„Der Frosch mit der Maske“, 1959 von Harald Reinl gedreht, begründete den über ein Jahrzehnt im Wirtschaftswunder-Deutschland anhaltenden Erfolg der Edgar-Wallace-Filme. „Hallo....hier spricht Edgar Wallace!“ - dieser Opener wurde zum Markenzeichen der Filme, die sich in den 60er Jahren zur längsten und kommerziell erfolgreichsten Serie des deutschen Kinos entwickelten und auch im Ausland als German Wallace Wave Beachtung fanden. Parallel dazu etablierte der 1962 ebenfalls von Harald Reinl gedrehte „Schatz im Silbersee“ die Welle der deutschen Schwarzwaldwestern, die im Folgenden zu einem großen Teil von den gleichen Verantwortlichen und der gleichen Darsteller-Riege getragen wurde. Nachdem 2001 Komik-As Michael „Bully“ Herbig den Schwarzwaldwestern mit seinem wunderbar warmherzig-drolligen „Schuh des Manitu“ ein ebenso ironisches wie respektvolles Denkmal errichtet hatte, war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis sich das teutonische Comedy-Kino des 1875 in London geborenen Autors annehmen würde, aus dessen Feder übrigens nicht nur eine Großzahl an Krimis floss, sondern auch das Skript zu dem 1932 gedrehten Monster-Klassikers „King Kong und die weiße Frau“.
Nun ist es ausgerechnet an TV-Radikalkritiker Oliver Kalkofe, Bullys Winnetou-Hommage mit „Der Wixxer“ die Edgar-Wallace-Persiflage folgen zu lassen. Wer nun jedoch glaubt, der an Medienpräsenz in den letzten Jahren ein wenig aufs Abstellgleis geratene Erfinder von „Kalkofes Mattscheibe“ habe einfach auf dem Erfolg des Bully-Films gerade noch rechtzeitig mitreitend seine Karriere ein wenig aufpolieren wollen, greift zu kurz: Die Idee für den „Wixxer“ stammt aus dem Jahr 1996, ist somit wesentlich älter als das Bully-Werk, und viele inhaltliche Elemente des Films, Anspielungen und Parodien sowie seine Entstehungsgeschichte werden nur dann wirklich verständlich, wenn man den Bogen noch sehr viel weiter zurück in die Vergangenheit schlägt. Anno 1988 startete beim damals gerade zwei Jahre alten niedersächsischen Privatsender FFN in Isernhagen mit dem „FFN Frühstyxradio“ jenes legendäre Radioformat, welches zur Initialzündung und zum Stichwortgeber einer ganzen Comedy-Generation werden sollte. Mit brachialem Fäkalhumor, rotzigsten Verbal-Injurien, zotigsten Gossen-Kalauern und gezielter Übertretung jeglicher Geschmacksgrenzen stellten die Frühstyxradio-Erfinder Dietmar Wischmeyer, Asso Richter, Andreas Liebold und Sabine Bulthaup das bis dato kaum mehr als bieder zu bezeichnende teutonische Humor-Unwesen schlicht auf den Kopf und legten damit den Grundstein für eine völlig neue Form der Comedy, die lange nach ihnen gekommene Vertreter wie Ingo Appelt oder Tom Gerhardt überhaupt erst möglich machte. Die zelebrierte Arschkrampen-Anarchie des Frühstyxradios fand allsonntäglich eine eingeschworene Anhängerschaft von mehreren Hunderttausend Hörern, und selbst eine (kurzzeitige) Absetzung der Sendung im Frühjahr 1992 konnte ihren Erfolg nicht bremsen, sondern brachte vielmehr den verantwortlichen Programmdirektor Peter Bartsch zu Fall.
Oliver Kalkofe stieß 1991 zum Comedy-Team von Radio FFN und kreierte unter anderem so legendäre Figuren wie den Ferkelwämser Gürgen Ferkulat, den massenmordenden „Herrn Radiooven“, den speckigen Märchenerzähler „Onkel Hotte“, den Fremdenführer „Alfons Derra“ sowie den autobiographisch eingefärbten Praktikanten Hans-Jürgen auf dem Raumschiff „FFNterprise“. Zum größten Erfolg avancierte jedoch seine Frühstyxradio-Kolumne „Kalkofes Mattscheibe“: Mit bitterbösester Häme überzog Kalkofe den alltäglichen Fernseh-Schwachsinn mit Spott, brandmarkte Patrick Lindner als „Nightmare on Alm-Street“, Wolfgang Lippert als „Grabbel-Zoni mit Kassengestell“ und Karl Moik als „finale TV-Apokalypse“. Von 1994 bis 1998 sendete Kalkofe seine „Mattscheibe“ dann auch als Fernsehfassung auf Premiere, die ihm unter anderem 1996 den Grimme-Preis einbrachte.
Im Herbst 1996 erfand das Frühstyxradio-Autorenduo Oliver Kalkofe und Oliver Welke den „Wixxer“ als „Kriminalhörspiel aus mehreren tausend Teilen“. Mit einer Persiflage auf die Edgar-Wallce-Filme hatten die alltäglich auf FFN gesendeten, nur wenige Minuten langen Folgen außer dem Intro „Hallo, hier spricht Edgar Wallace sein Bruder“ und der charismatischen Filmmusik von Peter Thomas nicht viel gemein, sondern dienten nur als rudimentäres Gerüst, um die beiden Hauptfiguren Inspector Very Long (Welke) und Chief Inspector Even Longer (Kalkofe) auf der Jagd nach dem dämonischen Superverbrecher „Der Wixxer“ von einem absurden Schlamassel ins Nächste stolpern zu lassen. Die Hörspielteile trugen so klangvolle Namen wie „Der Frosch ohne Maske“, „Der Puff an der Themse“, „Der blöde Bogenschütze“ oder „Die toten Hosen von London“ und mündeten schließlich in einer denkwürdigen dreistündigen Sondersendung in der Nacht zum 1. Advent 1996, in der unter intensiver Beteiligung der Zuhörer die Identität des Schurken gelüftet wurde.
Für die Kinoversion des „Wixxers“ griffen wiederum Oliver Kalkofe und der inzwischen überwiegend als Sportmoderator tätige Oliver Welke zur Feder und produzierten ein Skript, welches inhaltlich zwar genauso belanglos ist wie der einstige Radiomehrteiler, dafür aber sehr viel stärker die Edgar-Wallace-Verfilmungen aus der Produktionsschmiede Rialto vor Augen und im Visier hat. Mit ins schriftstellerische Boot wurde der ehemalige SAT1-Comedian Bastian Bastewka geholt, so dass sich der „Wixxer“ neben der gesamten Hommage an die Alfred-Vohrer-, Harald-Reinl- und Jürgen-Roland-Klassiker als größtenteils einfallsreiche und treffsichere, aber nicht wirklich zu Lachkrämpfen animierende Melange aus Frühstyxradio- und Wochenshow-Klamauk entpuppt.
Als alte Bekannte aus seligen FFN-Tagen trifft man in der Kinoversion wieder auf die beiden vertrottelten Scotland-Yard-Ermittler Inspector Very Long und Chief Inspector Even Longer sowie ihren Chef Sir John. Doch bereits hier beginnt das erste, ganz große Problem des Films: Während Ex-Long-Sprecher Oliver Welke seinen Part dem ausgewiesenen Komödianten Bastian Pastewka überließ und sich mit seiner Rolle als Autor sowie einem kleinen Gastauftritt als Sanitäts-Arzt Dr. Brinkmän begnügte, schlüpfte TV-Terminator Oliver Kalkofe auch für den Film in den schmuddeligen Trenchcoat des abgewrackten Chief Inspectors. Oliver Kalkofe ist jedoch kein Komödiant, er ist noch nicht einmal ein Schauspieler. Seinen Witz bezog der Vollblut-Radiomoderator stets aus seinem versierten Umgang mit Sprache und dem gekonnten Einsatz seiner Stimme, die er ebenso als DDR-WG-Bewohner wie als Sodomie-freudiger Versicherungsvertreter Herr Kaiser daherkommen lassen konnte. Schon das TV-Format seiner „Mattscheibe“ war wesentlich weniger witzig als die Radiofassung, noch weniger die völlig unverständlicherweise mit dem Deutschen Comedy-Preis ausgezeichnete Bühnenversion. Und als Filmdarsteller hat Oliver Kalkofe in „Der Wixxer“ nicht eine einzige komische Szene. Das wird vor allem im Kontrast zum sehr routinierten, wenn auch hin und wieder auf Sparflamme spielenden Bastian Pastewka deutlich, ebenso zum wunderbaren Wolfgang Völz, selbst Veteran aus den alten Wallace-Filmen und hier als Sir John zu sehen.
„Der Wixxer“ beginnt mit einer wirklich entzückenden Persiflage auf das nebelumwaberte Mordgeschehen der German Wallace Wave, wenn Anke Engelke und Olli Dittrich als leicht beschränktes DDR-Ehepaar durch einen düsteren Wald in Richtung Blackwhite Castle (das letzte britische Schloss in Schwarz-Weiß!) trotteln, um zunächst von einem furchterregenden Mops bedroht zu werden und anschließend den Mord am Mönch mit der Peitsche zu erleben. Dahinter steckt, wie nicht anders zu erwarten, der Superverbrecher Wixxer, dessen Totenkopfmaske dem Wallace-Krimi „Im Banne des Unheimlichen“ entlehnt wurde und der mit einer beispiellosen Mordserie an Londons Gangster-Chefs die Macht in der britischen Unterwelt übernehmen will. Bei ihren Ermittlungen stoßen die beiden Scotland-Yard-Beamten Long und Longer auf den mondänen Earl of Cockwood (Thomas Fritsche), dessen entzückende Nichte Jennifer Pennymarket, den schmierigen Kleingangster Harry Smeerlap und die sinistre alte Mrs. Drycunt. Ein düsteres Schloss, ein Schlossherr mit finsterer Vergangenheit, eine junge, adrette Millionenerbin und eine Vielzahl zwielichtiger Gestalten – das waren schon die Ingredienzien, die die Streifen der Marken Reinl, Vohrer und Vohrer kennzeichneten. Kalkofe und Welke plündern für ihre Hommage das gesamte Archivar der Wallace-Filmologie, was dem Film einige wirklich hübsche Settings und Kulissen-Einfälle beschert.
Kulturphilosophisch betrachtet könnte man Oliver Kalkofes Film angesichts des Titels und der Namen glatten Phallozentrismus attestieren, profan auch schlicht Schwanzfixierung genannt. Doch der „Wixxer“, die beiden Inspektoren Very Long und Even Longer sowie der Earl of Cockwood sind als Namen schlicht Veteranen aus der Radiofassung, die ganz der pubertären Humor-Marschrichtung der damaligen Radio-Comedy des niedersächsischen Privatsenders unter der Ägide von Dietmar Wischmeyer entsprachen, genauso die beiden Söhne des Earls Pommi und Fritti, die einst als Protagonisten in der Frühstyxradio-Serie „Schlitzi, der kleine Japaner“ agierten.
Der Humor des Kino-„Wixxers“ mäandert jedoch ein wenig ziellos durch die reichlich seichten Sphären heutiger Fernseh-Comedy, verkörpert vor allem durch die üblichen Verdächtigen Anke Engelke, Olli Dittrich und vor allem Regisseur Tobi Baumann, der bei SAT1 für das Engelke-Vehikel „Ladykracher“ verantwortlich zeichnete. Aus dem Team von „Ladykracher“ stammt auch Christoph Maria Herbst, der hier als Butler Alfons Hatler mit schwarzem Nasenbärtchen, Seitenscheitel und zackigem Hackenschlag wirklich grandiose Führer-Performance abliefert. Herbst ist als schnarrender Büttel des Earls eine pure Augenweide, in jeder Szene zum Brüllen komisch und so göttlich geschmacklos, dass er häufig die wirklich bitterlich schwachen Auftritte Oliver Kalkofes vergessen lässt. Und ausgerechnet Herbst erweist dem Geist des alten Frühstyxradio mit ein paar wirklich herrlich makaberen Onelinern die Ehre: „Die brauchen wir noch“, erklärt er dem just in eine Falltür auf Schloss Blackwhite Castle gestürzten Kalkofe: „Für die Zeugen Jehovas.“ Man hätte sich wesentlich mehr Sarkasmus von diesem Kaliber gewünscht. Genauso trefflich besetzt, leider nur viel zu selten im Bild, ist Lars Rudolph als absolut perfekte Klaus-Kinski-Wiedergeburt.
„Der Wixxer“ wendet sich ähnlich wie Bullys „Schuh des Manitu“ an Menschen, die das genügsame TV-Zeitalter noch mit drei Programmen erlebt haben und die mit den skurrilen, teilweise unfreiwillig komischen und inhaltlich oft mehr als absurden Schwarz-Weiß-Krimis sozialisiert wurden. Das Ergebnis ist ein meist entspanntes, oft ins Absurde driftendes Geblödel, das sich glücklicherweise fast nie zum üblich gewordenen Latrinen-Humor hinreißen, aber leider auch höchstens jeden dritten Gag wirklich zünden lässt. Einige Parodien neuerer Filme wie „Matrix“, „Das Schweigen der Lämmer“ oder „Mission Impossible 2“ wirken reichlich verkrampft, und eine lieblos eingeworfene Musical-Nummer ganz im Stil vom „Schuh des Manitu“ offenbart nur die Einfallslosigkeit der Filmemacher. Durchweg gelungen sind die Gastauftritte von Günther Jauch und Grit Böttcher sowie (unfreiwillig!) von Hessens Ministerpräsident Roland Koch als „Schlumpf mit dem Herpes“ und (vor allem für Sesamstraßen-Fans) von Original-Kermit-Sprecher Andreas von der Meden als „Frosch mit der Maske“.
Um wirklich alle Parodien, Anspielungen und Fingerzeige verstehen zu können, erfordert der „Wixxer“ geradezu generationenübergreifende Medienkompetenz. Man muss eben nicht nur die klassischen Wallace-Filme, vom „Frosch mit der Maske“ bis zur „Toten aus der Themse“, kennen und ihr stereotypes Strickmuster herunterbeten können, man sollte auch wissen, dass der Schurkendarsteller aus „Der Bucklige von Soho“, der homosexuelle, glatzköpfige Hubert von Meyerinck, den Spitznamen Hubsi trug, man muss zwischen 1989 und 1996 Radio FFN gehört haben, um die Relikte des Humor-Frühwerkes von Oliver Kalkofe und Oliver Welke zu erkennen, zudem zwischen 1994 und 1998 „Kalkofes Mattscheibe“ gesehen haben, um auf Auftauchen von Achim Mentzel und der Wildecker Herzbuben als „Bande des Schreckens“ richtig einordnen zu können, und wer nie Ingolf Lücks „Wochenshow“ auf SAT1 gesehen hat, wird sehr verständnislos dreinschauen, wenn Very-Long-Darsteller Bastian Pastewka alle 20 Minuten als Running Gag mit braungeschminktem Gesicht und herrlich bescheuertem Gesichtsausdruck ins Bild rennt und „Wolle Rose kaufen?“ in die Kamera säuselt. Der Schluss, bei dem Oliver Kalkofe ganz im Stil der alten Wallace-Filme die Identität des Wixxers zu enthüllen versucht und dabei eine falsche Theorie nach der anderen aufs Tableau bringt, ist eindeutig eine Referenz auf das nächtliche Radio-Finale 1996 bei FFN, in dem ebenfalls die abstrusesten Vermutungen zu Gehör kamen. Und nein, der Wixxer ist im Film nicht wie damals der von Dietmar Wischmeyer gesprochene Erzähler des Hörspielmehrteilers. Vielleicht hätte es aber gerade dessen abgründigen Humors bedurft, um aus dem Kalkofe-Film eine wirklich gute Parodie zu machen.