Einwanderer der zweiten Generation haben es nicht leicht: Die Eltern beharren meist stärker als in ihrer Heimat auf ihren Traditionen, die Gesellschaft der neuen Heimat verlangt Assimilation und dazu gesellen sich die Probleme des Erwachsenwerdens, das ohnehin schon schwer genug ist. So sitzen diese jungen Menschen zwischen allen Stühlen, und wohin sie sich auch bewegen, sie ecken an. Für Regisseur Albert ter Heerdt bietet das in seiner Gesellschaftskomödie „Shouf Shouf Habibi“ reichlich Stoff für tragische Geschichten – und für Situationskomik. Der Schwere des Lebens begegnet man am besten mit einem ausgeprägten Sinn für Humor.
Die Kunst dabei ist, sein Sujet nicht der Lächerlichkeit preis zu geben. Das gelingt ter Heerdt durch die stillen Töne, denen er zwischen den turbulenten Ereignissen Raum gibt. Der zwanzigjährige Marokkaner Abdullah (Mimoun Oaïssa) ist wie viele andere Einwandererkinder in den Niederlanden: Er pfeift auf die Heimat seiner Eltern und versucht, in der modernen Gesellschaft Fuß zu fassen. Dabei wird geklotzt und nicht gekleckert. Das große Geld liegt auf der Straße, man muss es sich nur schnappen. Allerdings entwickelt Abdullah, der sich nonchalant nur Ab nennt, ein ungeahntes Maß an Ungeschick. Mit großem Enthusiasmus wirft er sich in seine Projekte und versucht, nicht zuletzt auf Drängen seines Vaters (Najob Amhali) und vor allem seines älteren Bruders (Salah Eddine Benmoussa), eine anständige Arbeit zu finden. Von den Kumpels, wird er schon geschmäht dafür, dass er stolz gebrüstet in einem schicken Anzug in die Bank marschiert – der Inbegriff des europäischen Spießers! Das kann mit einem Lebemann wie Ab nicht lange gut gehen, und so kommt er bald auf einen Plan zurück, den er mit seiner Bande schon länger geschmiedet hatte. Warum nicht den Zugang zur Bank nutzen und diese gleich um ihr Geld erleichtern? Gesagt, getan. Aber auch Bankräuber ist ein anstrengender Job, der Planung und Disziplin verlangt, wie das Quartett auf unangenehme und für den Zuschauer sehr amüsante Weise feststellen muss.
Nebenbei macht die Familie auf allen Fronten Stress. Abs großer Bruder, der sich in einer Fassade trauter Bürgerlichkeit als anständiger Beamter offenbar vollkommen akklimatisiert hat, hält Moralpredigten, während die einzige Tochter des Hauses Leila (Touriya Haoud) den Streik ausruft und unter ihren tugendhaften Verschleierungen selbst entworfene scharfe Klamotten trägt. Dem beständigen Werben eines Frauenhelden und noch dazu blonden Niederländers gibt sie zögerlich nach. Das Gewebe der marokkanischen Gebräuche reißt an allen Ecken und Enden, die auch nicht in jeder Hinsicht einigen Eltern stehen kurz vor dem Nervenzusammenbruch. Abdullah zieht für sich die Konsequenz, nach Marokko zu fahren, um sich dort nach dem Wunsch des Vaters eine Braut zu suchen. Selbstverständlich wartet die Hochzeitsfeier mit allerlei Überraschungen auf.
Ab glaubt man seine Wendungen gerne, weil Mimoun Oaïssa der Figur, die er selbst mit entworfen hat, trotz einiger Albernheiten mit seiner großen Spielfreude Glaubwürdigkeit verleiht. Der anfängliche Slapstick bekommt während der Handlung vermehrt Tiefe, ohne dabei in eine belehrende oder klagende Haltung zu verfallen. Selbstironie und dramatische Suchbewegungen aus der überall lauernden Krise halten sich die Waage. Dass man die verschiedenen Rollen ins Herz schließt ist vor allem einem Ensemble zu verdanken, das sich die Bälle zuwirft. An manchen Stellen läuft ter Heerdt Gefahr, Klischées allzu stark zu bedienen. Glücklicherweise gleicht er dies durch Charakterzüge bei einzelnen Personen geschickt aus. Jede der vielen Figuren trägt einen eigenen Aspekt in das Geschehen hinein und verhindert dadurch Kategorisierungen. Hinter den auf den ersten Blick typischen Rollenbildern schält sich häufig eine eigene Persönlichkeit mit anderen Schichten als der nach außen hin präsentierten heraus, auch bei den Nebenrollen. Gemeinsam ist ihnen bei aller Verschiedenheit, dass sie mutig und zugleich verletzlich sind, aber nie ihren Sinn für Humor verlieren. Kurioserweise ist es wiederholt der jüngste Zögling, der die Balance zwischen Tradition und Moderne herzustellen vermag, indem er sich schlicht und ergreifend auf das Menschliche besinnt und die Familienmitglieder an universelle Regeln des Zusammenlebens erinnert.
Damit wagt die Geschichte den Schritt aus der Fokussierung auf die „Anderen“, die Einwanderer, heraus und offenbart auch bei den Gastgebern, den Niederländern, durchaus Züge, die so zunächst nicht vermutet werden. Für einen tieferen Blick lässt sich ter Heerdt jedoch selten Zeit und der Kamera wenig Raum. Vorrangig ist der Rhythmus der turbulenten Komödie, in der es Schlag auf Schlag geht und die Ereignisse im Vordergrund stehen. Man kann es als symptomatisch werten, dass der in einem abgelegenen Ort in Marokko spielende Part der weitaus elegischere ist, in dem die Bilder sprechen und die Menschen den Mund halten können, wenn Wichtiges auch ohne Worte verhandelt werden kann. Sympathisch ist vor allem, dass eindimensionale Antworten auf die für keine Seite einfache Integration von Migranten und Landsleuten verweigert werden. Jeder kann und muss seinen eigenen Weg finden, sei es nun die Rückbesinnung auf die Tradition oder die Assimilation an das Neue. Die unvermeidlichen Reibungen dieser Prozesse im familiären Kosmos als Komödie aufzuziehen, funktioniert vor allem deshalb so gut, weil sich in diesem Mikrokosmos die Probleme konzentrieren und konkret werden und natürlich, das Thema in der Realität meist nicht zum Lachen ist. Umso befreiender ist es, im Kino einen humorigen Blick auf das Geschehen vorgeführt zu bekommen. Das Rezept ist durchaus bewährt und funktioniert auch an den Kinokassen hinlänglich gut. Hätte sich das Buch den einen oder anderen billigen Scherz verkniffen, hätte das dem Unterhaltungswert auf gesteigertem Niveau keinerlei Abbruch getan.