Zunächst einmal sei an dieser Stelle eine kleine Anekdote erlaubt. Die Eindeutschung fremdsprachiger Filmtitel fördert mit schöner Regelmäßigkeit absolut dämliche Ergebnisse zu Tage. Das ist zwar traurig, aber daran haben wir uns ja auch mittlerweile gewöhnt. Doch was die Herren und Damen mit dem deutschen (!) Filmtitel „Barfuss“ verbrochen haben, ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten. Schlimm genug, dass im gesamten Produktions- und Verleihteam scheinbar niemand der deutschen Sprache mächtig ist. Aber dass auch niemand in der Lage ist, einen Duden in die Hand zu nehmen, schießt dann endgültig den Vogel ab. Ist das noch zu überbieten? Ja, ist es. Auf einen diesbezüglichen Hinweis unsererseits entgegnete uns ein äußerst kompetenter Mitarbeiter von Buena Vista, dass bei einer kurzen Recherche im Internet beide Schreibweisen gefunden und die Werbemittel ohnehin schon gedruckt wurden. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Doch sei’s drum. Man muss ja nicht jeden Quatsch mitmachen. Bei uns heißt „Barfuss“ immer noch „Barfuß“. Zumindest bis zur nächsten Rechtschreibreform. Und damit Basta!
Kommen wir nun zum eigentlichen Film. Worum geht es in „Barfuß“ eigentlich? Nick (Til Schweiger) ist ein Versager wie er im Buche steht. Sein Verschleiß an Jobs entspricht in etwa dem von Unterhosen eines Normalsterblichen. Auch seinen neuesten Job als Lakai des Hausmeisters (Jürgen Vogel) in einer Nervenheilanstalt behält er gerade einmal einen Tag, bevor er erneut vor die Tür gesetzt wird. Doch immerhin hat er an diesem Tag eine gute Tat vollbracht. Er hat den Selbstmord der jungen Leila (Johanna Wokalek) verhindert. Diese wurde 19 Jahre lang von ihrer panischen Mutter von der Außenwelt versteckt gehalten und ist entsprechend unfähig, den hektischen Alltag in einer Großstadt wie München zu bewältigen. Doch zu Nick fühlt sie sich sofort hingezogen. Sie schleicht sich (vorbei am schnarchenden Nachtwächter!) aus der geschlossenen Anstalt und folgt ihrem Retter. Und da wir ansonsten einen ziemlich kurzen Film hätten, erleben die beiden allerlei Abenteuer…
Er ist also wieder da, der Schweiger-Tilly. Zurück aus dem Staate Hollywood, wo er glorreichen Produktionen wie „Driven“, „Lara Croft Tomb Raider - Die Wiege des Lebens“, „King Arthur“ und „Deuce Bigalow: European Gigolo“ seinen Stempel aufdrücken konnte. Kinodeutschland hat einen seiner so großen Helden also wieder zurück… (Bitte jetzt applaudieren oder die Ironie dieser Worte nüchtern zu Kenntnis nehmen). Und da dem Til wohl gerade ziemlich langweilig war, hat er „Barfuß“ aber so richtig unter seine Fittiche genommen. Hauptdarsteller, Regisseur, Co-Produzent, Co-Drehbuchautor und Co-Cutter. Langweilig wurde es dem gebürtigen Freiburger sicherlich nicht. Immerhin hat er Catering und Make-up anderen überlassen. Doch jetzt mal ernsthaft: Manches ist ihm gut gelungen, anderes eben weniger…
Beginnen wir bei der Geschichte. Diese ist – nun ja – recht eigen und verlangt vom Zuschauer viel, viel guten Willen. Beispiele gefällig? Nick sitzt beim Arbeitsamt… pardon, in der Bundesagentur für Arbeit. Der Beamte ihm gegenüber rechnet vor: „Herr Keller, acht Jobs in drei Monaten. Ich glaube, Sie haben ein Autoritätsproblem. Sie suchen einen neuen Job? (Es folgt eine Pause mit anschließendem Rascheln). Vorstellungsgespräch heute Nachmittag um drei. Machen Sie sich fertig.“ Und damit noch nicht genug. Der liebe Herr Beamte ruft auch noch einmal bei Nick zuhause an und weist ihn darauf hin, dass er sich auch brav schick anziehen soll. Wie soll der Zuschauer auf so etwas nur reagieren? Soll er lachen, weil das nicht ernst gemeint sein kann? Soll er weinen, weil ihm das vollkommen ernst rüber gebracht wird? Oder soll er sich einfach nur veräppelt vorkommen? Auch mit dem Humor ist es so eine Sache. Vieles zielt einfach nur auf die kindliche Naivität von Leila ab. Wenn Nick ihr sagt, dass sein Stiefvater Heinrich (Michael Mendl) einen Stock im Hintern hat, dann ist das natürlich ernst zu nehmen. Und wie die sich auf dem Straßenstrich verirrte Leila einem Freier einen blasen würde, kann sich auch jeder ausmalen.
Doch ganz so schlimm ist das Gesehene dann doch nicht. Auf Nicks und Leilas wahnwitziger Reise zur Hochzeit seines Bruders Viktor (Steffen Wink) nach Hamburg, kommt tatsächlich Stimmung auf. Das ist zu einem großen Teil der Verdienst der wundervollen Johanna Wokalek („Aimée & Jaguar“). Die junge Mimin ist – obwohl schon mehrere Jahre im Geschäft – eine echte Entdeckung. So aberwitzig die Geschichte an sich auch sein mag, Wokalek gelingt es tatsächlich, Nicks Beschützerinstinkt glaubhaft zu machen. Auf dieses Wesen muss man(n) einfach aufpassen. Und Til Schweiger? Der ist eben Til Schweiger. Trotz einiger Hits wie „Der bewegte Mann“ oder „Knockin’ On Heavens Door“ war er ja eigentlich noch nie ein wirklich richtig guter Schauspieler. Allerdings darf attestiert werden, dass „Barfuß“ im Vergleich zu seinen richtig albernen Auftritten ein deutlicher Schritt nach vorne ist. Das ist natürlich relativ zu sehen, aber immerhin etwas.
Was „Barfuß“ allerdings gänzlich abgeht (und hierfür muss nun der Regisseur Schweiger verantwortlich gemacht werden), ist jedwede Form des Individualismus. Neues bietet Schweiger seinem Publikum in seiner zweiten Regiearbeit nach „Der Eisbär“ nicht. In einer wirklich nett gemachten Jahrmarktsequenz wird ausgerechnet Leonard Cohens genialer Ohrwurm „Hallelujah“ eingespielt - diesmal von Rea Garvey interpretiert. Wie gesagt, das ist nett. Aber erst im vergangenen Jahr hatten wir das schon einmal. In Hans Weingartners „Die fetten Jahre sind vorbei“. Und zwar wesentlich besser in der Version von Jeff Buckley. So ist „Barfuß“ ein Film, der niemandem wirklich weh tut. Böse sein muss man auch keinem der Beteiligten. Aber unterm Strich ist der Film trotz einiger guter Ansätze (habe ich die bezaubernde Johanna Wokalek schon erwähnt?) nicht mehr als Mittelmaß. Eine romantische Komödie ohne Ostereier in der… ach, lassen wir das…