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    Switchblade Sisters
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Switchblade Sisters
    Von Björn Becher

    1994, auf einem vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere, wollte sich Regisseur Quentin Tarantino einen Traum erfüllen. Er gründete eine Verleihfirma, um „Filme in die amerikanischen Kinos zu bringen, die sonst vielleicht nie in den USA zu sehen sein würden.“ Neben neueren Werken aus Asien richtete er seinen Fokus dabei vor allem auf die vergessenen Filme seiner Jugend. Sein Ziel war es, „Kung-Fu-Filme, italienische Krimis, Blaxploitation und andere tolle Sachen aus den 70ern zurück auf die Leinwand zu bringen.“ Er schaffte es, die Brüder Weinstein, Bosse des Filmstudios Miramax, dazu zu bringen, ihm das Projekt mit dem Namen „Rolling Thunder Pictures“ zu finanzieren. Doch Tarantinos Höhenflug auf diesem Sektor dauerte nicht lange an. Zwei Jahre später wurde das Projekt von Miramax wieder eingestellt. Es war nicht profitabel. Die noch nicht ausgewerteten, aber schon erworbenen Lizenzen wurden wenigstens nicht wieder im Giftschrank verstaut, sondern Miramax brachte die Filme bis einschließlich 1999 noch in die US-Kinos. Als dann das Medium DVD seinen Siegeszug begann, erinnerte sich wohl jemand an „Rolling Thunder Pictures“. Das Label wurde zwar nicht wiederbelebt, aber zumindest der Name noch einmal aktiviert. Miramax veröffentlichte nun alle von Tarantino gekauften Filme unter diesem Namen auf DVD. Den Anfang machte der Girl-Gang-Exploitation-Streifen „Switchblade Sisters“ von Jack Hill, dem „Howard Hawks des Exploitation-Kinos“, wie ihn Tarantino in einem der Extras der DVD anpreist.

    Im Mittelpunkt von „Switchblade Sisters“ steht die Mädchenbande der Dagger Debs. Unter der Führung von Lace (Robbie Lee) hat die Gang ihr kleines Viertel, das nur aus wenigen Häuserblocks besteht, fest im Griff. Wobei das nicht ganz richtig ist, denn die Mädels bilden zwar eine Gang, doch sie sind eigentlich nur ein weibliches Annex zur eigentlich im Viertel dominierenden Bande, den Silver Daggers, deren Boss Dominic (Asher Brauner) der Freund von Lace ist. Bei ihrer stetigen Suche nach Streit geraten Lace und ihre Mädels in einem Diner an Maggie (Joanne Nail), die trotz der Übermacht von mit Messern bewaffneten Mädels nicht von ihrem Tisch weichen will. Bei einer handgreiflichen Auseinandersetzung behält sie sogar gegen Patch (Monica Gayle), Laces beste Freundin, die Oberhand. Lace ist beeindruckt und als Maggie sich beim folgenden kurzen Aufenthalt in der Jugendbesserungsanstalt als hart genug erweist, soll sie gar in die Gang aufgenommen werden. Doch noch steht eine harte Aufnahmeprüfung zwischen Maggie und den Dagger Debs…

    Man muss zugeben, dass „Switchblade Sisters“, der in Deutschland mal - sehr stark gekürzt - unter dem Titel „Die Bronx-Katzen“ auf VHS veröffentlicht wurde, kaum ein Klischee auslässt. Die Story bietet alle typischen Elemente, die man von einem Gang-Streifen erwartet. Da gibt es mit Patch die Intrigantin, die es natürlich schafft, aus Maggie und Lace Todfeinde zu machen. Wer sich bei diesem Handlungsstrang mehr als vage an „Othello“ erinnert fühlt, dem sei gesagt, dass Jack Hill es liebte, Motive aus den Werken von William Shakespeare in seine Filme einzubauen. Weiter gibt es in der Gang auch das dicke, verfressene Mädchen mit dem passenden Namen Donut (Kitty Bruce), das von allen gehänselt wird. Und noch eine ganze Latte weiterer Stereotypen werden freudig bedient. Dazu sind die Rollen fast durchweg mit Darstellern besetzt, die zwar zum Teil sehr gut aussehen, aber nicht wirklich schauspielern können und in einigen Szenen so auch eher peinlich agieren. Ausnahmen, vor allem Monica Gayle ist hier zu nennen, bestätigen dabei wie immer die Regel. Da wundert es auch nicht, dass heute selbst eingefleischten Filmkennern kaum ein Name der Besetzungsliste etwa sagen dürfte.

    Man könnte noch sehr viel mehr Negatives aufzählen, aber die Frage sei erlaubt: Who cares? „Switchblade Sisters“ ist ein Film von Jack Hill, da erwartet man in formaler Hinsicht sicher keine Glanzlichter, sondern einfach verdammt gute Unterhaltung - und die liefert Hill hier wieder einmal zielsicher ab. Dem Film fehlt zwar sichtlich eine solch charismatische Hauptdarstellerin, wie Hill sie mir der 70er-Jahre-Ikone Pam Grier in seinen bekanntesten Werken „Foxy Brown“ und Coffy auffahren konnte. Joanne Nail fällt hier im Coolness-Vergleich nämlich deutlich ab, aber das ist auch schon der größte Schwachpunkt des Films. Ansonsten fährt „Switchblade Sisters“ viele schlagfertige Sprüche und eine ganze Menge launiger Action auf. Spätestens wenn die Silver Daggers sich auflösen und die Mädchen die Macht übernehmen, rockt der Film. Hill beweist hier mal wieder, dass kaum einer Frauenpower so gut er inszenieren kann wie er.

    Doch im Gegensatz zu vielen anderen Filmen des Genres beschränkt sich Hill nicht ausschließlich darauf, dem Zuschauer Fun, Action und noch mehr Fun zu bieten, sondern unterbricht diesen steten Fluss bisweilen jäh. Da kommen völlig unvermittelt zwei Vergewaltigungen. Hill vermeidet dabei die explizite Darstellung dieser Szenen. Er deutet sie vielmehr nur kurz an, um dann wieder wegzublenden. Dies ist ein geschickter Schachzug, da die Szenen so nur im Kopf des Zuschauers stattfinden, was eine noch viel stärkere Wirkung haben kann. Diese Ereignisse sind weiter auch nicht nur ein dem Exploitation-Genre geschuldetes Übel, sondern dienen einer durchaus glaubhaften Wandlung der Mädchen. Mit Ausnahme von Maggie sind alle, sogar Lace, zu Beginn zwar in einer Gang, aber im Endeffekt doch nur ein Anhängsel der Männergang, werden von diesen zwar neben sich geduldet, aber auch untergebuttert. Durch all die Rück- und Schicksalsschläge, die die Mädels erleiden müssen, emanzipieren sie sich. Dies geschieht mit dem moralisch in der realen Welt natürlich nicht vertretbaren Mittel der Gewalt, aber wenn man den Film auf diesen fragwürdigen Aspekt reduziert, ist das schlicht verfehlt.

    Im vom katholischen Filmdienst publizierten „Lexikon des internationalen Films“ liest man zu „Switchblade Sisters“ Folgendes: „Dilettantisch inszenierter und gespielter Film um eine New Yorker Schulmädchen-Gang, deren einziges ‚Lernziel’ die Ausübung von Gewalt ist. Ein Zeugnis menschenverachtender Gesinnung.“ Mal abgesehen davon, dass der Film ganz sicher nicht dilettantisch inszeniert ist, verkennt diese Kritik deutlich die symbolische Funktion, die die Brutalität hier auch einnimmt. Die Gewalt zeigt in diesem Fall die Emanzipation der Frauen. Wenn sich im Finale die weiße Frauengang um Maggie mit einer farbigen Frauengang verbündet, um der Männergang mal so ordentlich einzuheizen, dann erfolgt dies natürlich zum einen zur Befriedigung des Zuschauers, der solche „Schlachten“ in einem Exploitation-Film sehen will, aber es ist auch die vorletzte Stufe der Emanzipation der Frauen, die sich hier endlich – wenn auch nur mit Waffen - trauen, den Männern Paroli zu bieten. Und im endgültigen Finale schaffen sie es dann sogar mit Worten und ohne Gewalt, was noch einmal eindrucksvoll diese Symbolik unterstreicht.

    Diese Kritik ist Teil der Retrospektive FILMSTARTS.de goes Grindhouse.

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