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    Helden der Nacht
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Helden der Nacht
    Von Björn Helbig

    In dem Crime-Drama „Helden der Nacht“ stehen Joaquin Phoenix und Mark Wahlberg zum zweiten Mal in einem Film von James Gray vor der Kamera. Auch thematisch ähnelt er den Vorgängerfilmen „Little Odessa“ (1994) und „The Yards“ (2000), reicht aber nicht immer ganz an diese heran. Und auch die übrige Konkurrenz lässt das dritte Regiewerk von Gray nicht durchgehend gut aussehen.

    New York City, in den späten 1980er Jahren. Bobby (Joaquin Phoenix) und Joseph (Mark Wahlberg) sind sehr ungleiche Brüder. Der erste leitet einen Nachtclub, in dem auch Mitglieder der russischen Mafia verkehren sollen. Sex, Drugs & Rock’n Roll bestimmen sein Leben. Der andere Bruder ist Polizist, genau wie der Vater (Robert Duvall), in dessen Fußstapfen er treten will. Die Kluft zwischen den beiden wird noch tiefer, als bei einer von Joseph geleiteten Razzia im Club nicht nur Drogenkönig Vadim Nezhinski (Alex Veadov), sondern auch Bobby festgenommen wird. Erst als der wütende Nezhinski als Racheakt einen Anschlag auf Joseph verüben lässt, entscheidet sich Bobby für die andere Seite und wird V-Mann für die Polizei.

    „We Own The Night“, so der Originaltitel, war in den 1980er Jahren ein Slogan der New Yorker Polizei, als sie in einen Krieg mit der russischen Mafia verstrickt war. Inspiriert durch ein Foto aus der New York Times, das die Beerdigung eines Polizisten zeigt, fertigte James Gray ein Drehbuch an, das eine gleichermaßen authentische wie psychologisch stimmige Geschichte erzählen sollte. Gray beginnt auch zunächst mit einigen Archivbildern aus der Zeit: Fotos von Polizisten, die ihren Job machen. Selbst beim Film fühlt man sich an die amerikanischen Crime-Movies vergangener Jahre erinnert. Noch keine 30 Jahre sind ins Land gezogen, doch Look & Feel waren damals einfach anders. Die USA stand nach ihrem ersten Space-Shuttle-Flug vor dem Tor in die Zukunft, doch New York City befand sich noch fest auf dem Boden der Tatsachen. Dort spielte der Drogenhandel eine wichtige Rolle. So sind es auch sonst eher die weltlichen Dinge, die Grays Drama voran treiben: Der Bruder als schwarzes Schaf im Spannungsfeld zwischen Gesetz und Verbrechen, die Konflikte zwischen Familienmitgliedern, Loyalität, Schuld und Wiedergutmachung. Gray verlässt sich dabei ganz auf die Zugkraft beinahe klassischer Konflikte. Das kennt man schon aus seinen anderen Filmen. Auch dort sind die Helden oft Figuren, die sich zwischen den Milieus bewegen.

    Eigentlich ist das Crime-Drama ein Genre, bei dem sich spannende Momente zuhauf anbieten, doch Gray interessiert sich mehr für die zwischenmenschlichen Konflikte als für den genreüblichen Thrill. Sein Film hat auch das Potenzial dazu, doch nutzt er es viel zu selten. „Helden der Nacht“ hat eigentlich nur drei echte Highlights: Also Bobby schon für die Polizei arbeitet und sich von Gangster Nezhinski zum Herstellungsort der Drogen führen lässt, wird es mal kurz extrem spannend. Auch die Fahrt durch den Regen später ist gekonnt in Szene gesetzt. Und zuletzt ist das Western-Ende wirklich bemerkenswert. Hier stehen Nezhinski und seine Komplizen nicht nur sprichwörtlich mit dem Rücken zur Wand. Die Helden der Nacht können auch bei helllichtem Tage zeigen, wer die Zügel in der Hand hält.

    In einem Charakterdrama kommt es natürlich vor allem auf die Schauspieler an. Joaquin Phoenix (Walk The Line, The Village) nimmt man seinen Bobby ab, der von dem kriminellen Treiben in seinem Nachtclub nicht so recht etwas wissen will, sondern nur Augen für seine Frau und seinen Job hat. Zumindest solange, bis er tut, was ein Mann tun muss. Um ihm die Wandlung zum Polizisten abzunehmen, gehört etwas guter Wille dazu. Von Phoenix ist bekannt, dass er sich immer voll und ganz seinen Rollen hingibt und so holt er auch hier – nicht ohne Gewalt – alles aus seiner Figur heraus. Seine liebreizende Frau Amanda, gespielt von Eva Mendez (Training Day, Hitch, lässt es etwas zurückhaltender angehen, setzt aber dennoch Akzente. Auch Mark Wahlberg (Shooter, Vier Brüder, I Heart Huckabees) macht einen guten Eindruck. Seine Figur des Joseph ist auf den zweiten Blick viel komplexer als man zunächst denken mag. (Neben-)Darstellerlegende Robert Duvall knüpft nicht wirklich an seine großen Zeiten (Der Pate oder Apocalypse Now) an, liefert aber eine mehr als solide Leistung ab. Auffällig gut in der zweiten Reihe ist Alex Veadov als Vadim Nezhinski. Er spielt zwar ohne Facetten, dafür aber kraftvoll und sehr böse.

    Gray hat eine Gruppe guter bis sehr guter Darsteller um sich vereint und einen atmosphärischen 80er-Copfilm abgeliefert. Das Problem ist nur: Richtig spannend wird die sehr vorhersehbare Geschichte selten. Gray nutzt sämtliche Genreelemente und das nicht mal schlecht, doch im Vergleich mit den Vorbildern bleibt „Helden der Nacht“ der ewig Zweite. Man muss gar nicht bis zu den frühen Werken eines Martin Scorsese wie Hexenkessel oder GoodFellas zurückgehen – auch die jüngste Kinogeschichte bietet Beispiele, die es ähnlich und besser machten. So hat man die zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts erst kürzlich authentischer bei David Finchers Zodiac und stilvoller bei Ridley Scotts American Gangster gesehen; Scorseses The Departed ist „Helden der Nacht“ in Sachen Spannung und Emotionalität der Geschichte um mehr als eine Nasenlänge voraus; und David Cronenbergs jüngstes Werk Tödliche Versprechen ist bei den Themen „Russenmafia“ und „V-Mann“ sicherlich der klare Sieger. Grays „Helden der Nacht“ schafft es bei dieser starken Konkurrenz nicht, sich zu profilieren.

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