Wenn man bei deutschen Produktionen wie Lissi und der wilde Kaiser oder Es war K´Einmal im Märchenland kritisch anmerkt, dass die Animationen in keiner Weise mit den der amerikanischen Konkurrenz mithalten können, rechtfertigen die Macher dies meist mit der Aussage, die Budgets seien ja schließlich auch nicht zu vergleichen. Und Recht haben sie! State-of-the-Art-Hollywood-Niveau ist mit den bescheidenen Mitteln, die europäische Produktionen in der Regel zur Verfügung haben, schlicht nicht zu erreichen. Doch warum versucht man dann überhaupt, die US-Vorbilder zu kopieren und sucht sich nicht einfach etwas eigenes? So hat es zum Beispiel der ungarische Regisseur Áron Gauder getan. Sein Langfilmdebüt „The District!“ bietet Animationen auf hohem technischen Niveau – trotz einem Budget von schlappen 300.000 Euro. Allerdings bedient sich Gauder dafür auch nicht der neuesten, photorealistischen 3D-Programme, sondern punktet stattdessen mit seinem ganz eigenen Stil. Seine Ghetto-Satire besteht aus expressionistischer Graffiti-Kunst und stilvoll-rauen Karikaturen im „South Park meets MoMA“-Style.
„Niemand darf ungestraft versuchen, die Welt zu seinen Gunsten zu verändern. Atomisieren wir sie! Drücken wir auf Knöpfe!“
George W. Bush
Sie haben ungarische, arabische, chinesische und Zigeuner-Eltern. Und sie wachsen in einem von Feindseligkeiten geprägten Multikulti-Umfeld auf. Für die Kinder des Budapester Bezirks 8 gehören Kämpfe und Rassenhass zum Alltag. Doch der Zigeuner Risci hat sich in die fesche Julika, die jüngste Tochter des rivalisierenden Csorba-Clans, verguckt. Und deshalb versucht er, die Probleme des Viertels zu lösen. Er hat gelernt, dass man Frieden nur mit Geld erlangt, und Geld verdient man mit Öl. Aus dieser simplen Gleichung leiten Risci und seine Freunde folgenden Plan ab: 1. Baue eine Zeitmaschine. 2. Versetze dich damit in die prähistorische Zeit zurück. 3. Töte so viele Mammuts wie du finden kannst und verbuddele die Kadaver genau dort, wo später mal der eigene Heimatstadtteil entstehen wird. 4. Reise zurück in die Gegenwart und bohre genau dort nach Öl. 5. Werde Öl-Milliardär. Tatsächlich geht der Plan auf. Doch der finanzielle Erfolg der Kids ruft auch zahlreiche Neider auf den Plan. Ein Glück, dass der Atombomben-geile, Knöpfe drückende George W. Budapest und Bukarest durcheinander würfelt...
„Kannst Du mir vielleicht eine Bombe leihen? Ich brauche sie für die Schule.“
„Man muss dem Terror-Nachwuchs eine Chance geben!“
Osama bin Laden
Ein wenig erinnert die Tricktechnik von „The District!“ an die Abenteuer von Kyle, Stan, Cartman, Kenny & Co. Doch wo die „South Park“-Fernsehserie von Trey Parker und Matt Stone gerade durch die Einfachheit der Animationen besticht, geben die von einem 20-köpfigen Künstlerteam entworfenen expressionistischen Hintergründe und Figuren – zumindest fürs Auge – noch deutlich mehr her. Unterlegt sind die ausdrucksstarken Bilderwelten mit ungarischem, angenehm rau klingenden HipHop. Gut, dass die Rap-Songs in der deutschen Fassung nicht mit übersetzt wurden. Dumm, dass sie auch nicht untertitelt wurden – gerade da einige von den Protagonisten wie Musical-Nummern vorgetragen werden und so zum Fortgang der Handlung beitragen. Sowieso musste man, was die Synchronfassung angeht, bei all dem Gefluche und Geslange mit dem Allerschlimmsten rechnen. Doch die Befürchtungen bewahrheiten sich nicht. Es gibt kaum unfreiwillig-komische Schimpfwort-Schöpfungen, vielmehr kommt das Ghetto-Gelaber auch in deutscher Sprache stimmig rüber.
Doch nicht nur formal, auch inhaltlich gibt es bei „South Park“ und „The District!“ Überschneidungen, verstehen sich doch beide als freche Sozial-Satire. Dabei ist der Witz in der ungarischen Variante zweigeteilt. Zum einen werden die Rivalitäten zwischen den einzelnen Ethno-Gruppen in Budapest bissig aufs Korn genommen. Diese Ungarn-spezifischen Anteile finden sich vor allem in den modernisierten „Romeo und Julia“-Passagen des Films wieder. Dabei wird dem klassischen Shakespeare-Drama vor allem mit der erfrischenden Schlusswendung, Spoiler! nämlich einer dummerweise lesbischen Julia Spoiler Ende, neuer Pepp eingeflößt. Die andere Hälfte macht die allgemeingültige Satire aus, die sich vor allem in der Öl-Story widerspiegelt. Keine Sau interessierte sich für das heruntergekommene Stadtviertel, bis... das schwarze Gold in hohen Fontänen hervorsprudelte. Plötzlich sind russische Agenten, der amerikanische Geheimdienst, japanische und deutsche Käufer, eine Hellseherin und die eigenen, geldgeilen Eltern den Rich-Kids auf den Fersen. Selbst der Papst will etwas von dem Stoff für sein Papamobil, und in den USA stürzen sich die Broker auf Grund der neu ausgebrochenen Ölkrise wie die Lemminge aus ihren x-stöckigen Bürohochhäusern. Das ist unterhaltsam-provokantes Zeichentrick-Kabarett für Erwachsene.
Fazit: „South Park“ trifft auf „Romeo und Julia“, raue Karikaturen kumulieren mit feschem HipHop-Sound - in der bissigen ungarischen Sozial-Satire „The District!“ geht die Post(-moderne) ab.