„Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“ ist höchste filmische Kunst. Diesen Film in Worte zu fassen, ist im Grunde ein Ding der Unmöglichkeit. Dieser Streifen zeichnet sich nämlich besonders durch seinen einzigartigen, gemäldegleichen Look aus. Während dieses Filmes verwandelt sich unser Wohnzimmer in ein Museum, unser Sofa wird zur Sitzbank, unser Fernseher wird zum bewegten Gemälde. Tatsächlich wirkt der ganze Film wie ein dreistündiges Kunstwerk, das wir bestaunen und interpretieren können, ein Kunstwerk, aus dem wir lernen können.
Während wir noch im Museum sitzen, und das Gemälde auf uns wirken lassen, verschleppt Regisseur Andrew Dominik einen Teil von uns bereits an einen weiteren Ort. In das innere einer Oper.
Stellen wir uns also vor, wir würden noch immer vor dem Bild sitzen, nur gesellt sich nun noch eine Musik hinzu. Eine Musik, die jegliche Dialoge der Figuren im Gemälde ersetzt. Wir bestaunen nur die Charaktere, lauschen der Musik, und schon wird ein Dialog überflüssig. Durch das alleinige Staunen und Lauschen können wir die Gedanken der Personen mühelos ergründen. Wir fühlen ihre inneren Kämpfe, wir fühlen ihre Ängste, wir sehen schlicht und einfach, was in ihnen vorgeht. Besonders deutlich, bzw. am deutlichsten wird dies in der Schlüsselszene des Filmes, die im Titel schon verraten wird.
Jesse James steht gedankenversunken vor einer Wand. Hinter ihm steht Robert Ford. Er hebt seine Waffe. Musik setzt ein. Eine gefühlte Ewigkeit blicken wir in die Augen des jungen Revolverhelden, der sich sichtlich unentschlossen und im Kampf mit seiner eigenen Psyche befindet. Die Waffe zittert. Auch wenn man bereits am Anfang weiß, was gleich passieren wird, ist man sich nicht sicher, ob Robert Ford seinen inneren Schweinehund überwinden kann. Schließlich – ein Knall.
Und ab diesem Punkt offenbart „Die Ermordung des Jesse James“ erst seine ganze Genialität, als er zeigt, wie Robert Ford sich nach vollbrachter Tat fühlt, wie er damit umgeht. Und nicht nur das, sondern auch, was andere über ihn und das Getane denken. Der Film zeigt, wie Robert Ford einst hoffte, durch den Mord an Jesse James als Held dazustehen, doch nun muss er erkennen, wie fern dieser Gedanke, dieser Wunsch der Realität in Wahrheit ist.
„Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“ beweist, dass das gute Kino doch noch nicht ausgestorben ist. Zudem zeigt er eindrucksvoll, dass man auch mit den heutigen Mitteln nach wie vor im Stande ist, filmische Gemälde zu erschaffen. Kurz gesagt; der vermutlich beste Film der vergangenen 10 Jahre.