Die Schulzeit: Für viele mehr als ein Jahrzehnt ihres Lebens, das sie mit ihren Freunden verbacht haben. Die meisten erinnern sich noch gerne daran und je länger dieser Lebensabschnitt zurückliegt, desto idealer und besser erscheint er. Die guten Zeiten beginnen zu überwiegen und die schlechten erscheinen nicht mehr ganz so schlimm. Helmut Weiss’ Pennäler-Komödie „Die Feuerzangenbowle” erschien 1944, im vorletzten Jahr des Zweiten Weltkrieges. An der Oberfläche lässt sich davon nichts anmerken. Aber genau wie der Hauptcharakter flüchtet auch der Zuschauer in eine heile Welt zurück, die er am liebsten nie verlassen hätte...
„Und nun, meine Herren, sollen sie auch den Anlass erfahren: Heute Nachmittag habe ich unseren lieben alten 'Pavian' begraben. Bitte nicht zu lächeln. Er hieß eigentlich Schmitz und war unser Lateinlehrer. Er hat uns mit Cäsar und Horaz gefüttert, wir haben ihm dafür Knallplätzchen unter das Katheder gelegt. Nun hat er Ruhe vor seinen bösen Buben. Wir trinken auf sein Andenken!”
Bei einer Runde Feuerzangenbowle mit seinen Freunden offenbart Dr. Johannes Pfeiffer (Heinz Rühmann; „Kleider machen Leute“, „Der Hauptmann von Köpenick“, Es geschah am hellichten Tag), seines Zeichens bekannter Schriftsteller, dass er niemals auf eine öffentliche Schule gegangen ist, sondern nur Privatunterricht bekommen hat. Die Freunde können kaum glauben, dass der selbstsichere Schriftsteller diese schöne Zeit nie erlebt haben soll und kommen auf die Idee, man könnte ihn einfach wieder zur Schule schicken. Weg mit dem Bart, dem Monokel und dem geschniegelten Anzug, rein in die Pennäler-Klamotten. Mit Nickelbrille und Primanerhut mischt sich Pfeiffer unter die Oberstufenschüler eines kleinstädtischen Gymnasiums, um all das nachzuholen, was er in seiner Jugend versäumt hat. Aber um von Dr. Johannes Pfeiffer zu Pfeiffer, dem Klassenclown zu werden, muss mehr geschehen als nur ein Kleiderwechsel. Nun kann er seine leicht arrogante Art abglegen, mal kindisch sein und Streiche spielen, die ihm sonst nie in den Sinn gekommen wären.
„Die Feuerzangenbowle” mag über 60 Jahre alt sein, der Kern der Geschichte bleibt jedoch zeitlos. Der Wunsch, zurückkehren zu können in die Schule, den werden viele für immer haben, nicht zuletzt die Lehrer selbst. Obwohl die Klassenräume mit den Holzböden, dem Katheder und den schweren Bänken längst ausgemustert sind, die Streiche und die Gespräche der Schüler untereinander bleiben dieselben, was wohl einen Großteil des Erfolgs dieser Komödie ausmacht. Der andere Teil ist natürlich Heinz Rühmann, der den „Pfeiffer mit drei F” mit einem unvergleichlichen Witz und einem jugendlichen Charme spielt, der den gesamten Film in eine fröhliche Stimmung taucht. Seine 41 Jahre sieht man ihm nur in wenigen Szenen an. Vor allem dann, wenn Dr. Pfeiffers Geliebte Marion (Hilde Sessack) auftaucht und ihm Vorwürfe macht, sich in der Kleinstadt zu verstecken und Rühmann zwischen seinen zwei Identitäten hin- und herwechselt.
„Du weißt natürlich ganz genau, dass jetzt dein großer Auftritt kommt in der Komödie, die wir voreinander spielen. Du wirst mich fragen, ob ich verrückt bin. [...] Dann wirst du mir klarmachen, dass meine literarischen Studien in der Kleinstadt nur eine Ausrede sind, dass es in Wirklichkeit eine Flucht ist, vor der Welt, vor dir, vor mir selbst, dass mir in Berlin die Felle schwimmen gehen, dass meine Premiere in Gefahr ist und dass mein Verleger und der Minister und die deutsche Literatur und so weiter und so weiter ... Alles ganz gut und richtig. Und ich werde dich ausreden lassen, denn ich bin höflich, ich höre deine Stimme gern, aber dann werde ich dir antworten. Meine Rolle ist klein und hat nur einen Satz: Ich fühle mich hier ... sauwohl.” (Pfeiffer zu Marion)
Nicht nur Pfeiffer schwammen damals in Berlin die Felle davon, der ganzen Nation ging es so. Nachdem „Die Feuerzangenbowle” zunächst als „respektlos vor den Autoritäten” betitelt von der Reichszensurbehörde auf den Index gesetzt wurde, ging Rühmann persönlich mit einer Kopie des Films zum Führerhauptquartier und veranlasste Hermann Göring dazu, das Verbot aufzuheben. Heinz Rühmann wird oft vorgeworfen, dass er seine Karriere als Schauspieler im Dritten Reich hatte sichern wollen. Auf Druck des Regimes ließ er sich 1938 von seiner halbjüdischen Frau scheiden, die daraufhin nach Schweden auswandern durfte. Zum Zeitpunkt der Filmpremiere waren bereits einige Schauspieler im Krieg gefallen. Selbst das Hinauszögern der Dreharbeiten, das andauernde Wiederholen von Szenen bis zur Perfektion konnte das nicht ändern.
Die Bedeutung des Films zur damaligen Zeit ist klar: Einerseits wird der Zuschauer in eine andere Welt entführt, eine makellos schöne Welt, um von den Schrecken des Krieges abzulenken. Andererseits kehrt man am Ende doch wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Wahr ist schließlich nur die Feuerzangenbowle. Es handelt sich also um eine „Was wäre wenn”-Geschichte. Die Figuren sind deshalb auch keine differenzierten Charaktere, sondern stark überzeichnete Stereotypen. Die Lehrer Bömmel (Paul Henckels), Crey (Erich Ponto) und Brett (Lutz Götz) zum Beispiel stehen für die verschiedenen Erziehungsstile liberal, demokratisch und autoritär, von denen sich aber nur der letzte bei den Schülern wirklich durchsetzen kann.
„Junge Bäume die wachsen wollen muss man anbinden, damit sie gerade wachsen und nicht nach alle Seiten ausschlagen. Und genauso ist es mit den jungen Menschen. Disziplin muss das Band sein, dass sie bindet, zu schönem, geraden Wachstum.” (Brett)
An dieser Stelle werden sicherlich einige Kritik an „versteckter Ideologie” anbringen wollen, aber strenge Lehrer mit ähnlichen Ansichten wird es immer wieder geben. Das Streichespielen der Schüler ist doch nur ein Ausloten, wie weit sie beim jeweiligen Pauker gehen können und strengen Lehrern spielt man meistens nur einmal einen. Zudem bekommt Brett mit Pfeiffer als Hauptperson einen genügend starken Gegenpol verpasst. Pfeiffer der Chaot wirft dessen autoritäre Erziehung komplett über den Haufen. Er hat von Anfang an die Fäden in der Hand – denn niemand konnte ihm etwas vormachen oder befehlen.
„Die Feuerzangenbowle” ist also ein Unterhaltungsfilm, der wegen seiner zeitlosen Geschichte immer noch wunderbar funktioniert. Obwohl Lehrern Streiche gespielt werden, Pfeiffer die Lehrer nachäfft und der Autorität etwas vormacht, wer kann es ihm verübeln? Wie es schon am Anfang heißt: „Dieser Film ist ein Loblied auf die Schule, aber es ist möglich, dass die Schule es nicht merkt.”