Mein Konto
    10.000 BC
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    10.000 BC
    Von Carsten Baumgardt

    Früher haftete Roland Emmerich das Etikett des „Spielberg aus dem Ländle“ an. Seit seinem Debüt „Das Arche-Noah-Prinzip“ (1984) machte der gebürtige Stuttgarter mit zackigem Genrekino auf sich aufmerksam, das weit teurer aussah, als es war. Diese Gabe des sparsamen Schwaben zeichnet auch seine großen Blockbuster aus. Trotzdem leben Independence Day, „Godzilla“ und The Day After Tomorrow von ihren bombastischen Schauwerten – das Erzählen einer Geschichte bereitet Emmerich von Haus aus Probleme, aber angesichts umwerfender Bilder war dies stets bis zu einem gewissen Grad zu verzeihen. Seine größten Erfolge feierte der nach Hollywood ausgewanderte Regisseur mit Science Fiction und Zukunftsszenarien. Für sein neuestes Mammut-Projekt, das 140 Millionen Dollar teure prähistorische Fantasy-Abenteuer „10.000 BC“, geht Emmerich einen riesigen Schritt in die Vergangenheit – die falsche Richtung, wie sich herausstellt. Zwar kann er sich inzwischen bei der Inszenierung von Eventoptik mit Vorbild Steven Spielberg messen, aber beim Erzählen trennen die beiden immer noch Welten. „10.000 BC“ setzt auf ein vorgeschichtliches Heldenepos und vernachlässigt die übliche Emmerich’sche Bombasterei. Das Ergebnis: ein mittelschweres Debakel.

    10.000 vor Christus: Der junge Jäger D’Leh (Steven Strait, Der Pakt, Sky High) will sich in der Rangordnung seines Stammes, der abseits anderer Völker in den verschneiten Bergen lebt, nach oben arbeiten, um das Herz seiner Angebeteten, der wunderschönen Evolet (Camilla Belle, Unbekannter Anrufer), zu erobern. Bei der Jagd versucht er, der Mutigste zu sein und schafft es tatsächlich, den Leitbullen einer Mammutherde im Alleingang zu erlegen. Allerdings plagt ihn sein Gewissen, weil ihm der Zufall gehörig zur Seite stand. Doch als Evolet mit einer Handvoll weiterer Stammesmitglieder von einer brutalen prähistorischen Hochkultur entführt und versklavt wird, hat D’Leh noch einmal die Chance zu zeigen, was in ihm steckt. Gemeinsam mit Ziehvater Tic‘Tic (Cliff Curtis, Sunshine), Ka’Ren (Mo Zinal), seinem Widersacher um die Gunst von Evolet, und dem jungen Baku (Nathanael Baring) nimmt er die gefährliche Verfolgung auf und entfernt sich weiter von seiner Heimat, als er es jemals für möglich gehalten hätte…

    Auf den ersten Blick funktioniert „10.000 BC“ wie Emmerichs frühere Kassentriumphe, in denen der Regisseur für sein Publikum schlicht atemberaubende Destruktionsorgien aufbereitete, die den Betrachter über die mäßig entwickelten Geschichten hinweg trösteten. Doch dieser erste positive Eindruck, der sich auch schon nach Ansicht des temporeichen Trailers aufdrängte, täuscht. Emmerich macht den entscheidenden Fehler, indem er die Heldengeschichte um den mutigen Krieger D’Leh (übrigens ein Anagramm für „Held“!) in den Fokus setzt und den Film auf Gedeih und Verderb davon abhängig macht. Warum Emmerich stets nach eigenen Drehbüchern, die er mit wechselnden Partnern (diesmal: Filmkomponist Harald Kloser) verfasst, inszeniert, bleibt ein Rätsel. Das Schreiben ist ja nun einmal nachweislich nicht seine Stärke und bei „10.000 BC“ sogar die eklatante Schwäche. Die naiv-plumpen Dialoge (inklusive des Erzählers Armin Mueller-Stahl bzw. Omar Sharif im englischsprachigen Original) entpuppen sich überwiegend als öde, störend und nervend - in der Spitze sind sie richtiggehende Lachschlager. Besonders die Figur der „Alten Mutter“ (Mona Hammond, Manderlay) ist ein gespielter Treppenwitz – dagegen wirkt das Orakel aus Matrix Reloaded und Matrix Revolutions wie aus einem Doku-Drama entnommen. Mutet die Geschichte in ihrer Schlichtheit über weite Strecken platt an, sorgen immer wieder unfreiwillig komische Dialoge für Trashmomente. Kostprobe: Die Verfolger um D’Leh durchqueren per Fußmarsch verschiedene Klimazonen von tiefverschneiten Berggipfeln bis in die Niederungen des tropischen Regenwaldes. Der entsprechende Kommentar der Krieger: „Es ist heiß hier.“ Generell ist den Schauspielern aber nicht viel anzukreiden, sie spielen bei Emmerich ohnehin keine übersteigerte Rolle. Sie bemühen sich nach Kräften, gehen aber mit der Story unter.

    Wo genau sich das Gezeigte abspielen soll, ist nicht zu definieren. Die drei zentralen Schauplätze Berge, Dschungel und Wüste (gedreht in Neuseeland, Südafrika und Namibia) sind per pedes zu erreichen. Von den exotischen Tierarten passen die Mammuts zeitgeschichtlich noch ins Geschehen, die Säbelzahntiger sind in Afrika vor 500.000 Jahren ausgestorben (in Nordamerika vor 10.000 Jahren, aber dort spielt der Film definitiv nicht) und die angriffslustigen Riesenvögel (wohl eine Mischung aus Elefantenvogel und Donnervogel) gebärden sich eher als ein Phantasieprodukt. In diese Schublade passt auch die Entscheidung, die Menschen mit schneeweißen Gebissen (hier wäre Authentizität wohl unästhetisch) über die Leinwand stolzieren zu lassen. Das hat schon eine gewisse komische Note. Doch sympathischerweise erhebt Emmerich erst gar nicht den Anspruch, ein prähistorisch korrektes Bild zu zeichnen, spricht von „genommenen Freiheiten“. Dieser vogelwilde Mix aus Fakten und Fiction macht „10.000 BC“ zu einem Fantasyfilm.

    Dem Regisseur geht es laut eigener Aussage immer darum, seinen Zuschauern Welten zu eröffnen, die sie so vorher noch nicht gesehen haben. Die Crux: Emmerich zeigt eindeutig zu wenig, was als spektakulär bezeichnet werden kann. Die Mammutjagd zu Beginn ist recht beeindruckend, aber bei weitem nicht zu vergleichen mit Augenöffnern wie den monströsen außerirdischen Raumschiffen über amerikanischen Großstädten in „Independence Day“ oder der Destruktionswelle, die in „The Day After Tomorrow“ über die Leinwand hinweg rollt. Dazu sind einige Einstellungen im Schnee direkt aus Herr der Ringe übernommen. Atmosphärisch wirkt „10.000 BC“ anfangs gar wie ein prähistorischer Der mit dem Wolf tanzt – nicht umsonst wird D’Leh später nach einer Begegnung mit einem Säbelzahntiger „Der mit dem Speerzahn spricht“ genannt. Der Dschungelteil bietet nichts wesentlich Neues, während der letzte Abschnitt, in dem es in die Zeit des Pyramidenbaus (die real übrigens in einer komplett anderen Epoche entstanden) geht, zwar einige schöne Panoramen auffährt, aber die CGI-Lastigkeit das Vergnügen trübt. In der Gänze sind das alles nette Schauwerte, aber eben nicht mehr - und insgesamt zu wenig, um den Film zu retten.

    „10.000 BC“ steckt voller störender Kleinigkeiten, die einfach keinen Fluss entstehen lassen. So sind beispielsweise die Herrscher über die Pyramiden in ihren albernen Verkleidungen eher dem Kölner Karneval entliehen, als der Prähistorie. Mit solchem Schnickschnack wie der Verwendung ursprünglicher Sprachen gibt sich Emmerich für seine Protagonisten gar nicht erst ab – es wird gepflegtes Englisch (bzw. Deutsch in der Synchro) parliert und wenn verschiedene Stämme aufeinander prallen, findet sich dankenswerterweise immer ein Universalübersetzer, der vor vielen Monden die Sprache der anderen erlernt hat.

    Fazit: „10.000 BC“ scheitert an der Summe seiner vielen kleinen und großen Unzulänglichkeiten. Wer nur wegen der Mammuts, Säbelzahntiger und Riesenvögel in den Film geht, wird ebenfalls enttäuscht – besonders die beiden letztgenannten Spezies haben nur Cameoauftritte. Der triviale Mythen-Mix muss das Abenteuer tragen, schafft es aber nie. Den Eindruck von Schauspielern, die Folklore in witzigen Kostümen vortragen, kann der Film nie abstreifen. Ob Emmerich mit „10.000 BC“ seinen ersten Flop landet, bleibt abzuwarten. Fest steht jedoch, dass wir uns schon jetzt darauf freuen sollten, wenn der Schwabe mit seinem nächsten Projekt 2012 zurück in die Zukunft und damit in sein angestammtes Metier heimkehrt…

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top