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    Die Fremde in dir
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Die Fremde in dir
    Von Christoph Petersen

    Eine Frau, deren Verlobter im Central Park von einer Gruppe Schläger getötet wird, läuft anschließend in New Yorks Straßen Amok und schießt jeden Gesetzlosen, der ihr vor die Knarre stolpert, gnadenlos nieder. Diese kurze Zusammenfassung der Handlung des Thrillers „Die Fremde in dir“ klingt wie die Story eines trashigen 70er-Jahre-B-Movies, dabei könnte der Film – zumindest der Papierform nach – gar nicht weiter von den Charles-Bronson-Reißern vergangener Tage entfernt liegen: Regie führt der etablierte irische Oscar-Preisträger (für The Crying Game) Neil Jordan, die Hauptrolle hat die zweifache, stets auf ihr Image bedachte Oscar-Preisträgerin (für „Angeklagt“ und Das Schweigen der Lämmer) Jodie Foster übernommen, und das Budget des Hollywood-Blockbusters dürfte auch um ein Vielfaches über dem der dreckigen Genrestreifen von vor 30 Jahren gelegen haben. Doch auf den zweiten Blick rückt „Die Fremde in dir“ schon wieder deutlich näher an seine Vorbilder heran – zwar hat Jordan an vielen Stellen ganz offensichtlich versucht, die klassischen Motive des Genres zu variieren, zu erweitern oder zu umgehen, doch es ist ihm im Endeffekt nur sehr bedingt gelungen. So bekommt der Zuschauer schlussendlich einen waschechten Rache-Reißer vorgesetzt, auch wenn dieser im Gewand eines ambitionierten Hollywood-Films daherkommt.

    Gerade erst haben die Radio-Sprecherin Erica Bain (Jodie Foster) und ihr Verlobter David („Lost“-Star Naveen Andrews) die Farbe für die Einladungen zu ihrer anstehenden Hochzeit ausgewählt, da werden sie bei einem abendlichen Spaziergang im Central Park von ein paar Schlägertypen überfallen. Während Erica für einige Wochen ins Koma fällt, erliegt David seinen schweren Verletzungen. Natürlich hofft Erica zunächst auf die Ermittlungen der Polizei, doch als die Erfolge ausbleiben, besorgt sie sich – zu ihrem eigenen Schutz – eine Waffe. Als sie hautnah einen Mord in einem Supermarkt miterlebt, erschießt sie den Killer in Notwehr. Von nun an bringt sich Erica immer wieder absichtlich in brenzlige Situationen, um dann ihre Pistole sprechen zu lassen. Die Ermittlungen in der Selbstjustiz-Mordserie übernimmt Detective Mercer (Terrence Howard). Schnell hat er das Gefühl, dass mit Erica irgendetwas nicht stimmt. Ein intimes Psychoduell zwischen Cop und Vigilante-Killer entbrennt...

    Man wird das Gefühl bis zum Schluss nicht los, dass Neil Jordan (Interview mit einem Vampir, The Good Thief, Breakfast On Pluto) mit „Die Fremde in dir“ eigentlich gar keinen herkömmlichen Rachefilm, sondern irgendwie noch mehr als einen reinen Genrestreifen abliefern wollte. Doch auch wenn er New Yorker Post-9/11-Befindlichkeiten mit hineinbringt und die Psychologie seiner Figuren stärker als vergleichbare Werke in den Vordergrund stellt, bleibt er seinem Genre doch stets verhaftet - es ist ein spannender psychologischer Thriller herausgesprungen, ob nun ein psychologisches Drama zum selben Thema besser gefallen hätte, ist Geschmackssache. Dabei ist es gar nicht so einfach, spezielle Vorbilder auszumachen. Vielmehr präsentiert sich „Die Fremde in dir“ als buntes Kompendium des Rache-Genres:

    Spoiler! Zunächst erschießt Erica ihre Opfer noch wahllos, Hauptsache es sind Kriminelle, Mörder, Vergewaltiger. Dieser Ansatz des ziellosen Vigilanten erinnert stark an Michael Winners Genre-Klassiker „Ein Mann sieht rot“ mit Charles Bronson, oder auch an Abel Ferraras „Die Frau mit der 45er Magnum“. Schließlich, nachdem ihr Mercer von einem ungerechtfertigten Freispruch erzählt hat, wählt Erica ihr nächstes Opfer speziell aus. Diese zielgerichtete Selbstjustiz findet man etwa auch in Todd Morris´ unterschätzten Thriller „A Gun For Jennifer“, der ebenso wie „Die Fremde in dir“ in den Straßen New Yorks spielt. Schließlich richtet sich Ericas Rache direkt gegen ihre Peiniger, womit wir beim erst kürzlich angelaufenen Death Sentence von Saw-Regisseur James Wan angekommen wären. Spoiler Ende!

    In den meisten Fällen sorgt das Aufgreifen eines Underground-Genres durch den Mainstream für ein Glattbügeln desselbigen. Dafür, dass „Die Fremde in dir“ ein spannendes Kinoerlebnis geworden ist, darf sich Neil Jordan aufgrund seiner atmosphärischen Inszenierung und seiner griffigen Dramaturgie verantwortlich zeichnen. Dafür aber, dass der Film keinesfalls konturlos, sondern mit für Hollywood außergewöhnlich vielen Ecken und Kanten daherkommt, muss man den beiden Hauptdarstellern danken, die sich stets nachvollziehbar und ohne je ins Spekulative abzugleiten in ein moralisches Niemandsland schmeißen – und daraus zum Schluss auch nicht einfach wieder mit einer klaren, eindeutigen und politisch korrekten Antwort zurückkehren. Jodie Fosters (Taxi Driver, Contact, Flightplan) Verkörperung des Racheengels Erica wirkt nicht nur intensiv, sondern ist auch bis zur letzten Einstellung ambivalent.

    Wie schon zuletzt in Spike Lees Thriller Inside Man spielt Foster auch hier wahrlich keine uneingeschränkte Sympathieträgerin, sondern offenbart ein komplexes, uneindeutiges moralisches Geflecht. Noch schwieriger ist der Job von Terrence Howard (Vier Brüder, The Hunting Party, Oscar-Nominierung für Hustle And Flow) einzuschätzen. Sein Charakter Mercer spricht als Cop auf der einen Seite die Sprache des Gesetzes und ist dieser auch in seinem eigenen Handeln stets unterworfen. Auf der anderen juckt es aber auch ihn in den Fingern, auch er würde gerne etwas gegen unverurteilte Straftäter unternehmen. Deshalb benutzt er Erica an einer Stelle des Films sogar – ob bewusst oder unterbewusst bleibt offen – als Werkzeug. Ein moralisches Dilemma, das nur schwer herauszuarbeiten ist. Doch auch trotz dieser nicht zu unterschätzenden Hürde liefert Howard einmal mehr eine anstandslose Leistung ab.

    Fazit: „Die Fremde in dir“ ist ein klassisches Revenge-Movie – spannend, brillant inszeniert und gespielt -, dessen Moral von der Geschicht’ auf einer gerade für den Mainstream ungewöhnlich ambivalenten Ebene hängen bleibt.

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