Was wäre wohl dabei herausgekommen, wenn die Flüchtlinge im Hotel Ruanda plötzlich von Vampirfledermäusen attackiert oder die Eingeschlossenen in Shooting Dogs überraschend von Riesenameisen überrannt worden wären? Wohl etwas in der Art von Michael Katlemans Horror-Thriller „Die Fährte des Grauens“. Basierend auf wahren Begebenheiten, bekommt es hier ein amerikanisches Journalistenteam gleichzeitig mit einem gigantischen Killerkrokodil namens Gustave und blutrünstigen Hutu-Schlächtern zu tun. Politik hatte schon immer ihren festen Platz im Horrorgenre und was läge daher näher, als nun Horror- und Polit-Thriller gemeinsam in die Waagschale zu werfen. Doch was auf dem Papier noch folgerichtig und vielversprechend klingt, endet auf der Leinwand in einer mittelschweren Kinokatastrophe. Die Ernsthaftigkeit der Bürgerkriegsmassaker verhindert jede Partystimmung bei den Kroko-Attacken, und die klischeehaften B-Movie-Charaktere verwässern die kritischeren Szenen, ziehen sie teilweise gar ins Lächerliche.
„You want to show the world, who has the biggest Croc!“
Als Strafmaßnahme für einen misslungenen Skandalbericht soll Topreporter Tim Manfrey („Prison Break“-Star Dominic Purcell) seine Kollegin Aviva Masters (Brooke Langton, Die Bankdrücker) nach Afrika begleiten, wo diese ein Riesenkrokodil einfangen soll, welches zuvor eine Blauhelm-Anthropologin verschlungen hat. Gemeinsam mit Kameramann Steven Johnson (Orlando Jones, Time Machine, Evolution) macht sich das Trio auf nach Burundi, wo es mit der Unterstützung von Tierschützer Mathew Collins (Gideon Emery) und Großwildjäger Jacob Krieg (Jürgen Prochnow) die Jagd auf das legendenumwobene Reptil eröffnet. Zunächst scheint der gigantische Käfig, der als Falle dienen soll, nicht richtig zu funktionieren, doch dann zeigt sich Gustave schließlich doch noch in seiner ganzen tödlichen Pracht. Allerdings ist das antivegetarische Monster nicht das einzige Problem der Truppe. Nachdem Steven zufällig eine Gruppe Hutu-Rebellen dabei gefilmt hat, wie diese mit ihren Macheten eine wehrlose Familie abschlachtet, hängt auch diese sich an die Fersen der Journalisten…
Welch interessanten Ansätze „Die Fährte des Grauens“ für sein Publikum bereithält, deutet schon die erste Szene eindrucksvoll an. Die Anthropologin Dr. Cathy Andrews (Erika Wessels) untersucht ein Massengrab. Gerade als sie glaubt, nur ein paar Meter weiter noch ein zweites mit Gebeinen gefülltes Loch gefunden zu haben, wird sie von Gustave kurzerhand zerfleischt. Hier macht das Nebeneinander von Politkino und B-Horror noch Sinn und vor allem Lust auf mehr. Doch die Vorfreude auf die Genremischung findet schnell ein jähes Ende. Aufgrund der ernsten Thematik rund um Völkermord und blutige Massaker nimmt der Film sich selbst in jeder Sekunde – beinahe unvermeidlich – bierernst, echtem Trash-Feeling bleibt so natürlich kaum eine Chance. Keine Szene ist hier auch nur annähernd so unterhaltsam wie Steve Miners superamüsantes Kroko-B-Picture „Lake Placid“. Und auch wenn das anständig animierte Riesenkrokodil recht lustig anzusehen ist, hat man so mit dem wütenden Knuddelkrokodil aufgrund der todernsten Haltung des Films trotzdem nie wirklich Spaß.
„The crocodile is like O.J. Simpson. He messed up, when he killed a white woman.” – Steven analysiert, warum sich erst jetzt jemand für das legendäre Serienkiller-Reptil interessiert.
Das Journalistengespann entpuppt sich schnell als Ansammlung von typischen B-Movie-Stereotypen, gerade Jürgen Prochnow (Das Boot, Bierfest) fällt als rauer, eigenbrötlerischer Jäger leider aus so gar keinem Rahmen. In Bezug auf die Horroranteile macht diese Schwäche nicht wirklich etwas aus – zwar hätte man sich den einen oder anderen ironischen Bruch doch dringend gewünscht, aber außer Langeweile haben die Klischees hier noch keine weiter reichenden negativen Folgen. Den Politpart hingegen ziehen die stereotypen Figuren endgültig runter. Die Afrikaner sind entweder gewissenlose Schlächter, oder grundgute Menschen, die unbedingt in die USA wollen. Hierzu passend auch Stevens zynische, aber einfach nur unmotiviert und hohl in den Raum gestellte Anmerkung: „Slavery was a good thing. Everything to get the fuck out of Africa is okay with me!” Nach solchen seltendämlichen Dialogzeilen kann man die an anderer Stelle geübte Sozialkritik und Medienschelte (Stichwort: Niemand schert sich um einen toten Afrikaner) schlicht nicht mehr für voll nehmen, so ist die Glaubwürdigkeit der Macher in Rekordzeit dahin.
Der absolute Höhepunkt dieser naiven Herangehensweise ist dann aber die mehr als fatale Schlusseinstellung. Zu den Hochglanz-Werbeeinstellungen eines afrikanischen Fischerdorfes wird folgende – unglaublich blauäugige – Texttafel eingeblendet: „Am 15. Mai 2005 wurde zwischen der burundischen Regierung und den Hutu-Rebellen ein Waffenstillstandsabkommen vereinbart, das den zwölf Jahre andauernden Bürgerkrieg beendete.“ – sprich: In Afrika herrscht mittlerweile eitel Sonnenschein, nur der gefräßige Gustave sorgt noch für Bauchschmerzen. Spätestens hier entpuppt sich Regisseur Katleman als medialer Ausbeuter, der den afrikanischen Kontinent nicht einmal ansatzweise begriffen hat.
Fazit: Die Idee, klassischen B-Movie-Horror mit einem ambitionierten Polit-Thriller zu vermischen, klingt im ersten Moment zwar hochinteressant und aufregend, die Umsetzung ist im Fall von „Die Fährte des Grauens“ jedoch leider komplett in die Hose gegangen.