Das Thema Entwicklungshilfe und die Schicksale von Entwicklungshelfern und ihren Schützlingen gewinnen filmisch immer mehr an Prestige. Der afrikanische Kontinent steht dabei besonders im Vordergrund. Nicht so im Drama „Nach der Hochzeit“ von Susanne Bier, welches in diesem Jahr auch für den Oscar als bester Nicht-englischsprachiger Film nominiert wurde.
Denn die in Indien spielenden Handlungselemente des Dramas, in denen der dänische Entwicklungshelfer Jacob (Mads Mikkelsen) in einem Waisenhaus arbeitet, stehen eher als Handlungsrahmen für den eigentlichen Kern der Geschichte. Als Jacob auf der Suche nach Geldgebern zurück nach Dänemark reist, darf er auf Einladung hin beim erfolgreichen Geschäftsmann Jørgen (Rolf Lassgård) vorsprechen. Dieser nimmt ihn prompt zur Hochzeit seiner Tochter Anna (Stine Fischer Christensen) mit. Auf der Feier trifft Jacob überraschend seine Jugendliebe Helene (Sidse Babett Knudsen) wieder, die inzwischen mit Jørgen verheiratet ist. Als klar wird, dass Anna nicht nur Jørgens Stieftochter ist, sondern vom Alter her genau in die Zeit passt, in der Helene und Jacob noch zusammen waren, nehmen die familiären Verwicklungen ihren Lauf. Was auch gut und gern die Einleitung für eine heitere Familien-Komödie sein könnte, zieht die dänische Regisseurin Susanne Bier, die auch an der Entwicklung der Drehbuchidee beteiligt war, komplett anders auf. Jacob hat fortan nicht nur damit zu kämpfen, Jørgen zur Unterstützung seines Projekts in Indien zu überzeugen, sondern muss auch mit der neuen und beiderseits zunächst gänzlich ungewollten väterlichen Verantwortung klarkommen. Und Jørgen scheint ein undurchsichtiges Spiel aufzuziehen, mit dem er Jacobs Entscheidungen kontrollieren kann…
Das Setup dieses Familien-Dramas ist durchaus nicht neu, sondern bereits in unzähligen Filmen thematisiert und mit aller Sorgfalt abgegrast worden. Neu ist die Einbettung der Kerngeschichte in ein Entwicklungshilfe-Szenario, welches dem Protagonisten Jacob seine Motivation, ein Dilemma in seinem Verantwortungsgefühl und seine sympathische Seite gibt. Neben diesem Element gibt vor allem die Chemie der beiden männlichen Hauptdarsteller „Nach der Hochzeit“ seinen Drive. Mads Mikkelsen nimmt man den engagierten Entwicklungshelfer und unkomplizierten Kumpeltyp sofort ab. Der durch seine Rolle als Bondbösewicht Le Chiffre in James Bond 007 - Casino Royal bekannt gewordene Däne, der auch in King Arthur und dem dänischen Hit Adams Äpfel mitspielte, kann mit seinem markanten Gesicht in der Rolle des Jacob voll auftrumpfen und zeigt einen eigensinnigen und stolzen Menschen, der aber zu seiner Verantwortung steht.
Sein ebenbürtiger Gegenspieler ist Rolf Lassgård, der vielen Fernsehzuschauern als Kommissar Wallander in der gleichnamigen schwedischen Serie zu den Büchern von Henning Mankell bekannt ist. Seine Darstellung des Jørgen wandelt mühelos zwischen unkontrolliertem Wutausbruch und klarem Kalkül, ohne jemals überzogen oder unglaubwürdig zu wirken. Gerade Lassgård passt mit seinem nuancenreichen und akzentuierten Spiel hervorragend in die fast bedächtig wirkende, ruhige Erzählweise Biers.
Gerade diese besondere Stimmung jenseits aller Konflikte in der Handlung zu erschaffen, liegt der dänischen Allrounderin. Wie bei ihrem bisher bekanntesten Film von Brothers arbeitete sie bei „Nach der Hochzeit“ die Geschichte aus, die von Anders Thomas Jensen zu einem Drehbuch abgefasst wurde. Auch wenn die Auflösung von „Nach der Hochzeit“ in ihrer Storyline wohl kaum einen versierten Kinogänger überraschen - geschweige denn vom Hocker hauen - kann, ist er durchaus sehenswert. Das dänische Drama punktet einwandfrei mit der Leistung seiner gesamten Darstellerriege, welche die platt angelegte Offensichtlichkeit des Spannungsgefälles noch relativ gut kaschieren kann, und der Inszenierung durch seine Regisseurin - die auch bei der Auswahl der Musik für ihren Film ein sicheres Händchen beweist.
Bislang wurde „Nach der Hochzeit“ mit Nominierungen für Filmpreise überschüttet. Ob der Film die größte Auszeichnung, den Oscar als bester fremdsprachiger Film, gegenüber dem starken Mitbewerberfeld mit nach Hause nehmen kann, ist fraglich. Aber das sollte niemanden vom Kauf einer Kinokarte abhalten.