirischen Story hätte der Film funktionieren können. So ist „Derrick – Die Pflicht ruft“ größtenteils verschenkt. Mit ihrer Anspruchslosigkeit wollen sich die Macher an ein Publikum anbiedern, das es möglicherweise gar nicht gibt. „Derrick“-Puristen werden nicht einmal in die Nähe dieses Werks kommen und für viele Zeichentrickfreunde ist die Umsetzung einfach zu überzogen dämlich. Im restlichen Klientel von klamaukbereiten und anspruchsresistenten Kinogängern suchen die Produzenten ihr Publikum.