Saw, The Hills Have Eyes, Hostel und Wolf Creek sind Beispiele für die härtere Gangart des neuen Horrorfilms. Während die genannten Filme allerdings zu den Perlen dieser Richtung gehören, stellt der No-Brainer „See No Evil“ von Ex-Porno-Regisseur Gregory Dark („New Wave Hookers“) und „WWF-Smackdown“-Autor Dan Madigan den Bodensatz dieses „Genres“ dar: überraschungsarm, dumm und uninspiriert.
Die erste Begegnung von Officer Williams (Steven Vidler) mit dem Serienkiller Jacob Goodnight (Glen Jacobs), dessen Spezialität das Entfernen der Augen seiner noch lebenden Opfern ist, ging für ersteren noch mal gut aus. Zwar verlor er eine Hand, doch kam er mit dem Leben davon. Zu diesem Zeitpunkt ahnte er noch nicht, dass es nicht das letzte Treffen mit dem hünenhaften Killer gewesen sein sollte. Vier Jahre später betreut Williams mit einer Kollegin eine Gruppe straffällig gewordener Jugendlicher, die im Rahmen ihres Resozialisierungsprogramms ein Hotel renovieren sollen. Natürlich haben Zoe (Rachael Taylor), Richie (Craig Horner), Michael (Luke Pegler), Kira (Samantha Noble), Melissa (Penny McNamee) und Christine (Christina Vidal) anderes im Sinn, als in dem heruntergekommenen Anwesen zu schuften. Manche machen sich deswegen auf die Suche nach einem Safe, der angeblich im Hotel versteckt sein soll, während die anderen ihrer Partylust frönen. Nicht lange nachdem in den ausgebrannten oberen Stockwerken die Leiche eines Unbekannten gefunden wird, müssen die Teenies um ihr eigenes Leben und ihre Augäpfel bangen.
Die internationale Kritik war vernichtend: „It's hard to believe that the distributors of ‘See No Evil’ were so afraid of what critics would say about their movie that they refused to provide advance screenings. The movie's target viewers aren't the type who read reviews, if they read at all.” Aussagen wie die von Herrn Musetto in der New York Post waren keine Seltenheit. Man kann gut verstehen, dass nicht nur Kritiker, sondern auch Genre-Fans sich durch „See No Evil“ in Intelligenz und Geschmack beleidigt fühlen können. Nicht dass der Film handwerklich über alle Maßen schlecht wäre, es sind eher die zahlreichen dummen Einfälle, die von plump bis unfreiwillig komisch reichen (die Fliegen, die jedes Mal mit Jacob auftauchen u.ä.). Wenn sich die Filmemacher schon dafür entscheiden, mit der stupidesten Form des 10-kleine-Negerlein-Schemas die Zuschauerherzen gewinnen zu wollen, dann sollten wenigstens die Inszenierung, die Charaktere oder zumindest der Bösewicht einiges her machen. Machen sie aber nicht.
Trotzdem verdient der Cast Beachtung, nicht wegen der Jungdarsteller, die bei der Gestaltung ihrer eindimensionalen Figuren keinerlei Chance haben, sondern wegen des 2,13 Meter großen und 140 Kilogramm schweren Glen Jacobs, besser bekannt unter seinem Wrestlingpseudonym „Kane“. Dieser wurde für die Rolle des auggeilen Haken-Killers mit böser Kindheit verpflichtet. Sich vor ihm zu fürchten, fällt allerdings schwer, denn gute Wrestler sind nicht immer gute Schauspieler. Seine besten Momente hat Jacobs, wenn er unbeholfen und schwer schnaufend seine Opfer verfolgt, so dass dem Zuschauer seine Figur wenigsten etwas Leid tun kann.
Das Beste, was sich über „See No Evil“ sagen lässt, ist, dass er fast durchweg an andere Filme erinnert. Kalter Kaffee, zweiter Aufguss sozusagen. Der Killer, seine Fleischerhaken und der bemühte Twist z.B. erinnern an „The Texas Chainsaw Massacre“, die Kulissen des Hotels an Saw 2 usw. Wo immer sich allerdings Vorbilder auffinden lassen, ist deren Qualität in der Regel um ein Vielfaches höher. Wo in Tobe Hoopers „The Texas Chainsaw Massacre“ aus dem Jahre 1974 die Darstellung von Gewalt niemals bloßer Selbstzweck war, scheint Dark das Prinzip von Horrorfilmen misszuverstehen und zu denken, man könne dessen Wirkung steigern, in dem man sich aufs vermeintlich Wesentliche beschränkt. Vielleicht ist diese Ansicht noch ein Relikt aus Darks Zeit als Pornoregisseur - wie auch immer, hier funktioniert es nicht. So ist der Film im Ergebnis jedenfalls nur eine Aneinanderreihung von freudlosen Höhepunkten nach einen dürftigen Vorspiel.
Der Begriff „Gewaltporno“ ist für Filme, deren einziges Ziel die Darstellung von Gewalt und Brutalität ist, schon seit längerem im Umlauf. Mit „See No Evil“ erreicht dieses „Genre“ seinen derzeitigen Höhe- oder Tiefpunkt – je nachdem von welchem Standpunkt aus man es betrachtet. Zu seinen wenigen Überraschungen gehört lediglich die Reihenfolge, in der gestorben wird und eine (leicht vorhersehbare) Wendung gegen Ende, die dem Ganzen auch noch eine naiv-dümmliche Note verleiht. Sehr unangenehm macht sich die Stimmung des Films bemerkbar, die immer mehr ins Zynische abgleitet. Der Szene, in der Jacob sein Opfer mit dessen Handy tötet, kann man vielleicht noch eine gewisse Originalität abgewinnen, doch viele andere Stellen, die um ein Schmunzeln des Zuschauers buhlen, stoßen unangenehm auf. Es zeigt sich: Die Figuren in Darks Film sind ihrer Menschlichkeit beraubt und allein durch ihre Funktion als Schlachtvieh charakterisiert. Davon wird auch Jacob, der noch für einen derben „Schlussgag“ herhalten muss, nicht ausgenommen. Wer von einem Horrorfilm nicht mehr erwartet, als dass eine Gruppe von Menschen effektvoll niedergemetzelt wird, kann einen Blick riskieren. Allen anderen sei dringend abgeraten.