Mein Konto
    Behind the Couch
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Behind the Couch
    Von Christoph Petersen

    „Behind The Couch“ beginnt mit Bildern einer typischen Hollywood-Filmpremiere: Stars wie John Travolta, Kim Basinger, Naomi Watts oder Dustin Hoffman stolzieren gut gelaunt über den roten Teppich. Dann folgt der absolut geniale Schnitt auf eine einfache, leere Couch. Regisseur Veit Helmer, der eigentlich durch abgedrehte Dramen wie „Tuvalu“ oder „Das Tor zum Himmel“ eine gewissen Bekanntheit erlangte, ergründet mit seiner Dokumentation die Prozesse, die zwischen der einfachen Couch und dem großen Traum vom roten Teppich liegen, erforscht die Abläufe eines typischen Castings, spricht mit Schauspielern, Agenten und Regisseuren über ihre Erfahrungen mit der Besetzung von Hollywood-Produktionen und begleitet eine junge Schauspielerin bei ihren Vorbereitungen für das perfekte Vorsprechen. Dabei ist der fertige Film ebenso unterhaltsam wie informativ geraten und zumindest für all diejenigen ein Muss (oder besser: eine Warnung), die noch immer ernsthaft daran denken, eine Schauspielkarriere in Amerika in Angriff zu nehmen.

    Zora DeHorter ist selbstständiger Casting-Director in Los Angeles und hat immerhin schon Filme der Kategorie Ali G. Indahouse oder „Species III“ besetzt. Ihr neuestes Projekt ist das Drama „Half-Life“ der asiatisch-stämmigen Debüt-Regisseurin Jennifer Phang. „Behind The Couch“ begleitet Zora von dem Moment an, an dem sie den Auftrag bekommt, bis zu jenem, an dem die letzte Rolle besetzt ist. Dabei zeigt Helmer genug Neues, als dass er dem Zuschauer nicht in wirklich jeder Szene etwas Interessantes zu bieten hätte. So gewinnt er bekannten Abläufen - wie etwa dem Vorsprechen selbst - unbekannte Facetten ab, zeigt zum Beispiel, dass das schnelle, oberflächliche Abarbeiten der Bewerber nichts mit persönlicher Abneigung oder gar Arroganz zu tun hat, sondern bei tausenden von ankommenden Briefen täglich sogar eine wirtschaftliche Notwendigkeit ist.

    Andere Zwischenschritte des Casting-Prozesses hingegen dürften dem Zuschauer sogar gänzlich neu sein: So wird zum Beispiel jedes Drehbuch von einer in Hollywood ansässigen Firma namens „Breakdown“ zerlegt, so dass man zu jeder Rolle nur die für sie wichtigen Informationen am Stück lesen kann und die Agenten nie ganze Skripts, sondern immer nur die kurzen Zusammenfassungen durchgehen müssen, um ihre Klienten zu den Vorsprechen schicken zu können. Bei den fast durchgehend gut gelungenen Szenen um Zora haben sich nur zwei kleinere, fast vernachlässigungswürdige Schwächen eingeschlichen: Zum einen ist es für den Zuschauer ein Problem, dass er nie einen wirklich tiefen Einblick in das Projekt „Half-Life“ bekommt, was ihn bei der Besetzung der Darsteller doch ein wenig außen vorstehen lässt. Zum anderen konnten einige Mitglieder der Casting-Szene nicht auf nervige Selbstbeweihräucherung verzichten, weshalb man neben vielen tiefgehenden Einblicken auch haltlose Aussagen wie “80% eines erfolgreichen Films sind das Casting“ über sich ergehen lassen muss.

    Am anderen Ende der Nahrungskette des Studiosystems in Hollywood steht die junge Schauspielerin April Kian, die extra aus Singapur eingeflogen ist, um in Hollywood ihr Glück zu versuchen. Als sie das erste Mal amerikanischen Boden betritt, stellt sich für sie nur die Frage, ob es sinnvoller wäre, zuerst einen Oscar als beste Nebendarstellerin, oder gleich den für die beste Hauptdarstellerin zu gewinnen. Aber desto länger der Film sie bei ihren Vorbereitungen – Finden eines Agenten, Bewerbungsfotos machen, zum Frisör gehen, sich im Fitnesscenter abmühen – begleitet, desto deutlicher wird, dass April eine eher tragische Figur ist – Karriere in Hollywood eigentlich ausgeschlossen. Umso erfreulicher ist Helmers überraschend feinfühliger Umgang mit seiner Protagonistin: Statt sie als hoffnungslose Träumerin zu verspotten oder undifferenziert gegen die Filmindustrie zu wettern, setzt er sie angenehm sachlich und wertungsfrei in Szene. Höhepunkt dieser gelungen unspektakulären Inszenierung ist ihr endgültiges Scheitern: Ohne Vorankündigung und fast beiläufig in den Film integriert, fliegt sie zurück nach Hause.

    Insgesamt ist „Behind The Couch“ zwar sehr informativ und für einen Dokumentarfilm auch sehr unterhaltsam geraten, aber was ihm zu einem wirklich großen Vertreter seines Genres noch fehlt, sind ein paar investigative Elemente. Aussagen wie 80% der Mitglieder der Screen Actors Guild leben unter der 11.000 $ / Jahr Grenze, wodurch sie sich nicht einmal für das Gesundheitsfürsorgeprogramm der Gewerkschaft qualifizieren werden zwar am Rande getätigt, aber der Film gibt nie einen Einblick, was diese Zahlen eigentlich tatsächlich für die betroffenen Menschen bedeuten. Erst in den letzten fünf Minuten, wenn Helmer einen Altpapierfahrer begleitet, der die Bewerbungsfotos von den Studios einsammelt und für 150 $ / Tonne!!! an einen Händler verscherbelt, wird der Film ein wenig kritischer. Insgesamt gilt aber trotzdem: „Behind The Couch“ macht viel Spaß, ist aber einen Tick zu harmlos.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top