Vor zwei Jahren sorgte Wächter der Nacht, das russische Fantasyspektakel über den epischen Kampf zwischen Gut und Böse im heutigen Moskau, für Aufsehen auf der Berlinale und in den deutschen Kinos. Nachdem der Film relativ offen endete, ist das gesamte Team nun zurück, um mit „Wächter des Tages" noch einen Scheit ins Feuer zu werfen und die Story um die Nachtwache und die Dunklen Anderen weiter zu erzählen. Dabei wurden beide Filme des russischen Regisseurs Timur Bekmambetov zu großen Teilen gemeinsam gefilmt. „Einige Szenen vom zweiten Teil haben wir sogar vor dem ersten gedreht, weil Winter war und wir das für das Szenenbild brauchten", sagte Bekmambetov auf der Berlinale. Tatsächlich sind fast alle Figuren aus Teil eins zurück - und trotz einer kurzen Einführung am Anfang ist es schon sinnvoll, „Wächter der Nacht" gesehen zu haben.
Wieder dreht sich die Geschichte um Anton (Konstantin Khabensky), einen Hellen Anderen mit dunkler Vergangenheit. Weil er versuchte, seine Ex-Freundin mit dunkler Magie zu verfluchen, wurde sein damals ungeborener Sohn Jegor (Dima Martynov) den Dunklen Anderen zugänglich. Auf ihm ruht nun die gesamte Hoffnung des Anführers der Dunklen (Viktor Verzhbitskiy), denn Jegor verfügt über großes Potenzial, das nur durch die Kraft der Hellen Anderen Svetlana (Maria Poroshina) - Antons Praktikantin bei der Nachtwache - ausgeglichen wird. Und schon steht Anton mitten im Endkampf zwischen Gut und Böse, der dadurch verschärft wird, dass er vielleicht entweder seinen Sohn oder seine neue Flamme Svetlana opfern muss. Während Anton erstmal versucht, seine Prioritäten auf die Reihe zu bekommen und mit der mysteriösen Kreide des Schicksals den Ausgang der Dinge zu beeinflussen, schickt der Dunkle Anführer seine fesche Frau Alisa (Zhanna Friske) los, um ihn wegen eines manipulierten Mordverdachts zu verhaften. Als Anton untertaucht, versucht die durchgestylte Ermittlerin, Antons Freund, den jungen Vampir Kostja (Aleksey Chadov), auf ihn anzusetzen. An Jegors Geburtstag kollidieren die Fronten...
In Sachen CGI-Showdown lässt „Wächter des Tages" keine Fragen mehr offen. Wie schon im ersten Teil zelebriert Bekmambertov ein Feuerwerk der Effekte und künstlerisch aufgemachten Zeitlupen für jeden entscheidenden Moment. Ob da halb Moskau in Schutt und Asche gelegt, ein Flugzeug entführt oder ein antikes Schloss im barbarischen Schlachtengetümmel erobert wird, ist völlig egal: Es sieht einfach verdammt gut aus. Hier wurde nicht gekleckert, sondern ordentlich geklotzt. Man darf sich auf zwei Stunden rasante und gut geschnittene Unterhaltung freuen, bei der auch die englischen Untertitel wieder aktiv in das Geschehen eingreifen (die deutschen leider nicht).
Auch die gesamte Schauspielerriege ist mit ihren Figuren wieder dabei - allerdings in einer wesentlich anderen Gewichtung als im ersten Film. So bekommen Tigerjunges und Bär, zwei geschätzte Teammitglieder Antons, nur jeweils einen echten Auftritt. Dafür wird ein eigener Subplot um Antons Nachbarn Kostja aufgemacht, der nicht nur widerwillig an der Schwelle der Tötung seines ersten Menschen steht, sondern sich auch noch in die Frau des mächtigsten Dunklen Anderen verliebt. Hier ist das Drehbuch generös mit seiner Zeit und lässt gerade den Figuren von Alisa und Kostja angenehm viel Zeit zur Charakter- und Konfliktentfaltung. Antons kauzige Gehilfin Olga (Galina Tyunina) darf wieder ordentlich mitmischen, wenn es um den Humor geht. Aber im Zentrum von „Wächter der Nacht" steht immer noch Anton, der sympathische Loser-Typ, der unfreiwillig zwischen die Fronten gerät. Konstantin Khabensky mimt den trinkfreudigen und desillusionierten Magier wie schon im ersten Teil absolut glaubwürdig und mit einem leichten Augenzwinkern.
Gerade der Humor kommt in Bekmambertovs neuem Film nicht zu kurz: Neben Körpertausch und einer filmisch herrlich überzogenen Duschszene gibt es wieder ordentlich Seitenhiebe auf den Rest der Filmwelt. Neben „Herr der Ringe" und dem „Harry Potter"-Universum werden diesmal auch Filme wie The Italien Job aufs Korn genommen, wenn Alisa mit ihrem Sportwagen in den Fluren des Kosmos Hotels geschmackvoll beweist, dass man nicht nur mit einem Mini mal eben die Abkürzung durchs Gebäude nehmen kann.
Das Drehbuch hat zwar einige hervorragende Einfälle, um das Originalbuch von Sergey Lukyanenko, welches aus drei relativ von einander unabhängigen Geschichten besteht, als eine Version zu adaptieren, aber leider beruht das Endprodukt nicht nur auf den Ideen der Autoren, sondern (wie in Hollywood absolut üblich) auf einer groß angelegten Zielgruppenforschung. Die Produzenten des Films verrieten auf der Berlinale: „Wir haben Testvorführungen gemacht, bei denen deutlich wurde, dass wir in Teil eins am weiblichen Publikum teilweise vorbei gingen. Das Drehbuch zum neuen Film wurde emotionaler gestaltet, es gibt etwas weniger Action und mehr Entwicklung der Geschichte. Das kam in den späteren Testvorführungen viel besser an." Man sieht also, auch im russischen Film wird schon mit durch Marktanalysen getrimmten Schnittversionen gearbeitet. Tatsächlich wurde das Ende zwei Jahre nach dem Beginn der ersten Dreharbeiten noch einmal verändert und neu gedreht.
Die internationale Version ist insgesamt 20 Minuten kürzer als ihr russisches Pendant, das „Wächter des Tages" zum erfolgreichsten Film auf der heimischen Leinwand machte. Vor allem die Hintergrundgeschichte der Flummi-ähnlichen Endkampfwaffe Jegors fiel dem Schneidetisch der internationalen Version zum Opfer. So erscheint der kleine Ball eher etwas lächerlich in seiner Relation von Ursache und Wirkung. Auch die Kreide des Schicksals, mit der gleich mehrere Protagonisten ihr erwünschtes Schicksal hastig an die Wände kritzeln, wird vom ein oder anderen Zuschauer sicher belächelt werden.
Fest steht aber: Die Wächter der Nacht sind zurück - und mit ihnen das russische Kino. Für zwei Stunden fulminante Action-Unterhaltung, Popcorn-Liebesgeschichten und humoristischen Unterton ist „Wächter des Tages" eindeutig die richtige Wahl.