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    Persepolis
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Persepolis
    Von Christoph Petersen

    Die mittlerweile in Frankreich lebende, iranische Künstlerin Marjane Satrapi hatte eine mehr als aufregende Kindheit und Jugend. Und zum Glück ihrer Millionen von Fans hat sie diese in Form eines vierteiligen Comics, der in Deutschland in den Bänden „Persepolis – Eine Kindheit im Iran“ und „Persepolis – Jugendjahre“ zusammengefasst wurde, veröffentlicht. Natürlich sind die Kindheitserinnerungen einer Iranerin nicht unbedingt das alltäglichste Thema für einen Comic, aber gerade deshalb ist den „Persepolis“-Bänden wohl auch ein solcher Kultcharakter beschieden. Nun hat Satrapi mit ihrem Regiedebüt „Persepolis“ den nächsten Schritt gewagt - sie adaptierte ihre Comics und damit schlussendlich ihre eigene Vergangenheit für die große Leinwand. Der schwarz-weiße, künstlerisch hochambitionierte Zeichenstil, den sie mit ihrem Kollegen und Co-Regisseur Vincent Paronnaud entwickelte, ist dabei eng an den der Vorlage angelehnt. Das Risiko hat sich gelohnt, der Film wurde nicht nur in Cannes mit dem „Preis der Jury“ ausgezeichnet, sondern hat auch ohne weiteres das Zeug dazu, ähnlich wie die Comics zu einem anspruchsvollen, modernen Kultstreifen zu avancieren.

    1979 wird der Schah aus dem Iran vertrieben, doch es kommt nicht wie geplant zu einer iranischen Republik, stattdessen reißen die Mullahs die Macht an sich. Die pfiffige, 8-jährige Marjane muss miterleben, wie sie und ihre Familie, die zuvor im Kampf gegen den Schah noch auf der Seite der Revolutionäre standen, nun von funktionalistischen Führern unterdrückt werden. Viele landen im Gefängnis, das Kopftuchtragen wird für Frauen zur Pflicht, die Islamische Revolution trägt ihre Früchte. Als Jugendliche leistet Marjane auf ihre Weise Widerstand – mit Rockmusik und frechen Sprüchen. Die rebellische Ader ihrer Tochter veranlasst Marjanes Eltern dazu, sie nach Wien ins Exil zu schicken. Eigentlich soll Marjane hier bei einer Freundin ihrer Mutter unterkommen, doch schon nach wenigen Tagen landet sie in einem katholischen Internat. Hier freundet sie sich schnell mit den anderen Außenseitern an, kommt mit den verschiedenen Subkulturen in Kontakt, wird ein wenig zum Punk und ein wenig zum Hippie, brütet aber dennoch stets auch über ihren iranischen Wurzeln. Und als sich dann auch noch Probleme in Liebesdingen dazugesellen, beschließt Marjane endgültig, in ihre vom Krieg gebeutelte, immer noch unfreie Heimat zurückzukehren...

    In Marjanes spannendem und ereignisreichen Leben gibt es immer etwas zu sehen, und was noch viel wichtiger ist, zu durchschauen. Mit einer ungeheuren Leichtigkeit, beinahe im Vorübergehen zeichnen die Filmemacher hier ein ebenso komplexes wie subversives Sittengemälde der kaum mehr aufzuzählenden politischen Änderungen im Iran zwischen 1979 und 1995. „Punk is not ded“ ist die Aufschrift auf der Jacke von „Iron Maiden“-Fan Marjane, und „Abba“, wenn auch von der religiösen Führung ebenso verboten, trotzdem nur was für Weicheier. Die Autorin beweist einen feinen Blick für die absurden Nuancen der verlogenen Regimes, breitet diese genüsslich in Form von feiner Ironie und bitteren satirischen Spitzen aus. Doch nicht alles ist lustig. Dank des insgesamt sehr unterhaltsamen Tons wirken die konsequent drastischen Momente noch stärker nach. Ein solcher Schlag in die Magengrube ist auch jene Szene, in der Marjanes Mutter von einem Mullah aufgrund ihres verrutschten Kopftuchs zurechtgewiesen wird: „Frauen wie Dich stelle ich an die Wand, ficke sie durch und lasse sie danach auf dem Müll liegen.“

    Doch nicht nur der politische Subtext begeistert, auch Marjanes Entwicklung selbst wird stets stimmig, nachvollziehbar und bewegend geschildert: vom kleinen, aufgeweckten Mädchen, das auf der Straße die Folterberichte ihrer Verwandten nachspielt über die Jugendliche, die sich mit Punk-Kassetten und frechen Bemerkungen gegenüber ihren Lehrern gegen das System auflehnt, ohne dabei zu merken, dass sie so nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Familie in Gefahr bringt bis hin zur jungen Frau, die im Exil lebt und hier zwischen der ungewohnten Freiheit, chronischem Heimweh und banalem Liebeskummer zu zerbrechen droht. Aufgelockert, aber auch irgendwie menschlicher wird diese eigentlich traurige Geschichte durch auf den ersten Blick unpassend leichtfüßige Gags, die aber gerade aufgrund ihrer unerwarteten Lockerheit zünden.

    So etwa wenn Marjane im katholischen Internat vor der Glotze hockt, in der Horst Tappert gerade als schusseliger, schwarz-weißer Zeichentrick-Kommissar Derrick ermittelt, oder an anderer Stelle des Films „Godzilla“ auf der Kinoleinwand kleine Menschlein zerquetscht und sich Marjanes schlagfertige Oma über die Dummheit der Japaner echauffiert. Humor ist, wenn man trotzdem lacht! Und im Fall von „Persepolis“ ist er der Türöffner für das politische und persönliche Selbstverständnis einer Region, bei der man nach der alltäglichen Zeitungslektüre regelmäßig dem zynischen Gedanken erliegt, dass hier zumindest für Außenstehende eigentlich sowieso nichts mehr nachzuvollziehen ist. So ist der Film absolutes Pflichtprogramm sowohl für jeden politisch Interessierten als auch für jeden Freund ambitionierter, hervorragend gemachter Kinounterhaltung.

    Fazit: Subversiv, emotional aufwühlend und mit einem feinen Gespür für das Absurde begegnet Marjane Satrapi hier ihrem eigenen Leben zwischen Regimewechseln, Kriegen und der scheinbar unbegrenzten Bigotterie der an die Macht gekommenen. Obwohl „Persepolis“ dabei durch seine äußere Form starken Verfremdungseffekten ausgesetzt ist, erweist er sich doch als eine der bewegendsten, intelligentesten und einfach am „echtesten“ wirkenden Kinobiographien überhaupt.

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