300.000 Übergewichtstote im Jahr in den USA und die Macht von McDonald’s und Konsorten haben schon Super Size Me-Macher Morgen Spurlock zum Nachdenken und Handeln gebracht. Zusätzliche 76 Millionen Lebensmittelvergiftungen waren, neben anderen, wohl ein Beweggrund für Richard Linklater, aktiv zu werden. Zusammen mit Autor Eric Schlosser verwandelte er dessen 2001 veröffentlichtes Sachbuch „Fast Food Nation“ in einen gleichnamigen Episodenspielfilm. Halb dokumentarisch, halb fiktiv richten sich Linklater und Schlosser dabei pünktlich zum frischen Gammelfleischskandal gegen die Machenschaften der massenhaft produzierenden Lebensmittelindustrie. Nicht nur zwischen den Zeilen, sondern meist ohne Umschweife und mit erstaunlich hohem Staranteil ist Linklater dabei auf verschiedenen Ebenen politisch. Vielleicht auf ein bisschen zu vielen und ein bisschen zu sehr, denn letztlich fällt „Fast Food Nation“ trotz seiner zweifellos wichtigen Message hinter frühere Werke des Regisseurs zurück, der in Before Sunrise den vielleicht besten Cliffhanger der Filmgeschichte inszenierte.
Don Henderson (Greg Kinnear, Little Miss Sunshine) ist stellvertretender Präsident der Marketingabteilung von „Mickey’s“, einer fiktiven Fast-Food-Kette, und stolzer Erfinder des Burgers „Big One“. Als Lebensmittelproben ergeben, dass sich Tierkot in den Hackfleischbratlingen befindet, wird er von seinem Chef in die produzierende Region an der Grenze zu Mexiko geschickt, um genaueres über die Herstellung zu erfahren. Die professionelle Führung durch die Fertigung des Fleischlieferanten lässt erwartungsgemäß ein makelloses Bild zurück und so beginnt Henderson auf eigene Faust zu forschen. Er interviewt den örtlichen Filialleiter, einen ansässigen Farmer (Kris Kristofferson, Pat Garrett jagt Billy The Kid) und kommt so nach und nach den erschreckenden Tatsachen auf den Grund. So laufen zum Beispiel die Fließbänder in der Fabrik mit zu hoher Geschwindigkeit, so dass es für die Arbeiter nicht immer möglich ist, die Innereien sorgfältig aus den Tieren zu entfernen und schnell nicht nur Fleisch in die Maschinerie gerät – von Arbeitsunfällen ganz zu schweigen. Die Arbeiter sind zu großen Teilen illegal eingewanderte Mexikaner, die unter widerwärtigen Bedingungen den schnellen Dollar machen wollen. Trotz des kargen Lohns entspricht ein Tagessatz etwa dem, was in Mexiko in einem Monat verdient werden könnte. Die Geschichte eine dieser Arbeiterinnen (Catalina Sandino Moreno, Maria voll der Gnade) und ihrer Schwester (Ana Claudia Talancón, Die Versuchung des Padre Amaro) spielt sich in einer der Parallelepisoden ab. Amber (Ashley Johnson) wohnt bei ihrer Mutter Cindy (Patricia Arquette, Lost Highway) jobbt neben der Schule bei Mickey’s. Als auch sie mehr von den zwielichtigen Machenschaften der Kette erfährt, kündigt sie und wird Mitglied einer Aktivistengruppe – motiviert von ihrem links angehauchten Onkel Pete (Ethan Hawke, Before Sunrise).
Diese einzelnen Erzählstränge sind bestenfalls lose miteinander verbunden, ohne dass diese Verbindung einen besonderem Zweck diente. Vielmehr wird hiermit eine gewisse Erwartungshaltung aufgebaut, die jedoch, wie die Geschichten einiger Figuren, sinnfrei ins Leere läuft. So verschwindet Don Henderson nach einem Gespräch mit dem Viehhändler Harry, gespielt von Bruce Willis, in einem der wenigen markanten schauspielerischen Momente des Films, spurlos von der Bildfläche, bis zum Abspann. Falls damit Hendersons Resignation ausgedrückt werden sollte, hätte man vielleicht besser einen anderen Weg gewählt, denn so bleibt vor allem eine gewisse Verwunderung ob des vermissten Charakters zurück.
Wie eingangs erwähnt, hält sich Linklater mit unbequemen politischen Statements durchaus nicht zurück, sondern verzettelt sich eher damit. Die Verantwortungslosigkeit des Fleischproduzenten gegenüber Natur und Mitarbeitern wird thematisiert und gipfelt in einer Szene, in dem die Berufsbezeichnung des „Human Ressources Manager“ so bitter und zynisch klingt wie kein zweites Mal. Daran schließt sich auch die Kritik einer offenkundigen Tolerierung der Ausnutzung der illegal eingewanderten Arbeiter an, dient sie doch der billigen Produktion des „All-American Food“ (Schlosser). Amerikanische Oberflächlichkeit bekommt ihr Fett ebenso weg wie das Wirken des derzeitigen Präsidenten: „Right now, I couldn't think of anything more patriotic than violating the Patriot Act,“ sagt einer der Aktivisten angesichts der Zweifel seiner Mitstreiter.
Neben den erzählerischen Schwächen lässt sich jedoch trotz Linklaters und Schlossers zweifellos löblicher Absichten eine Vermutung nicht ganz ausräumen. Zum Zwecke einer größeren Betroffenheit beim Zuschauer scheinen Dokumentation – einige Szenen im Schlachthaus wurden in einer echten Fabrik gedreht – und Ekeleffektheische ineinander über zu gehen. Zur Klarstellung: An den skrupellosen Taten der Lebensmittelindustrie für „a few more pennies a pound“ besteht kein Zweifel, ebenso wenig wie an der Notwendigkeit ihrer überfälligen öffentlichen Anprangerung. Das Klischee vom auf’s Salatblatt rotzenden Burgerbrater und das Zeigen vorbeiglibbernder Rindergedärme scheint in diesem Zusammenhang allerdings eher schädlich denn seriös zu sein. Denn letztlich werden somit nicht ihre Missstände, sondern die industrielle Lebensmittelproduktion als solche auf manipulative Weise in Misskredit gebracht. Deren Auslöschung ist wohl gleichermaßen illusorisch wie unnötig, ganz im Gegenteil zu der Beseitigung ihrer katastrophalen sozialen und ökologischen Effekte.
Auch die große Zahl an bekannten Darstellern im Ensemble hinterlässt ein Fragezeichen. Davon abgesehen, dass kaum eine der Figuren wirklich zu interessieren vermag, lenken die vielen bekannten Gesichter, gerade im Falle Bruce Willis’, doch eher ab, als dass sie die Glaubwürdigkeit unterstrichen. Insofern muss man wohl diesbezüglich die Hoffnung der Produzenten teilen, dass die Starbesetzung vor allem die Zuschauerzahlen in die Höhe treibt. Denn trotz aller Mängel des Films steht fest, dass die Maxime „Geiz ist geil“ wohl ganz besonders im Bereich der Lebensmittel auf Dauer einen gefährlichen gesundheitlichen Bumerang darstellt. Dem hat nur der aufgeklärte Verbraucher etwas entgegenzusetzen, um mit der Zeit dafür zu sorgen, dass sich Harrys brutal pragmatische und derzeit wohl traurig korrekte Sicht auf die Dinge als falsch erweist: „We all have to eat a little shit from time to time.“