Wie hat er das nur gemacht? Welches Geheimnis steckt hinter diesem Trick? Diese Fragen quälen uns nicht nur nach David Copperfields Auftritten, sondern zunehmend auch nach dem Kinobesuch. In seinem Fantasy-Thriller „The Prestige“ fordert uns Regisseur Christopher Nolan (Memento, Batman Begins) erneut heraus, eigene Schlüsse aus dem Leinwand-Geschehen zu ziehen. Die Kombination von Material und Regisseur könnte nicht passender sein: „The Prestige“ erzählt die Geschichte zweier rivalisierender Magier im London der Jahrhundertwende auf einzigartige, um nicht zu sagen magische, Weise. Niemand außer Nolan hätte dieses Kunststück so meisterhaft vollbringen können.
Die aufstrebenden Zauberkünstler Robert Angier (Hugh Jackman, X-Men-Trilogie) und Alfred Borden (Christian Bale, Batman Begins, The Machinist) haben nur ein Ziel: als Magier berühmt zu werden. Angier ist ein brillanter Entertainer, Borden ein innovatives Genie beim Erfinden neuer Zaubertricks. Ein perfektes Team? Weit gefehlt. Aus freundschaftlichem Wettstreit wird ein Duell auf Leben und Tod: Angiers Frau Julia (Piper Parabo, Eine Hochzeit zu dritt, The Cave), die als Assistentin auf der Bühne steht, kommt bei einem von Bordens spektakulär-waghalsigen Tricks ums Leben. Angier gibt Borden die Schuld am Tod seiner Frau. Was folgt, ist eine erbitterte Schlacht um Ruhm, Ehre und Publikumsgunst, bei der die Magier tiefer in die Trickkiste greifen, als es für beide gut ist…
Wer jemals versucht hat, von „Memento“ zu erzählen, ohne den bisher Ahnungslosen das Film-Vergnügen zu verderben, weiß: Die Besonderheiten eines Filmes von Christopher Nolan vorab zu verraten, ist gedankenlos und egoistisch. Deswegen sei hier im Sinne Nolans und des Publikums nur ein Hinweis auf die zu entschlüsselnden Mysterien gegeben: „Every great magic trick consists of three acts. The first act is called The Pledge: The magician shows you something ordinary, but of course it isn’t. The second act is called The Turn: The magician makes his ordinary something do something extraordinary. Now, if you’re looking for the secret… you won’t find it. That’s why there’s a third act, called The Prestige. This is the part with the twists and turns, where lives hang in balance, and you see something shocking you’ve never seen before,“ lässt uns Cutter (Michael Caine, Der stille Amerikaner, Gottes Werk und Teufels Beitrag), der „Ingenieuer“ der Magier (er erfindet die Illusionen hinter den Kulissen) wissen.
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Auch ohne diesen Hinweis hat man einige Zeit vor dem Ende von „The Prestige“ so seine Vermutungen, was hinter dem großen Ganzen steckt. Besonders wer von „Memento“ geprägt hinter jeder Figur und jedem Twist in der Story einen doppelten Boden erwartet, ist fast etwas unterfordert. Faszinierend ist der Knalleffekt, den die letzten Szenen nicht nur wegen ihrer Enthüllungen, sondern zum großen Teil wegen ihrer Dramaturgie haben trotzdem. Eine Achterbahn aus Enthüllungs-Schussfahrten und Geheimnis-Loopings, garniert mit Schock-Momenten, hält den Zuschauer bis zum Schluss in Atem. „The Prestige“ weckt den Wunsch, diesen Film noch mal zu sehen, wenn auch aus anderen Gründen als bei „Memento“. Die Meisterhaftigkeit, mit der Nolan Story, Erzählweise und Dramaturgie zu einem perfekten Gesamtbild verschmelzen lässt, muss einfach noch mal genossen werden, um in Kenntnis aller Fakten Nolans handwerkliches Können so zu schätzen, wie er es verdient hat.
Bei der Zeichnung der Charaktere haben sich bei „The Prestige“ kleinere Mängel eingeschlichen: Stellt man sich die beiden Magier Angier und Borden ohne ihre Obsessionen vor, bleibt nicht mehr viel Person übrig. Daran können auch Christian Bale und Hugh Jackman nicht viel ändern. Gleiches gilt für ihre weiblichen Counterparts: Scarlett Johansson (Lost in Translation, The Black Dahlia) und Piper Parabo sind trotz guter Leistung als „schöne Assistentin“ nicht viel mehr als eine herkömmliche Zauberer-Gehilfin: Eine attraktive Ablenkung vom eigentlich Wichtigen. Da „The Prestige“ in der Umsetzung jedoch so hervorragend ist, fallen diese Mängel lediglich für Momente auf. Wie für David Bowie ( Twin Peaks - Fire Walk With Me, „Zoolander“) geschrieben ist die Rolle des exzentrischer Wissenschaftler Nikola Tesla. Schon nach kurzer Zeit tritt die Assoziation Musiker-Legende durch Bowies überraschend gute schauspielerische Leistung in den Hintergrund und gibt den Blick frei auf die einzige historische Figur des Film. Als größter Konkurrent Thomas Edisons mit für damalige Zeiten unverstellbaren Visionen von „magischen“ Dingen wie Robotern, Computern und Mikrowellen, bildet die Figur Tesla das Verbindungsstück zwischen Magie und Wissenschaft.
Die Stimmung zu Ende des 19. Jahrhunderts wird in „The Prestige“ auf unprätentiöse und deswegen sehr angenehme Weise eingefangen. Überbordenden Requisiten-Schlachten bis hin zum letzten Jugendstil-Knopf vermisst seit Titanic sowieso niemand mehr. Die dunklen Töne der Kostüme in Kombination mit der jeweiligen Stimmung angemessenem Light-Engineering verleihen „The Prestige“ eine angenehme Atmosphäre.
Alle Elemente, die einen guten Film ausmachen, sind in Christopher Nolans „The Prestige“ enthalten. Manche stechen nur mehr hervor als andere. Die einfach gezeichneten Charaktere enttäuschen zwar nur leicht, aber es wäre dieses Quäntchen mehr gewesen, das „The Prestige“ von einem sehr guten Film zu einem Klassiker gemacht hätte. Im direkten Vergleich mit einem filmischen Meilenstein wie „Memento“ kann „The Prestige“ nicht ganz mithalten. Insgesamt darf man jedoch von jemandem, der sich mit nur fünf Filmen einen klangvollen Namen gemacht hat, der für innovatives Kino steht, noch Großes erwarten: Noch mehr magische Momente, monumentale Mysterien und vielleicht Nolans nächstes Meisterwerk.