„Based on a true event”: Dieses mittlerweile höchst fragwürdige Etikett, das Verleihe ihren unglaublichen Geschichten mit Vorliebe aufdrücken, ist bei genauerer Betrachtung zumeist ein Schwall heißer Luft. Fast könnte man meinen, bei Courtney Solomons Grusel-Thriller „Der Fluch der Betsy Bell“ wäre es die letzte Option der US-Werbeabteilung, aus dem lahmen, unsagbar zähen Horror-Spuk auch nur etwas an Substanz herauszukitzeln.
Red River, Tennessee, 1817: Der angesehene Familienpatriarch John Bell (Donald Sutherland) begeht einen folgenschweren Fehler. Die Kirche belegt den ansonsten rechtschaffenden Mann mit einer Strafe, weil er seine Nachbarin Kate Batts (Gaye Brown) in einer Grundstücksangelegenheit übervorteilt hat. Nicht nur sein guter Ruf leidet. Die als vermeintliche Hexe berüchtigte Frau schreit Zeter & Mordio und belegt die Familie Bell mit einem Fluch: „I swear a dreadful darkness will fall upon you, and your precious daughter, too.“ Nachdem Bell dem sonderbaren Gebaren zunächst wenig Beachtung schenkt, ändert sich dies alsbald. Tochter Betsy (Rachel Hurd-Wood) wird von schlimmen Albträumen heimgesucht und hat Erscheinungen, die das junge Mädchen im Schlaf an den Rand des Wahnsinns treiben. Neben Vater Bell sind auch Mutter Lucy (Sissy Spacek), Lehrer Richard Powell (James D’Arcy, Exorzist: Der Anfang) und Hausfreund James Johnston (Matthew Marsh, Bad Company, Spy Game) ratlos. Die Anfälle werden immer furchterregender und alle Beteiligten stetig hilfloser...
Geister- und Spukgeschichten, wahlweise auch in exorzistischer Form (Das Omen, Boogeyman, White Noise, Der Exorzismus von Emily Rose, Exorzist: Der Anfang, Dominion: Exorzist - Der Anfang des Bösen, Requiem) sind wieder im Kommen. Im frühen 18. Jahrhundert soll in Tennessee ein Mann durch einen Geist getötet worden sein. Rund 20 Bücher befassen sich mit diesem Thema. Ob das die Phrase „Based on true events“ rechtfertigt, möge jeder für sich selbst entscheiden. Diese Mogelpackung zieht „Der Fluch der Betsy Bell“ aber nicht nachhaltig runter. Der Horror-Thriller hat einen Makel, der dem Filmmonster den letzten Zahn zieht: Das Machwerk ist einfach höllisch langweilig, im Vergleich dazu ist der in ähnlichem Verdacht stehende Silent Hill eine nervenzerfetzende Achterbahnfahrt.
Das Versagen der Verfilmung von Brent Monahans Roman „The Bell Witch: An American Haunting“ als Unterhaltungsfilm muss Regisseur und Autor Courtney Solomon komplett auf seine Kappe nehmen. Nach einer soliden Einleitung wiederholt sich die Szenerie Mädchen-zappelt-auf-Bett, Familie-ist-besorgt-und-hält-Beratung-ab bis zum Erbrechen – wie in einer Endlosschleife. Der Film weist keinerlei Entwicklung auf. Gegen Ende zaubert Solomon noch einen Twistversuch aus dem Hut, aber dann sind seine Zuschauer schon längst weggenickt und es interessiert sowieso niemanden mehr.
Wieso der Regisseur seine sterbenslangweilige Geschichte mit einer in der Gegenwart angelegten Storyklammer versieht, ist nicht nachvollziehbar. Die Ereignisse nehmen wenig Platz ein, weisen keinerlei Nervenkitzel auf und gehen auch nicht als intelligente Einführung in die 200 Jahre alte Mär durch. Allein das Argument „Nachhaltigkeit des Spuks“ macht halbwegs Sinn, dafür zerstört sich Solomon aber die Struktur seines positivsten Elements. „Der Fluch der Betsy Bell“ ist atmosphärisch ansprechend düster und nebelverhangen photographiert (von Topkameramann Adrian Biddle, V wie Vendetta, Die Herrschaft des Feuers, Die Mumie). Durch die Vor- und Nachgeschichte um die Haupthandlung wird die Intensität jedoch gemindert, Kontinuität leidet.
Die Besetzung lässt auf dem Papier für einen klein budgetierten Film (14 Millionen Dollar) kaum Wünsche offen und verspricht Besseres, als tatsächlich auf der Leinwand als Ergebnis zu sehen ist. Donald Sutherland (Stolz und Vorurteil, The Italian Job, Space Cowboys) spielt für den gefüllten Kühlschrank und gibt eine wenig motivierte Standardnummer ab, während Sissy Spacek (In The Bedroom, Ein Zuhause am Ende der Welt, The Ring 2) nur besorgt dreinschauen darf. Rachel Hurd-Wood (Peter Pan, Das Parfum) ist ebenfalls nicht zu beneiden, die Geister piesacken die junge Engländerin, ohne dass sie eine Möglichkeit bekommt, dagegen mit guten Szenen anzuspielen.
In der Theorie mag sich das Projekt „Der Fluch der Betsy Bell“ nach dem beachtlichen Erfolg von Der Exorzismus von Emily Rose schmackhaft angehört haben, aber Courtney Solomon, der mit „Dungeons And Dragons“ nicht gerade eine Topreferenz aufweist, hat den Stoff mit Anlauf als zäh-dösige, teils unfreiwillig komische Geisterbahnkaffeefahrt in den Sand gesetzt. Kein Thrill, kein Grusel, ein bisschen Atmosphäre und viel Leerlauf. Für einen aufregenden, unterhaltenden Kinoabend ist das nicht annährend zufriedenstellend. „Der Fluch der Betsy Bell“ mangelt es an nahezu allem, was Kino in Bestform so groß macht. Selbst genügsame Genrefreunde sollten besser die Finger von diesem Ärgernis lassen.