Ob es sich um Blödel-Klamotten oder Michael-Bay-Spektakel handelt – immer wieder heißt es da, mit abgeschaltetem Hirn sei das alles gleich viel genießbarer. Wie aber soll das eigentlich gehen: Hirn abschalten? Wie senkt man die eigene Schamgrenze auf Meeresgrundniveau ab und liefert sich einem Film bedingungslos aus? Tom Gerhardt („Siegfried") muss die Formel dazu gefunden haben. Zumindest lässt Gernot Rolls „Ballermann 6" darauf schließen. Bei Bewusstsein kann der studierte Germanist bei den Dreharbeiten zu seinem Kino-Zweitling nämlich unmöglich gewesen sein, so hingebungsvoll, wie er sich dabei selbst im allergrößten Bullshit suhlt.
Nachdem die beiden Chaoten Tommie (Tom Gerhardt) und Mario (Hilmi Sözer) ihre Jobs als Osterhasen verloren haben, brauchen sie erst einmal Urlaub. Mit je 200 Mark in der Tasche stolpern sie auch gleich über das perfekte Angebot: Drei Tage Mallorca für 195 DM. Am Flughafen treffen sie die attraktive Maja (Diana Frank), die im Ferienparadies ihren Yuppie-Lebensgefährten Klaus (Christoph M. Ohrt) besuchen will. Hals über Kopf verlieben sich Tommie und Mario in die schöne Blondine, verlieren sie jedoch gleich wieder aus den Augen. Vor Ort dann der Schock: Das Freibier ist auf Mallorca keineswegs frei. Während sich die Freunde irgendwie durchschlagen, treffen sie Maja wieder, die nach einem Streit mit Klaus jetzt die Insel unsicher machen will. Auf der Flucht vor dem pikierten Schnösel ist Chaos vorprogrammiert...
In inzwischen drei Kinofilmen („Voll normaaal"; „Ballermann 6"; „Die Superbullen") wurde Tommie auf wüste Proll-Abenteuer geschickt, während das Sitcom-Spin-Off „Hausmeister Krause - Ordnung muss sein" seine von Notgeilheit und Fettleibigkeit geprägte Kindheit beleuchtet. Bei „Ballermann 6" versucht Regisseur Gernot Roll gar nicht erst, seinem Publikum die dämliche Prämisse aufzuschwatzen. Enthemmte deutsche Trinkerhorden, im Ballermann-Tourismus seit den Neunzigern ein alltägliches Bild, bieten schließlich auch ohne stimmige Rahmenhandlung oder minimal vetiefte Figuren eine Steilvorlage für brachiale Proll-Komik. In puncto Geschmack reißt Gerhardt mit seinem Humor zielsicher jede Latte. Fast scheint es, als wäre diese ermüdende Zwanglosigkeit vor allem dazu gedacht, mutmaßlichen Widerstand im Publikum zu brechen.
Für eine Gross-Out-Komödie ist „Ballermann 6" dann aber doch ziemlich zahm. Artig werden neben den beiden Hauptfiguren nur ausgemachte Unsympathen wie der verkrampfte Spießer Klaus oder zwei fiese Bergheimer Dorftrottel durch den Kakao gezogen. In den von Political Correctness beherrschten Neunzigern war Produzent Bernd Eichinger schließlich schlau genug, keine Randgruppen zu verschrecken und damit potentielle Kundschaft zu vergraulen. Und so bietet „Ballermann 6" leidlich familienkompatiblen Blödel-Humor mit sachten satirischen Untertönen. Zaghaft wird das Verhalten alkoholisierter teutonischer Marodeure auf der Deutschen liebster Insel – weder sonderlich subtil noch subversiv – auf die Schippe genommen.
Für alle Gralshüter europäischer Hochkultur darf derweil Entwarnung gegeben werden: Der viel beschworene Untergang des Abendlandes wird durch die Verballhornung auch des hinterletzten Klischees jedenfalls nicht nennenswert beschleunigt. Tommie und sein Kumpel Mario benehmen sich ungeheuer dämlich und sind furchtbar vulgär, in ihrer unverschämten Schlichtheit und entwaffnenden Naivität aber wiederum auch auf eine schräge Weise sympathisch. Tatsächlich ärgerlich ist hingegen der amateurhaft-zusammenhangslose Schnitt von Ayse Erdogan, der jeden Erzählfluss versiegen lässt und nur so vor Anschlussfehlern strotzt.
Schauspielerische Höhenflüge sind im „Ballermann 6" nicht zu erwarten, und das obwohl sich zumindest Hilmi Sözer („Bang Boom Bang", „Jerichow") inzwischen zum Kreis ernstzunehmender deutscher Darsteller zählen darf. Routiniert präsentiert Gerhardt seinen Typus, eben so, wie es Regie und Publikum von ihm erwarten. Mit Gastauftritten von Ballermann-Größen wie Jürgen Drews oder Helmut aus Mallorca und Drehs an Originalschauplätzen kommt zumindest der Lokalkolorit nicht zu kurz. Wer sich auf die hohe Kunst versteht, über anderthalb Stunden sein Gehirn abzuschalten, der wird „Ballermann 6" weitestgehend unbeschadet überstehen – Laien hingegen seien gewarnt: Tom Gerhardts Urlaubstrip ins Säuferparadis kann zu heftigen Fremdschamattacken führen!