Mein Konto
    Unter der Sonne Australiens
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Unter der Sonne Australiens
    Von Jens Hamp

    Die Flucht hinter die Kamera ist für erfolglose Schauspieler ein möglicher Ausweg aus der Krise. Ben Affleck wäre wohl endgültig in der Bedeutungslosigkeit versunken, wenn er nicht im vergangenen Jahr den hochgelobten Gone Baby Gone inszeniert hätte. Auch der in Hollywood überwiegend für Schurkenrollen bekannte Richard Roxburgh (Moulin Rouge, Van Helsing) fühlte sich nach dem Lesen der mehrfach ausgezeichneten Biographie „Romulus, mein Vater“ als Regisseur berufen. Langjährige Erfahrungen als Theaterregisseur sind sicherlich auch dafür ausschlaggebend, dass Roxburghs Spielfilmdebüt „Unter der Sonne Australiens“ formal herausragend inszeniert ist. Jedoch können auch die namhaften Hauptdarsteller Eric Bana (Hulk, Troja, München) und Franka Potente (Lola rennt, Anatomie, Die Bourne Identität) die ereignislose Geschichte nicht vor der Mittelmäßigkeit retten.

    1960: Raimond Gaita (Kodi Smit-McPhee) lebt mit seinem Vater Romulus (Eric Bana), der vor zehn Jahren aus Europa emigrierte, im australischen Outback. Die Lebensbedingungen auf der Familienfarm sind hart und verleiteten die Mutter (Franka Potente) zur Flucht nach Melbourne. Aber auch das Leben in der Großstadt und eine neue Beziehung führen zu keiner Besserung ihres depressiven Zustands…

    Es ist eine wahre Wonne, den von Richard Roxburgh hervorragenden dirigierten Schauspielern zuzusehen. Mit dezentem osteuropäischem Akzent spielt Eric Bana den moralischen und aufrichtigen Vater, der sich trotz aller Widrigkeiten liebevoll um seinen Sohn kümmert. Der Australier muss hierfür nicht einmal auf große Gesten zurückgreifen, weil bereits seine Augen Bände „sprechen“ und viel von dem schweren Schicksal des gebeutelten Romulus preisgeben. Aber auch Franka Potente muss sich mit ihrem fragilen Auftreten nicht verstecken. Unaufdringlich verkörpert sie die psychisch erkrankte Mutter, die immer mehr von ihrer Umwelt überfordert ist und sich langsam abkapselt. Übertroffen werden die beiden noch von Marton Csokas (Aeon Flux, xXx - Triple X, Königreich der Himmel), der als Hora eigentlich nur eine kleine Nebenrolle hat. Seine Auftritte als bester Freund des Vaters sind aber von solch einer beherzten Natürlichkeit, dass die mehrfachen Auszeichnungen als Bester Nebendarsteller in Australien eine logische Konsequenz waren.

    Neben all diesen – mehr oder weniger – gestandenen Darstellern musste man befürchten, dass der kleine Kodi Smit-McPhee in den Hintergrund gedrängt würde. Der Zehnjährige bekleidet die Hauptrolle aber mit so einer facettenreichen Mimik, dass nicht grundlos Vergleiche mit Haley Joel Osment (The Sixth Sense) gezogen werden. Mühelos wechselt der Spielfilmdebütant zwischen den Emotionen: Er tollt aufgeweckt mit seinem Filmvater umher, tanzt wild und voller Wut zu Rock’n‘Roll-Musik oder beobachtet voller Entsetzen die Tötung von Hühnern. Erste Früchte dieser ausdrucksstarken Vorstellung konnte Smit-McPhee bereits ernten: Im kommenden Jahr wird er neben Viggo Mortensen in der Verfilmung von Cormac McCarthys (No Country For Old Men) Roman The Road die Hauptrolle bekleiden.

    Dieses umwerfende Schauspielensemble wird von Kameramann Geoffrey Simpsons wunderbar in Szene gesetzt. Wie schon in Unter der Sonne der Toskana versteht es der Australier blendend, die Idylle einer Landschaft in schwelgerische Bilder zu bannen. Die rote Sonne geht langsam über dem verlotternden Farmhaus herunter, genießerisch paddeln Hora und Rai über den angrenzenden See, aus dem blattlose Baumstumpfe herausragen. Ungehetzt, fast schon wie Gemälde, stechen diese Naturbilder hervor und ergänzen sich großartig mit der ruhigen, von Basil Hogios komponierten Musik.

    Vor der Mittelmäßigkeit können diese zahlreichen positiven Aspekte „Unter der Sonne Australiens“ allerdings nicht bewahren. Bereits nach wenigen Minuten erweist sich das Drehbuch als viel zu ereignislos, um wirklich zu fesseln. Zentrales Thema ist die Vater-Sohn-Beziehung, die trotz angedeuteter Widrigkeiten ohne dramatische Spitzen verläuft. Zwar wird der Vater als aufrechter, fleißiger und moralischer Mann charakterisiert, zu Konflikten mit dem Sohn kommt es allerdings nur selten. Stetig wird zwar angesprochen, dass die Familie jeden Dollar zwei Mal umdrehen muss, konkrete Folgen dieser Armut sieht man - abgesehen von den spartanischen Lebensverhältnissen auf der Farm - jedoch nie.

    Drehbuchautor Nick Drake begeht deshalb den fatalen Fehler, sich zu sehr auf die psychische Erkrankung der Mutter und deren Auswirkungen auf die anderen Familienmitglieder zu konzentrieren. Da die Geschichte aber überwiegend aus der Sicht des kleinen Rais erzählt wird und dieser nur zeitweise bei seiner Mutter ist, bleiben in dieser Hinsicht viel zu viele Aspekt im Dunklen. Der Zuschauer wird passiv zurückgelassen. Er erhält einfach zu wenige Hintergrundinformationen, um wirklich mit den Figuren mitleiden zu können.

    So ist es schließlich nicht verwunderlich, dass besonders kleine, fast schon unbedeutende Momente im Leben Rais die eindrucksvollsten des gesamten Films sind. Etwa wenn Rai erstmalig Jerry Lee Lewis hört und ihm ein junges Mädchen mitteilt, dass Lewis „Killer“ genannt wird, weil er vermutlich Leute umbringt. Oder die liebevolle Eröffnungssequenz, in der Romulus für seinen Sohn mit der Wärme einer Glühbirne gefrorene Bienen wieder zum Leben erweckt – und damit eigentlich schon die Quintessenz des Films vorwegnimmt: Das Wichtigste im Leben ist die menschliche Wärme. Mit der Zuneigung der eigenen Familie lassen sich auch die schwersten Zeiten überstehen.

    So verliert sich „Unter der Sonne Australiens“ unter dem Strich trotz hervorragender Darsteller und wunderbarer Kameraführung viel zu schnell in der Bedeutungslosigkeit. Im Gegensatz zu vielen (Einwanderer-)Dramen hat Richard Roxburghs Regiedebüt leider nicht viel zu erzählen, was überraschend, interessant oder neuartig wäre. Vielleicht ist es nicht fair, einer auf Tatsachen beruhenden Familienbiographie Ereignislosigkeit vorzuwerfen. Allerdings steht ja auch nirgendwo geschrieben, dass jede Familiengeschichte unbedingt verfilmt werden muss…

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top