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    Exiled
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Exiled
    Von Robert Cherkowski

    Mitte der 80er Jahre revolutionierten Regisseure aus Hongkong das Actionkino. Angeführt von John Woo entstanden Pathos-getränkte Fabeln von Ehre, Männerfreundschaften und blutigen Schwüren. Irgendwo zwischen der wehmütigen Gewaltpoesie eines Sam Peckinpah, dem abgeklärten Strukturalismus eines Melville und der Hochglanzoptik des französischen „Cinema du Look" fand das Hongkong-Action-Kino der 80er zu einer eigenen Handschrift, der auch im Westen zahlreiche Anhänger fand. Neben Woo und dem etwas erdigeren Ringo Lam („City on Fire") konnte sich besonders der kreative Workaholic Johnnie To als Mann von Format behaupten. Schon damals spielte To mit den Regeln des Genres, während Woo immer größere und spektakulärere Actiondramen wie „The Killer", „Bullett in the Head" oder „Hard Boiled" drehte und Lam zynisch-brutale Neo-Noirs wie „Full Contact" auffuhr. Während diese beiden sich in den Neunzigern vorübergehend in die USA absetzten, blieb To seiner Heimat treu und verfeinerte seine Handschrift. Mittlerweile hat sich To zu einem der vielseitigsten Regisseure der Welt entwickelt, der von romantischen Komödien, bis zum düsteren Triadenthriller jedem Stoff seinen ganz persönlichen Stempel aufzudrücken vermag. Seinem einstigen Heroic-Bloodshed-Steckenpferd hat er jedoch nicht den Rücken gekehrt, was er 2006 unter Beweis stellte, als er dem Genre mit „Exiled" ein Denkmal setzte.

    Einst waren die tollkühnen Pistoleros Blaze (Anthony Wong), Fat (Suet Lam), Tai (Francis Ng), Cat (Roy Cheung) und Wu (Nick Cheung) beste Freunde und ein schlagkräftiges Team, das sich in der Unterwelt Hongkongs durchschlug. Die gute alte Zeit ist jedoch vorbei und so finden sich die Helden von einst im Exil in Macao wieder. Doch die Wiedersehensfreude ist nicht groß, den die einstigen Freunde sind nun Gegner: Blaze und Fat stehen im Dienste des schmierigen Unterwelt-Bosses Fay (Simon Yam), der seinen einstigen Hitman Wu töten lassen will, als dieser daran denkt, sich mit Frau (Josie Ho) und Kind aus dem Geschäft zurück zu ziehen. Während Blaze und Fat Wu töten sollen, sind Tai und Cat zu seinem Schutz engagiert. Nach einer Bleihaltigen Begrüßung beschließen die Recken, sich lieber gegen Fay zu verbünden.

    „Exiled" ist Retrokino vom allerfeinsten und schafft es dabei, die goldene Zeit des Hongkong Actionkinos zu evozieren, ohne in schmierige Sentimentalität abzudriften. Seine Qualitäten zeigen sich unter anderem daran, dass er seine komplizierte Geschichte spielerisch leicht wirken lässt. Tos Heroic-Bloodshed fühlt sich kompakt und nie gehetzt an, gibt seinen Protagonisten Raum zur Entfaltung, ohne je seine Dynamik zu verlieren. Einmal mehr stellt To dabei seine Fähigkeit unter Beweiss, ein großes Ensemble zu inszenieren, ohne dass dabei einzelne Darsteller ins Hintertreffen geraten. Und so ist „Exiled „ auch eine Art Klassentreffen von Tos Stammschauspielern.

    Anthony Wong gibt den Anführer des asiatischen „Wild Bunch", während Nick Cheung als Wu überzeugend den Leidenden gibt. Lam Suet ist wie immer für den Comic-Relief zuständig und Simon Lam spielt einen schmierigen Bösen der alten Schule, den man einfach hassen muss. Ein jeder von ihnen bekommt Spleens, Eigenarten, Fehler und Tugenden spendiert, ohne dass es je geschwätzig oder langweilig wird. Selbst die latente Frauenfeindlichkeit, die dem von verklemmt-homoerotisch aufgeladenen Männerbündeleien durchzogenen Genre immer wieder vorgeworfen wird, wird hier auf ungeahnt intelligente Art gespiegelt: So spielt Josie Ho als Wus gebeutelte Frau eine starke Rolle, die den Gangsterposen der versammelten Herrenriege von Anfang an skeptisch gegenüber steht und eher auf Flucht, denn auf Heldentod besteht. Doch sie hat die Rechnung ohne die Kindsköpfe gemacht, die sich hier auf allen Seiten versammelt haben und für die das Kugelballett ein Spiel ist, das sie nicht auslassen wollen.

    Und man muss sagen: Zum Glück. Denn bei allen Qualitäten ist das Herz des Films natürlich die erlesen choreographierten Actionszenen. Allein die Szene, in der das gesamte Ensemble Fronten in einem von dicken Rauchschwaden vernebelten Restaurant aufeinander trifft, glänzt mit einer Perfektion, die sprachlos macht. Obwohl weder der Zuschauer noch die Protagonisten genau wissen, wer Freund und wer Feind ist, hypnotisiert To mit einer Atmosphäre extremer Anspannung. Worte, Gesten und leise Blicke machen klar, dass hier ein jeder zu allem fähig ist und es jeden Moment zu einer Explosion der Gewalt kommen kann. Wenn sich dann innerhalb von Sekunden die Fronten mehrmals wenden, ist die Gänsehaut groß. Ähnlich wie Meisterregisseur Sergio Leone, dem hier offen Tribut gezollt wird, weiß auch To, dass es nichts spannenderes gibt als die Ruhe vor dem Sturm. Wenn dieser jedoch ausbricht, brennt die Luft.

    Doch so bleihaltig die Shootouts sind und der Film sich sein FSK-18-Rating mehr als verdient hat, ist „Exiled" alles andere als ein brutaler, oder gar menschenverachtender Film. Wenn die Kugeln fliegen und Körper durchbohren entsteht ein Todesballett von morbider „Schönheit", bei dem selbst das Blut wirkt wie gemalt. Wenn die letzte Kugel verschossen wurde, der letzte Held in Zeitlupe zu Boden gegangen ist und sich der Pulverdampf der letzten Kugel verzogen hat, ist mit „Exiled" auch das Heroic-Bloodshedkino und damit auch eine Ära des HK-Genre-Kinos beendet. Ein schöneres Ende kann man sich nicht vorstellen.

    Fazit: „Exiled" ist der filmgewordener Liebesbrief an das Heroic-Bloodshed-Genre und seine Helden. Ohne in staubtrockenes Meta-Kino abzudriften zelebriert Johnnie To hier alles, was das Genre ausmacht.

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