Fortsetzungen eines erfolgreichen Action-Blockbusters haben schneller, lauter, härter und größer als der Vorgänger zu sein. Dabei schießen Produzenten, Regisseure und Drehbuchautoren oft über das Ziel hinaus und das Resultat ist ein anstrengendes Etwas, das dem Original nicht einmal ansatzweise das Wasser kann. Rambo sei in diesem Zusammenhang genannt, oder der Batman und dessen Nachfolger der 90er Jahre oder auch Bad Boys. „Speed 2“ schlägt leider noch viel mehr in jene Kerbe und versagt auf fast ganzer Linie. Zumindest dank etwas unfreiwilliger Komik und ordentlichen Schauwerten mag er Gnade unter den Augen eines geduldigen Zuschauers finden.
Alex (Jason Patrick) spendiert seiner Freundin Annie (Sandra Bullock) eine Kreuzfahrt. Die ist allerdings etwas genervt, weil sie kürzlich erfahren hat, dass ihre Flamme ein waghalsiger Cop ist. Just aus jenem Grund hat sie sich von ihrem letzten Freund getrennt (der Leser erinnere sich an dieser Stelle an den Keanu Reeves aus Speed). Auch wenn sie offenbar nicht allzu viel über ihren aktuellen Freund weiß, hat dieser sie auf den Luxuskreuzer mitgeschleppt, um Annie einen Antrag zu machen. Zu dumm, dass ein verbitterter Bad Guy namens John Geiger (Willem Dafoe) dazwischen kommt und für Terror an Bord der „Seaborn Legend“ sorgt. Alex und Annie sind gefordert, dem verrückt spielenden Bösewicht das Handwerk zu legen.
„Speed 2“ greift die Aussage „Relationships based on extreme circumstances rarely ever work“ aus „Speed“ auf und erklärt damit den Ausfall von Star Keanu Reeves elegant. Sandra Bullock (Die Vorahnung, L.A. Crash) ist wieder mit von der Partie – ebenso wie Regisseur Jan de Bont (Twister, Speed). Cameo-Auftritte haben Joe Morton als Polizeichef oder Glenn Plummer als rastabelockter Millionär Maurice. In „Speed“ hat sein Auto dran glauben müssen, in „Speed 2“ ist es sein Boot. „Speed 2“ bemüht sich also, die Bindung zum Vorgänger herzustellen. Am Ende erblickt der aufmerksame Betrachter gar Linienbus Nr. 33, jenes Schicksalsgefährt, das in Teil 1 durch die Stadt bretterte. Doch damit hören die Gemeinsamkeiten mit dem grandiosen Teil 1 auf.
Eher fühlt sich das Publikum an Stirb langsam auf einem Boot erinnert. So etwas wie „Alarmstufe: Rot“ im Weichspül-Modus. Verwunderlich ist das nicht, denn das Original-Skript war ursprünglich mal für Teil 3 der „Stirb langsam“-Reihe gedacht. Der Filmfreund darf froh und dankbar sein, dass daraus nichts geworden ist. Die Story macht hinten und vorne keinen Sinn. So richtig „speedy“ ist der Film ebenso wenig. Als der Bad Guy die Kontrolle über das Schiff gewinnt, sorgt er dafür, dass das Boot nicht mehr langsamer tuckern kann. Ein Gefühl von Tempo und Rasanz mag dabei aber trotzdem nicht aufkommen.
Krachende Action-Filme sind nicht wirklich realistisch. Der Mangel an Glaubwürdigkeit und die geringe innere Logik sind in „Speed 2“ allerdings so derart hoch, dass Spannung partout nicht aufkommen mag. Manchmal kracht und scheppert es, Gangster Geiger rennt durch einige Gänge, der Held hinterher, ein stummes Mädchen hat sich auch irgendwo verirrt, die Besatzung schaut mitleidig drein und die Passagiere versuchen sich panisch zu geben. Aber logisch nachvollziehen lässt sich die Art nicht, wie unser Bösewicht die Kontrolle übernommen hat und halten kann; zumal er sich mit seinen kühnen Manövern auch selbst in Gefahr bringt. Zum Glück gibt es aber noch den Faktor Zufall und die magischen Computer; in Hollywood offenbar immer ein beliebtes Mittel, Plotholes zu füllen oder zu überbrücken. So hält der Böse die Kontrolle und benimmt sich die Besatzung wie eine Truppe Hobbymatrosen, bis der Held nach einem Versuch Teile des Bootes zu fluten, auf die glorreiche Idee kommt, die Schiffsschraube zu bezwingen. Ein Wunder, dass der Luxusliner bis dahin nicht untergegangen ist und er noch lebt.
Jason Patrick (Sleepers, Narc) ist der Held. Ein Draufgänger soll er sein. Nun ja. Er rennt wie ein Huhn (pardon: Hahn) ohne Kopf herum, fuchtelt gelegentlich mit seiner Waffe, tappt in offensichtliche Fallen und versucht mit Ideen das Schiff zu retten, bei denen fleißiges Haareraufen angesagt ist. Eigentlich sieht das die Besatzung auch so, aber sie folgt dem Polizisten ohne Schifffahrterfahrung nichtsdestotrotz ebenso brav wie treu. Im einen Moment protestieren sie noch laut, der Held guckt sie (treudoof) an und schon tun sie mit dem Schiff, was er will. Zu dumm nur, dass Patrick nicht zwingend das Charisma eines Bruce Willis hat. Eigentlich schlafwandelt und stolpert er eher lustlos durch das Setting. Sandra Bullock gibt da etwas mehr. Leider haben die Drehbuchautoren bei der Ausarbeitung ihres Charakters nicht mehr so sehr an „Speed“ gedacht. Sie ist eine – mit Verlaub – dümmliche Nervensäge, steht überall im Weg und beglückt ihre Mitmenschen ab und an mit klugen Vorschlägen, die ihr scheinbar aus heiterem Himmel zuzufallen. Wie sie darauf kommt, wenn sie doch während der restlichen Laufzeit das nervige Dummerchen ist, bleibt ein Geheimnis. Von ihrem sympathischen Charakter aus dem ersten Teil ist nicht viel übrig geblieben. Willem Dafoe als durchgeknallter Bösewicht macht zumindest Spaß. Für ihn ist das Ganze eine Routinenummer. Er hat den einfachsten Part. Da er sowieso einen Over-The-Top-Wahnsinnigen darstellt, braucht sich der Zuschauer über die Schlüssigkeit seiner Handlungsweisen keine Gedanken zu machen.
Über die Nebendarsteller, eine Reihe an Stereotypen, muss nicht weiter philosophiert werden. Sie fügen sich passend in das nicht sehr ernst zu nehmende Gesamtbild ein. Es ist das übliche Repertoire an Katastrophenfilm-Kanonenfutter-Nebenfiguranten (z.B. Mädchen in Not, verständnislose Eltern, plappernder Quoten-Schwarzer, dicker Mann und dumme Blondinenfrau, etc.). Allzu viel wird allerdings nicht über den Jordan gegangen; „Speed 2“ ist ein zahmer Actionfilm. Die Effekte sind ganz ordentlich. Im beknackten Finale geht vieles zu Bruch, das sieht nicht sehr glaubhaft, aber ausgesprochen lustig aus. Jan de Bont hat als Regisseur sein Handwerk nicht verlernt. Das Action-Spektakel ist sicher inszeniert und entspricht üblichen Blockbusterrichtlinien. Der Nonsens von „Speed 2“ schaut besser aus, als er ist. Musikalisch bietet der Actioner Hausmannskost. Komponist Mark Mancina (Speed, Bad Boys, Con Air) weiß, welche Töne er im Genrefilm treffen muss. Kameramann Jack N. Green (Serenity, Space Cowboys, Twister) sorgt für professionelle Bilder. Da die Story aber so derart lahm daher kommt, schaffen es die handwerklich befähigten Herrschaften hinter der Kamera nicht, Tempo in den Film zu bringen. Denn meisterlich, das ist die Inszenierung nun auch wieder nicht.
Der Gewaltpegel ist sehr moderat. Daher erweist sich „Speed 2“ als ein ziemlich beschauliches Stück Film. Manchmal explodiert was, am Ende geht alles zu Bruch und zwischendurch darf sich das Publikum an freiwilligen und unfreiwilligen Komikpassagen ergötzen. In dieser Kombination und im Wissen, dass der Film sonst nichts zu bieten hat, kann das Ganze durchaus Spaß machen. Irgendwie. Filmisches Very-Fast-Food eben.