Die schlechte Nachricht für alle Gorehounds zuerst – Sony hat die erbitterte Schlacht mit der FSK schlussendlich doch verloren, Eli Roths Horror-Sequel „Hostel 2“ wird nun doch nur geschnitten in die deutschen Kinos kommen. Trotz mehrmaliger Einreichung und Widerspruchverfahren hat die FSK eine Freigabe ab 18 Jahren für die Uncut-Fassung konsequent verweigert. Da vorab in Pressevorführungen nur die in amerikanischen Kinos gestartete Version zu sehen war, basiert die folgende Kritik dennoch auf der ungeschnittenen US-Fassung des Films. Des weiteren enthält die Rezension einige Spoiler, die sich jedoch größtenteils auf die Gore-Szenen des Films beschränken.
Bevor Eli Roths (Cabin Fever) zweiter Spielfilm Hostel 2005 in die Kinos kam, breitete sich dessen blutrünstiger Ruf schon vorab wie ein gedoptes Lauffeuer aus. Viele erwarteten, vom gigantischen Hype angesteckt, plötzlich nicht weniger als einen der härtesten Filme aller Zeiten. Doch diese Erwartung wurde enttäuscht, Hostel entpuppte sich als weitaus „harmloser“, aber dafür auch - dank der mit vielen, vielen Brüsten angereicherten American Pie-Variante zu Beginn - als weitaus unterhaltsamer als gedacht. Bei „Hostel 2“ liegt der Fall nun genau andersherum. Der zweite Teil des Schlachtfests ist nämlich definitiv keine Mogelpackung mehr, was hier an Folter- und anderen Goreszenen aufgefahren wird, schießt über so manches Ziel hinaus. Zugleich hat „Hostel 2“ abseits der fraglichen Sequenzen allerdings kaum noch etwas zu bieten. Zwar versucht er sich in der ersten Dreiviertelstunde noch mit einigen kritischen politischen Anspielungen und bitterer Ironie über Wasser zu halten, aber genau wie die Story insgesamt verlaufen sich auch diese Ansätze mit Beginn der Foltersessions im Sande. Plötzlich bestimmen nur noch eimerweise Blut und erhebliche dramaturgische Längen den Gesamteindruck.
Die drei jungen Amerikanerinnen Beth (Lauren German), Lorna (Heather Matarazzo) und Whitney (Bijou Philips), die gemeinsam in Rom Kunst studieren, planen zur Entspannung einen Wochenendtrip nach Prag. Doch noch im Zug werden sie von einer Bekannten, der wunderhübschen Axelle (Vera Jordanova), dazu überredet, stattdessen doch lieber ein exotisches Spa in der Slowakei zu besuchen. In Bratislava angekommen, finden die drei Unterschlupf in einer beschaulichen kleinen Jugendherberge (Hostel), die sich jedoch schon bald als wahre Todesfabrik entpuppt, in der sich priviligierte Perverse ihre abartigsten Killer-Träume erfüllen können... Der amerikanische Geschäftsmann und Hobbyprolet Todd (Richard Burgi) hat für seinen besten Freund, den etwas zurückhaltenden Stuart (Roger Bart), in diesem Jahr ein ganz besonderes Geburtstagsgeschenk in petto. Er hat für Stuart und sich zwei jugendliche Amerikanerinnen ersteigert, die in einer Jugendherberge in der Slowakei nur darauf warten, von den beiden genüsslich zerstückelt zu werden...
Roth hat in Interviews im Verlauf der Promotion zu Hostel immer wieder die politischen Parallelen betont, die er zwischen seinem Film und etwa den Vorgängen in Guantanamo sieht. Doch wenn man ehrlich ist, muss man zugeben, dass keine dieser Parallelen in Hostel wirklich kritisch zuende gedacht wurde. Diese Schwäche des ersten Teils scheint Roth nun zu Beginn des zweiten wieder gut machen zu wollen. Zumindest räumt er der kritisch-politischen Ebene erheblich mehr Raum ein: Zunächst einmal, indem er Paxton (Jay Hernandez), den überlebenden Rucksack-Touristen aus dem ersten Teil, wieder auftreten lässt. Statt über die Vorgänge mit der Polizei oder sonst wem zu reden, hat Paxton sich in einem abgelegenen Haus versteckt, weil er – zu recht!!! - befürchtet, dass die Arme der Mächtigen überallhin reichen. Weiter erzählt Roth die sich im Großen und Ganzen eins zu eins wiederholende Story diesmal nicht nur aus der Sicht der entführten Studentinnen, sondern auch aus der zweier amerikanischer Klienten, die die Mädchen bei Elite Hunting ersteigert haben. In vielen Momenten wird so die Bigotterie und Verlogenheit der amerikanischen, auf Saubermann machenden Gesellschaft oftmals stimmig angeprangert. Vor allem die Sequenz, in denen man zahlreichen wohlhabenden Männern und Frauen, vom fürsorglichen Familienvater bis hin zum notgeilen Opa, dabei zusieht, wie sie parallel zu alltäglichen Beschäftigungen an ihren Handys um das Leben eines jungen Mädchens mitbieten, sticht hier positiv heraus. Man hat so zwischenzeitlich gar das sichere Gefühl, dass dieser Ansatz diesmal nun wirklich aufgehen könnte.
Doch dann nimmt die erste explizite Gewaltszene die Leinwand in Beschlag. Lorna hängt kopfüber gefesselt über einer ausladenden, weiß gekachelten Wanne, während ihr eine nackte Schönheit mit einer Sichel die Kehle durchtrennt, um sich anschließend in dem herausspritzenden Jungfrauenblut zu suhlen. Der amerikanische Kritiker David Poland meinte hierzu in seiner Rezension, dass für ihn Eli Roth in dieser Szene einen Teil seiner Menschlichkeit verloren habe. Verübeln mag man ihm diese harsche Kritik kaum – viel zu sehr erlabt sich nicht nur die Killerin, sondern auch der Film selbst an der perversen Orgie. Ob Eli Roth nun einfach ein phantsievoller Filmemacher ist, oder er durch seine Werke doch nur eigene Perversionen auslebt, lässt sich hier wohl kaum endgültig klären. Allerdings bleibt auf jeden Fall festzuhalten, dass der Film ab dieser Sequenz alles andere konsequent den Foltersessions unterordnet. Die politischen Ansätze verlieren sich in plakativen Oberflächlichkeiten, und die zuvor durchaus in annehmbaren Maßen vorhandenen Qualitäten Spannung und Humor gehen ebenso flöten.
Erst vor kurzem hat Eli Roth sinngemäß gesagt, er werde sich nicht weiter an dem Wettbewerb einiger Filmemacher um den ekligsten und härtesten Film beteiligen, sondern in „Hostel 2“ stattdessen mehr Wert auf Atmosphäre und Stimmung setzen. Man mag nach dem Kinobesuch von „Hostel 2“ kaum glauben, dass er diese Aussage ernst meinte, aber wenn doch, versteht Roth von seinem Handwerk nicht die Bohne. Es gibt im ganzen Film lediglich zwei ganz nett inszenierte Szenen, die trashige, vom Schnitt her ein wenig an die Ocean´s Eleven-Streifen erinnernde Handyauktion und eine leicht surreal anmutende Slasher-Szene in einer Art Freibad. Ansonsten herrscht auf der filmischen Ebene durchgehend akute Ideenarmut. Zumindest einige der Energien, die er in seine Folterszenarien investiert hat, hätte Roth lieber darauf verwenden sollen, einen nicht nur vom Blutgehalt ansprechenden Film abzuliefern. Erschwerend hinzu kommt dann noch, dass Roth es in keiner Sekunde gelingt, echtes Interesse für seine Figuren zu erzeugen. Weder für die klischeehaften kreischenden Studentinnen noch für die plakativen amerikanischen Hobbyschlachter hat man als Zuschauer sonderlich viel übrig. Schwacher Film plus Desinteresse ergeben auch bei „Hostel 2“ über weite Strecken vor allem eins: Langeweile.
Da auch die geschmacklosen Folterszenen ohne jede Atmosphäre oder echte Spannung auskommen, stören sie eher, weil sie einen vom Durchlafen abhalten. Aber die Geschmacklosigkeiten an sich stellen sicherlich kein Problem da, vielmehr gehören solche Szenen einfach in einen cheesy Exploitation-Streifen à la Hostel. Allerdings gibt es in „Hostel 2“ zumindest eine Szene - und zwar jene, an der auch die FSK den größten Anstoß genommen hat - welche das Maß einer einfachen Geschmacklosigkeit klar überschreitet: „Elite Hunting“-Boss Sasha (Milan Knazko) steht vor einer Gruppe 8-10-jähriger Gangmitglieder, die sich in einer Reihe aufgestellt haben. Langsam fährt er mit dem Lauf seiner Pistole an den Köpfen der Kinder vorüber. Als er fertig ist, hält er einen Finger hoch, um der Gang anzuzeigen, dass er einen von ihnen als Strafe verlangt. Die Kinder schuppsen ganz natürlich einen aus ihrer Truppe nach vorne, der von Sasha sofort exekutiert wird. Anschließend ziehen alle ohne mit der Wimper zu zucken von dannen, für die Kids ist Mord und Totschlag das Normalste auf der Welt. Natürlich versucht Roth sich mit dieser Szene einmal mehr an sozial-politischem Horrorkino - aber er tut es auf eine so dummdreiste Art, dass man eigentlich nur noch mitleidig mit dem Kopf schütteln kann. Zum einen passt die Szene gar nicht in die Story, wirkt irgendwie mutwillig reingequetscht. Weiter ging einem die Charakterisierung der Osteuropäer als moderne Wilde schon im ersten Teil auf den Geist. Und schließlich geilt sich die Kamera selbst so sehr an dieser Szene auf, dass man jeden kritischen Subtext einfach als verlogen entlarvt sehen muss.
Fazit: „Hostel 2“ ist Torture-Porn in Reinkultur - seine Spannung zieht er einzig und allein aus der „Hoffnung“ des Publikums auf die nächste, noch härtere Gore-Szenarie. Da einige Szenen dabei die Grenze zwischen einer einfachen Geschmacklosigkeit (wie sie im ersten Teil zu Hauf vorkamen) und purer Abartigkeit klar überschreiten, kann man dem über weite Strecken langweilenden „Hostel 2“ das Prädikat „Unterhaltungsfilm“ so kaum mehr verleihen. Wem schon eine Handvoll ultraharter Szenen das Eintrittsgeld wert sind, oder wer den Kinobesuch auch gerne mal als Mutprobe betrachtet, mag einen Blick riskieren. Wer hingegen einen unterhaltsamen Horrorabend verbringen will, sollte sich anderweitig umschauen.