Hollywoods Produzenten und ihnen nacheifernde Mogule weltweit greifen bei der Suche nach erfolgversprechenden Stoffen und Talenten seit jeher gerne auf schon Bewährtes zurück. So werden die Bestseller der Roman- und Comicliteratur verfilmt, Hitfilme fortgesetzt und bekannte Stars immer wieder in sich ähnelnden Rollen eingesetzt. Man setzt auf dem Publikum bereits Vertrautes und variiert es. Ein Sonderfall unter diesen Strategien ist das Remake. Hier kommt es weniger darauf an, dass die Zuschauer das Original kennen oder schon davon gehört haben. Auch europäische oder asiatische Hits werden adaptiert und im Erfolgsfalle zu amerikanischen Blockbustern wie zuletzt bei Martin Scorseses Departed: Unter Feinden, dem sogar mit dem Oscar gekrönten Remake des ersten Teils der Infernal Affairs-Trilogie aus Hongkong. Nun legt uns der in Afrika, England und Australien aufgewachsene Regisseur Scott Hicks mit seiner romantischen Komödie „Rezept zum Verlieben“ den seltenen Fall eines Hollywood-Remakes eines deutschen Films vor. Seine Version von Sandra Nettelbecks Bella Martha weist eine erstaunliche Nähe zum Original auf, gewinnt aber durch gezielt verschobene Akzente absolute Eigenständigkeit.
Der Schauplatz wurde von Hamburg nach New York verlegt, und die von Martina Gedeck so bravourös verkörperte Martha heißt jetzt Kate (Catherine Zeta-Jones). Sie ist eine sehr erfolgreiche Köchin in einem angesagten Restaurant und geht voll in ihrer Arbeit auf. Als ihre Schwester tödlich verunglückt, fällt ihr die unerwartete Aufgabe zu, für ihre neunjährige Nichte Zoe (Abigail Breslin) zu sorgen. Auch Kates Arbeitsalltag wird auf den Kopf gestellt, denn Restaurantbesitzerin Paula (Patricia Clarkson) stellt einen zusätzlichen Koch ein. Nick (Aaron Eckhart), der den Job annahm, weil er Kates kulinarische Künste bewundert, wird von dieser als Konkurrent gesehen. Auch seine lockere Art wird von seiner disziplinierten Kollegin kritisch beäugt. Erst als es Nick gelingt, das Vertrauen der verschlossenen Zoe zu gewinnen, fasst auch Kate allmählich Zutrauen und die beiden kommen sich näher.
Scott Hicks („Shine“, „Schnee, der auf Zedern fällt“, Hearts In Atlantis) und Drehbuch-Debütantin Carol Fuchs haben gegenüber „Bella Martha“ nur eine entscheidende inhaltliche Änderung vorgenommen. Sie verzichten auf die Figur des Vaters des Mädchens und auf die Suche nach ihm. Zoes Erzeuger ist schlicht unbekannt. Eine für manche Liebhaber von „Bella Martha“ gewöhnungsbedürftige Veränderung dürfte zudem die Besetzung von Aaron Eckhart sein, der als blonder Amerikaner den waschechten Italiener Sergio Castellito ersetzt. Und die Szenen von Martha und ihrem Therapeuten haben etwas mehr Biss als die Entsprechungen im Remake. Insgesamt finden sich einige charakterische Ecken und Kanten aus „Bella Martha“ zurückgenommen, der eher nüchterne Stil von Nettelbecks Film wird dafür in eine größere Leichtigkeit überführt. Geschickt greift Hicks Details der Originalvorlage wie die in den Mülleimer beförderten Trüffeln auf und nutzt ihr Potential perfekt aus. Ergänzt um eine urkomische vorbereitende Szene mit dem wie ein Drogendealer auftretenden Verkäufer der edlen Pilze wird aus dieser Mini-Episode ein Musterbeispiel für vorbildliches Timing und vielschichtiges Erzählen. Die Pointen sitzen, aber nebenbei wird auch die Figurenzeichnung verfeinert.
Hicks konzentriert sich in seiner gewohnt sorgfältigen Inszenierung auf das Beziehungsdreieck Kate, Nick und Zoe. Wie in seinen vorangegangenen Filmen kommen einige der beeindruckendsten Sequenzen fast oder ganz ohne Dialog aus. Komplexe und widersprüchliche Gemütszustände werden auch mit visuellen Mitteln ausgedrückt. Erst durch Bildgestaltung und Montage (Schnitt: Hicks' Stamm-Cutterin Pip Karmel) werden unsichtbare Barrieren wirklich spürbar gemacht und genauso wird von ihrer Überwindung erzählt. Wenn Stuart Dryburghs (Das Piano, Als das Meer verschwand) Kamera bei der Einführung von Nicks Charakter im Takt einer Opernarie durch die Küche wirbelt, ist das nicht nur eine ökonomische Einführung der Figur, sondern vor allem auch eine ausdruckskräftige Weise, den Gegensatz zu Kates Welt und ihrer Arbeitsauffassung darzustellen.
Durch Türschwellen, Autotüren und Küchenregale markiert Hicks die Trennlinien zwischen Kate und Nick. Nähe und Vertrauen müssen sie sich erarbeiten. In Catherine Zeta-Jones (Traffic, Terminal, Chicago) und Aaron Eckhart (The Black Dahlia, Thank You For Smoking, The Core) hat Hicks Schauspieler zur Verfügung, die das klassische Komödienmotiv der sich anziehenden Gegensätze emotional glaubwürdig darstellen können. Eine noch stärkere Vertiefung über Genrekonventionen hinaus zeigt sich zwischen Kate und Zoe. Abigail Breslin (Signs), die seit ihrer oscarnominierten Rolle als Little Miss Sunshine deutlich abgespeckt hat, demonstriert, dass sie zu den talentiertesten Kinderdarstellerinen gehört. Nicht nur deshalb ist die Montagesequenz von Kissenschlacht, Spiel und Tollerei, die das gewonnene Zutrauen zwischen Tante und Nichte zelebriert, eine der schönsten Szenen des Films. Und wenn die schlaflose, trauernde Zoe sich davor Videos aus dem gemeinsamen Urlaub mit Mutter und Tante ansieht, Kate dann zögernd dazukommt und die Nichte schließlich in den Arm nimmt, ist das nicht nur der berührendste Moment des Films. Seine Inszenierung birgt zugleich die Quintessenz von Scott Hicks' Kino in sich. Diskret und gerade deshalb wirkungsmächtig markiert ein Schnitt den entscheidenden Moment. Eine einfache Geste erzählt von Trauer und Angst, von Liebe und Trost.
„Rezept zum Verlieben“ liefert weniger eine Erfolgsformel in Sachen Liebe wie es der triviale deutsche Titel suggeriert, sondern erzählt unter der amüsanten Oberfläche vom schwierigen Abbau von Vorbehalten und vom langsamen Aufeinanderzugehen bis sich am Ende der wahre Sinn des Originaltitels offenbart: „No Reservations“ könnte als Motto und Traumziel über dem gesamten Werk des Regisseurs Scott Hicks stehen. Die Überwindung von Vorurteilen und Ängsten, das Locken aus der Reserve - diese thematische Grundierung verleiht der fein abgeschmeckten romantischen Komödie ein besonderes Aroma. Der Vergleich mit „Bella Martha“ zeigt nachdrücklich, dass gute Köche nach demselben Rezept mit einer Prise individueller Zutaten ganz unterschiedliche, aber gleichermaßen wohlschmeckende cineastische Gaumenfreuden kreieren können.