Nach drei Fortsetzungen und einem Remake kommt nun mit Jonathan Liebesmans „Texas Chainsaw Massacre: The Beginning“ auch noch ein Prequel zu Tobe Hoopers modernem Terrorklassiker The Texas Chainsaw Massacre aus dem Jahre 1974 in unsere Kinos. Dabei stellt sich zunächst einmal die Frage, ob es überhaupt Sinn macht, die Vorgeschichte von Leatherface und seinem Hewitt-Clan zu enthüllen. Immerhin standen diese Figuren in den 70er Jahren doch gerade für die Angst vor dem unabsehbaren Terror, der ohne Vorankündigung oder Erklärung plötzlich und aus dem Nichts heraus auftaucht. Da Leatherface am Ende des 2003er-Remakes ein Arm abgetrennt wurde und man mit einem einarmigen Schlächter nun einmal nur schwer Angst und Schrecken verbreiten kann, war dies allerdings schlicht der einzige Weg, um das von Michael Bay wieder belebte Franchise überhaupt weiter melken zu können. Aber auch abseits des kontraproduktiven Ansatzes gehört das mittlerweile sechste Kettensägenmassaker, das statt mit Spannung und Atmosphäre ausschließlich mit Schlachtszenen über die Runden zu kommen versucht, zu den schwächsten Vertretern der Horror-Serie.
Sommer 1969, der 18-jährige Dean Hill (Taylor Handley) unternimmt gemeinsam mit seiner Freundin Bailey (Diora Baird), seinem Bruder Eric (Matthew Bomer) und dessen Verlobter Chrissie (Jordana Brewster) einen Roadtrip durch den amerikanischen Süden. Ziel ist eine Marinebasis, auf der Dean seinem Einzugsbefehl nachkommen soll. Eric hat sich – durch und durch Patriot – freiwillig für eine zweite Dienstzeit gemeldet, um seinen kleinen Bruder im außer Kontrolle geratenen Vietnamkrieg zu beschützen. Doch in Texas treffen die vier zunächst einmal auf eine verrückte Rockerbraut, die die Gruppe mit ihrer abgesägten Schrotflinte zu überfallen versucht. Da kommt der Auftritt des selbsternannten Sheriffs Hoyt, alias Charlie Hewitt (R. Lee Erney), der der in schwarzem Leder gekleideten Bikerbitch schon zur Begrüßung den halben Schädel wegschießt, eigentlich gerade recht. Doch das Glück ist nicht von langer Dauer, nimmt Hoyt doch drei der vier jungen Städter in „Gewahrsam“, um sie seiner inzestuösen Kannibalensippe zum Fraß vorzuwerfen. Für die fachgerechte Schlachtung des Frischfleisches ist Neffe Thomas (Andrew Bryniarski), der später unter seinem Pseudonym „Leatherface“ noch zu blutiger Berühmtheit gelangen sollte, zuständig. Nur Chrissie kann den sadistischen Klauen des Hewitt-Clans zunächst noch einmal entrinnen.
Es scheint fast so, als wäre Regisseur Liebesman schon vor Drehbeginn davon überzeugt gewesen, dass sein bereits über 30 Jahre altes „Monster“ allein keinerlei erschreckende Wirkung mehr besitzt. Und so weigert er sich auch konsequent, den schweren Weg zu gehen und markerschütternde Spannung zu erzeugen. Stattdessen hat er den einfachsten gewählt, reiht schlicht und unelegant eine Folterszene an die andere – „The Beginning“ könnte so eigentlich eher als Hostel 2 denn als „TCM 6“ durchgehen. Auch ansonsten ist die Erfüllung der Prequel-Pflichten ungenügend. Zum einen werden die Figuren nicht im Geringsten ernst genommen, so ist beispielsweise Leatherface nun nicht mehr der emotionslose Schlächter, der das Töten als sein persönliches Handwerk begreift und für den Menschen nichts anderes als Tiere sind, sondern ein sadistischer Folterknecht, der nicht rein mechanisch, sondern aus der Lust an der Qual handelt. Zum anderen fehlt aber auch das notwenige Fünkchen Kreativität, um die Vorgeschichte des Originals inhaltlich überraschend und interessant zu gestalten. Frage: Warum tötet Leatherface mit einer Kettensäge? Antwort: Weil sie gerade zufällig auf dem Tisch neben ihm lag, als er sein erstes Opfer töten wollte! Und auch die Lösungen für die meisten anderen angegangenen Prequel-Fragen sind keinen Deut spannender.
Der „Folter statt Spannung“-Stil, der im modernen Horrorkino immer stärker um sich greift, lässt sich leicht erklären. Dominierten in den 70er Jahren noch die Bilder von zerstückelten GIs, die von den unsichtbaren Kämpfern des Vietcong, der sich im unbekannten und undurchdringlichen Dschungel versteckt hielt, die Ängste der amerikanischen Öffentlichkeit, sind aus dem Irakkrieg vor allem die Aufnahmen aus Abu Graib in Erinnerung geblieben – Amerika ist so übermächtig, dass man sich mehr vor dem eigenen Machtmissbrauch in Form von Folter fürchtet, als vor den eh chancenlosen Feinden. Aber die Story des The Texas Chainsaw Massacre-Franchises bietet sich schlicht nicht für diese neue Art des Horrors an. Auf der visuellen Seite hat man so nun die sadistischen Folterbilder, auf der – sehr oberflächlich und aufgesetzt wirkenden - inhaltlichen dreht sich bei den Jugendlichen hingegen alles um den anstehenden Einsatz im Vietnamkrieg. Und so pendelt die politische Ebene von „The Beginning“ so unkontrolliert zwischen den 70ern und heute hin und her, dass der beliebige Mischmasch irgendwann einfach keinen Sinn mehr macht und so natürlich auch keinerlei zusätzliche Intensität mehr erzeugen kann.
Zumindest rein optisch ist „The Beginning“ das bisher bestaussehende Texas Chainsaw Massacre überhaupt. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Marcus Nispel, dem Regisseur des 2003-Remakes, verliert sich Lieberman nämlich nicht in einer überhektischen Videoclipästhetik, sondern versucht durchaus, mit seinen handwerklich perfekten Bildern an den schmutzigen Look des Originals anzuknüpfen. Das Ergebnis ist Hochglanz-Dreck, der zwar stets nett anzusehen ist, der aber mit seinen sonnendurchfluteten Einstellungen im Endeffekt doch noch zuviel Wert auf herkömmliche Schönheit legt, um die raue Unfertigkeit und damit die spezielle Atmosphäre von Hoopers erstem Kettensägenmassaker zu erreichen.
Somit hat Regisseur Liebesman aus der Vorgeschichte zu The Texas Chainsaw Massacre, einem der stilbildenden Terrorfilme der 70er Jahre, nicht mehr als eine oberflächliche, spannungsarme Schlachtplatte für den Fast-Food-Imbiss gezaubert. Natürlich ließe sich aber auch für diese Art von sadistischem Horror der etwas härteren Gangart eine breite Fanbase begeistern. Diese sei hier nun aber in soweit gewarnt, dass sie sich doch zumindest vor der deutschen Kinofassung in Acht nehmen möge. Nicht nur ist die missratene Synchronisation in genau den falschen Momenten unfreiwillig komisch und erstickt so auch noch das letzte bisschen Atmosphäre im Keim, auch lassen einen die unbeholfenen Schnitte, die den Zuschauer im Vergleich zur eh schon gekürten US-Kinofassung noch weitere satte acht Minuten kosten, extrem unbefriedigt zurück. Man mag über Sinn und Daseinsberechtigung von Torture-Porns denken wie man will, aber wenn in einem solchen Film dann auch noch alle Folterszenen FSK-bedingt fehlen, macht ein Kinobesuch endgültig keinen Sinn mehr. Man würde sich ja schließlich auch keinen Hardcore-Porno ansehen, bei dem in jeder Szene nach dem ersten zungenlosen Kuss ausgeblendet wird.